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Updated: 18.12.2012 15:51
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Neue Arbeitsgesetze - alte Tradition

Eine Stellungnahme des Sekretariats des Gewerkschaftsbundes CGT zur Kritik an Regierung, Unternehmensverbänden und Mehrheitsgewerkschaften: Im Zentrum der Auseinandersetzung die sogenannten beschäftigungsfördenden Arbeitsverträge (kurz Zeitarbeit) - in spanien von besonderer Bedeutung, da hier inzwischen weniger als 50% "Normalarbeitsverträge" sind. Die deutsche Übersetzung der Stellungnahme (von MD) "Die große Lüge der Regierung, der Unternehmer und der Mehrheits-Gewerkschaften" der CGT von Ende Oktober 2005.

CONFEDERACIÓN GENERAL DEL TRABAJO, Permanentes Sekretariat des Bundeskomitees

Die Arbeitsmarktreform - Die große Lüge der Regierung, der Unternehmer und der Mehrheits-Gewerkschaften

Am 19.Oktober 2005 hat die Regierung den Unternehmern und den Mehrheits-Gewerkschaften schriftlich ihre Vorschläge zur Arbeitsmarktreform präsentiert.

In den vorgeschlagenen konkreten Maßnahmen, welche das Alltagsleben von Millionen von lohnarbeitenden Personen betreffen, spiegelt sich die Wirklichkeit wieder. Die Maßnahmen tragen zur Segmentierung und Fragmentierung des Arbeitsmarktes bei, indem durch sie zwei Arten von Arbeitsverträgen institutionalisiert werden: 1. Die althergekommenen, unbegrenzten Verträge: Das sind die sogenannten “gewöhnlichen Verträge”, nach deren Bedingungen ohnehin nur noch weniger als 50% der beschäftigten lohnarbeitenden Bevölkerung unter Vertrag steht und die sich zum einen dadurch auszeichnen, daß wenn ein abhängig Beschäftigter mit solch einem Vertrag gekündigt wird Entschädigungskosten zu Lasten der Unternehmer anfallen, die sich auf die Auszahlung anteilig für 45 Beschäftigungstage belaufen. 2. Die anderen, neuen Verträge: Das sind die sogenannten “beschäftigungsfördernden Verträge”, deren -im Falle einer Kündigung- Entschädigungskosten zu Lasten der Unternehmer sich auf 33 Beschäftigungstage belaufen und deren jährliche Kosten für die Unternehmer zu mehr als einem Drittel vom Staat subventioniert werden. Von nun an wird jede Person die in den freien Arbeitsmarkt eintritt (mit der einfachen Erfordernis Arbeitssuchender seit mindestens einem Monat zu sein) die Garantie haben unter Vertrag einer dieser „beschäftigungsfördernden Verträge“ -welche für die Unternehmer gering an Lohnkosten und noch billiger im Falle von Kündigungen sind- genommen zu werden.

Desweiteren werden die Zeitverträge als Festverträge umdefiniert -mit dem vorgegebenen Ziel den allgemeinen Betrug in der Vertragsabschlußpraxis zu bremsen-, daß heißt wer 24 Monate in einer Vertragsperiode von 36 Monate gearbeitet hat und zwei oder mehr Verträge unterschrieben hat, muss daraufhin selbst beim Arbeitsgericht die Dauerhaftigkeit des Arbeitsverhältnisses einklagen, womit von neuem der Terminus von “Beschäftigungsstabilität” pervertiert wird.

Die andere große Inszinierung “zeitlich begrenzter Beschäftigung Grenzen” setzen zu wollen, basiert darauf zu definieren was ein contrata (= Aufgabeverträge mit der öffentichen Hand bzw. so unter vertraggenommene Unternehmen) ist und was ein subcontrata (= Untervergabevertrag bzw. so unter vertraggenommene Unternehmen) ist, aber nicht um ihren Gebrauch und Mißbrauch durch die großen Arbeitgeber zu verhindern (Großunternehmen, multinationale Konzerne, öffentliche Verwaltung), sondern um die Form zu wahren und von nun an statt Werk- oder Konzessionsverträge vielmehr die diskriminierenden „beschäftigungsfördernden Verträge“ vergeben zu können bzw. zu sollen, letztere sich eben durch geringe Entschädigungskosten im Falle einer Kündigung und ihre staatliche Subventionierung auszeichnen.

Außerdem wird angestrebt den Tatbestand einer unerlaubten Überlassung von Arbeitskräften, welche nach Artikel 43 des Estatuto de los Trabajadores (= Arbeitnehmerstatut) verboten ist, per Definition auf drei oder vier Vorraussetzungen einzuschränken, wohingegen die derzeitige Rechtsprechung viel weitfassender ist.

Man reguliert und legalisiert nicht um ein Problem zu lösen, denn wenn dieser Willen bestehen würde, müßte diese massenhafte Vertragsabschlußpraxis welche mittels der contratas und der subcontratas stattfindet verboten sein; desweiteren wird in dem Fall, daß der handelsrechtliche Vertrag zwischen dem Stammunternehmen und der contrata beendet wird, nicht zur Surrogation der Arbeitsverträge angehalten.

Hierbei handelt es sich um eine alte Forderung der Unternehmerschaft (also juristisch den Kündigungsgrund nicht an die Vertragsbeendigung zu binden; dieser Umstand bedeutete bisher die einzige Garantie auf juristische Sicherheit für die abhängig Beschäftigten), welche seit langer Zeit behauptet, daß wenn “jemand auf die Straße gesetzt wird, geschieht dies zum Wohle der Wirtschaft, des Fortschritts, der Gesellschaft”…und die Richter an den Arbeitsgerichten, also die “soziale Gerechtigkeit”, sind schnell dabei die Kündigung als objektiv zu akzeptieren (mit der vereinbarten Reform von 1994 autorisiert die öffentliche Verwaltung -in den den Fällen wo das ERE [Expediente de regulación de empleo= Verfahren bei Massenentlassungen, Kurzarbeit und Frühverrentung] einvernehmlich vorgenommen wird- alle Kündigungen von Beginn an und überprüft daher darauf nicht Einzelreklamationen).

Die Subventionen für die Unternehmer werden erhöht. Einzustellen, viele Arbeitsverträge abzuschließen, wird kein Problem mehr für die Unternehmer sein, da sie die Garantie bekommen, daß ihnen die Arbeitsverträge zu einem Großteil subventioniert werden und sie zudem Gewißheit über ihre laufenden Kosten haben werden- durch die Minderungen ihrer Beitragszahlungen an den FOGASA (Fondo de Garantía Salarial= Konkursausfallfond) -von 0,4% auf 0,3%- und in die Arbeitslosenversicherung; letzteres im Falle der Lohnarbeitsverträge, welche flexible Arbeitskräfte zur Grundlage haben: Also bei den Festverträgen mit Unterbrechungen und den Teilzeitarbeitsverträgen.

Und allen Unternehmen mit bloß bis zu 50 abhängig Beschäftigten wird 40% der im Kündigungsfall gesetzlich vorgeschriebenen Entschädigungszahlungen an den/die Gekündigte(-n) rückerstattet werden.

Der Rest an Vorschlägen dienen der Absicherung der derzeitigen Verhältnisse auf dem freien Arbeitsmarkt: Stärkung der Zeitarbeitsfirmen (denen die Einzahlungen in die Sozialversicherungssysteme heruntergesetzt wird), Ausweitung des Systems der Bedarfsdeckung für Beschäftigungslose durch Beihilfen und eine an die Frauen gerichtete Geste an den Stellen im Text wo “die Gleichheit von Männern und Frauen auf dem Arbeitsmarkt” propagiert wird- wo doch Frauen tatsächlich weiterhin einkommensmässig, sozial und kulturell ungleich behandelt werden; dabei ist klar, daß es sich um Maßnahmen handelt, welche zum einen ihre Beschäftigungsrate im Lohnarbeitsbereich und(!) zum anderen ihren ohnehin schon hohen Zeitaufwand für Reproduktionsaufgaben während der Nicht-Lohnarbeitszeit (Pflege, Heim, Erziehung, etc.) erhöhen werden.

Überhaupt nicht erwähnt wird in dieser Arbeitsmarktreform jener grosse Teil der aktiven, lohnarbeitenden Bevölkerung, ob nun beschäftigt oder beschäftigungslos, welcher den unzweifelhaften Beweis über die Existenz von Prekärität und Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt darstellt- die Gruppe der außereuropäischen Immigranten nämlich. Ihre Beteiligung am Arbeitsmarkt für Lohnarbeitsbeschäftigung wird durch ein diskriminierendes Gesetz –Ley de Extranjería (=Ausländergesetz)- reguliert, und die Regelung ihrer “Normalisierung” wird durch jene abgestimmt und vereinbart, welche die potentiellen Unterzeichner dieser Reform sind.

Rethorik, Gutaufgelegtheit und Konsensdenken kommen in dem vorgelegten Dokument der Regierung reichlich vor. Aber Rethorik, Konsens- und Sozialpaktsdenken waren stets Teil aller Arbeitsmarktreformen, von der des Jahres 1980 an (Einführung des Estatuto de los Trabajadores= Arbeitnehmerstatut) bis zur der des Jahres 2001 unter der PP-Regierung, daß heißt, sie wurden stets als Teil des Modelles der sozialen Beziehungen innerhalb des spanischen Staates angewand.

Die geplanten Maßnahmen haben den gleichen ranzigen und bitteren Geschmack wie die aller anderen Maßnahmen auch, welche innerhalb 30 Jahre “demokratischer” Arbeitsbeziehungen angewand wurden und den größten Betrug von Abermillionen von lohnarbeitenden Personen begründet haben. Jener Personen, die wir alle sind, die “ohnmächtig” der Abschirmung des Kapitals, seiner grenzenlosen Bewegungsfreiheit und der dabei provozierten Tausenden von Toten durch Arbeitsunfälle beiwohnen. Hunderttausende von modernen Sklaven, die wir uns dazu gezwungen sehen in Unternehmen wie die contratas und die subcontratas eine Beschäftigung anzunehmen, mit betrügerischen und zeitlich begrenzten Verträgen und mit Entlohnungen und Arbeitszeiten welche direkt gegen unsere Würde gerichtet sind.

(Übersetzung MD)


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