Brachland besetzt: Erwerbslose okkupieren staatliche Finca. Privatisierung soll verhindert werden
"In den Dörfern rund um die andalusische Finca Somontes, zwischen Córdoba und Sevilla gelegen, machten sich am Sonntag morgen zahlreiche Menschen bepackt mit Tortillas und mit Chorizo belegten Broten und Kühltaschen mit ausreichend Wasser auf einen langen Fußmarsch. Um elf Uhr vormittags trafen sich schließlich rund 500 Landarbeiter auf einem 300 Hektar großen Grundstück mit brachliegenden landwirtschaftlichen Nutzflächen. Bislang befindet sich dieses Gelände in öffentlichem Eigentum, doch die andalusische Regierung will verkaufen. Am Montag endete die Frist zur Einreichung von Angeboten, die Versteigerung soll noch in diesem Monat erfolgen. Dagegen protestieren die zumeist erwerbslosen Landarbeiter, indem sie die Finca besetzten. »Die Regierung verkauft das öffentliche Eigentum der Andalusier, das wir brauchen, um Arbeitsplätze zu schaffen«, erklärte der Sprecher der Andalusischen Arbeitergewerkschaft (SAT), Diego Cañamero, gegenüber jW..." Artikel von Carmela Negrete, Palma del Río, in der jungen Welt vom 06.03.2012
Gegen die Privatisierung von Schulsystem und Gesundheitswesen
Am 13. November wurde in Spanien gestreikt, demonstriert und protestiert. Gegen das neue Schulgesetz im Geiste des Bologneser Menschensiebs, gegen die Umsetzung älterer Gesetze zur Privatisierung des Gesundheitswesens, gegen Massenentlassungen und aktuelle Wirtschaftskrise. Unsere kleine aktuelle Materialsammlung "Spanien in der Krise" vom 14. November 2008 soll einen Überblick geben.
Gegen das 1 Milliarde € Privatisierungsprogramm der Madrider Krankenhäuser
Flurkampf im Krankenhaus: keine Szene aus einem der zahllosen schlechten Actionfilme, sondern Madrider Wirklichkeit am 1. Oktober 2008. Hunderte Beschäftigte des Hospital Clinico San Carlos hatten, wie in den Tagen davor und danach an zahlreichen Einrichtungen des Madrider Gesundheitswesens, gegen die massive Welle der Privatisierung und die damit einhergehenden Entlassungen protestiert - die Polizei verfolgte sie bis auf die Flure, nahm mehrere Kollegen fest und behauptete nachher - entgegen der Videoaufzeichnungen - sie wären aggressiv gewesen. Die in der Stadt regierende Volkspartei (PP) hat ein Privatisierungsprogramm aufgelegt, das im Herbst 2008 die Inbetriebnahme von gleich 8 privaten Krankenhäusern vorsieht - ein Geschäft, bei dem eine runde Milliarde Euros im Spiele ist - und etwa 10.000 Entlassungen - beziehungsweise Erlöschen von Zeitverträgen. Die PP-Stadtverwaltung arbeitet dabei auf der Grundlage eines Gesetzes von 1997, erlassen, als sie selbst die Regierung in Spanien stellte - und die seit mehreren Jahren regierende Sozialdemokratie (PSOE) hat nichts unternommen, solcherart Gesetze zurück zu nehmen. In Madrid hat sich dagegen die Koordination der Beschäftigten des Gesundheitswesens gegen die Privatisierung gegründet - unter Einbeziehung von verschiedenen sozialen Organisationen und der betroffenen AnwohnerInnen - bzw der Föderation der Anwohnervereinigungen.
- Die Seite der Coordinadora de Trabajadores de la Sanidad Pública Contra la Privatización mit dem wöchentlich erscheinenden (pdf) Bulletin und vielen weiteren Materialien - diese Koordination entstand aus dem Verlangen zahlreicher Gewerkschaftsmitglieder verschiedenster Verbände und wird faktisch bis heute von den beiden großen Verbänden - CCOO und UGT - boykottiert.
- Die Analyse "Construir la movilización contra la privatización de la sanidad es indispensable" von Ángeles Maestro (Corriente Roja) vom 28. September 2008, verfasst nach der ersten gemeinsamen Aktionen von rund 8.000 Madrider Beschäftigten des Bereichs und Anwohnern.
Die Legende vom billigen Supermarkt...
Ausgerechnet Spanien: Aus deutschen Supermarktketten ließen sich sicherlich endlose Überwachungsvideo-Dokumentationen erstellen, die den hohen Anteil etwa andalusischer Erzeugnisse am Einkauf deutscher KonsumentInnen belegten, und die Landarbeitergewerkschaft SOC hat oft genug die Bedingungen dokumentiert und kritisiert, unter denen diese Nahrungsmittel produziert werden. Ausgerechnet in Spanien also wurde jetzt eine Studie veröffentlicht, die besagt, dass spätestens in 15 Jahren über 80% aller Nahrungsmittel importiert werden müssen, wenn die Entwicklung so weiter geht: sieben Unternehmen beherrschen 75% des Marktes. Darunter etwa Carrefour, aber auch Mercadona. Und obwohl die Leitlinie "billig" dazu führt, dass sowohl jene, die in den Supermärkten arbeiten, als auch diejenigen, die die Produkte herstellen, unter immer übleren Bedingungen arbeiten müssen, ist die These Supermärkte seien nun halt mal billiger anzuzweifeln: Der katalanische Bauernverband (in Katalonien sind noch 1% der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig, in ganz Spanien knapp über 5%) hat dokumentiert, dass die gängigsten landwirtschaftlichen Produkte in den Supermärkten im Durschnitt 11% teurer verkauft werden als in den Resten des traditionellen Einzelhandels. In dem Interview "Es un mito que en los supermercados los precios sean más baratos que en una tienda de barrio" das Manuel Ros für die Zeitung "La directa" am 20. April 2008 mit Ester Vivas gemacht hat, der Autorin des Buches "Supermercados, no gracias" werden auch Alternativen zum Istzustand angesprochen (gespiegelt bei "Rebelion.org").
Streik im katalanischen Erziehungswesen: 60.000 auf der Straße
Der Streikaufruf der verschiedenen im Bereich organisierten Gewerkschaften wurde zu 90% befolgt, an der Demonstration in Barcelona nahmen 60.000 Menschen teil - neben den Beschäftigten auch viele SchülerInnen und Eltern, und die Stoßrichtung war auch klar: Gegen das Privatisierungsprojekt der Regionalregierung. Der Bericht (mit zahlreichen Fotos) "Éxito rotundo de la huelga de enseñanza en Catalunya" vom 14. Februar 2008 bei Kaosenlared, in dem auch Vertreter versciedener Gewerkschaften interviewt werden.
Aufstand der Werftarbeiter (Astilleros Izar) in Spanien
Bereits in den ersten Februartagen 2004 kam es in Sevilla und Puerto Real zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Werftarbeitern, Belegschaften einiger Zulieferbetriebe und den Aufstandsbekämpfungseinheiten der spanischen Polizei. Die Werftarbeiter (vor allem) Andalusiens befinden sich im Widerstand gegen das Krisenmanagement des Izar Konzerns. Die Arbeiter sind wütend, weil sie mit ihrer Forderung nach einem neuen Tarifvertrag von dem halbstaatlichen Konzern seit Monaten hingehalten werden und die Firmenleitung jetzt auch noch Kurzarbeit von mindestens sechs Monaten für tausende Beschäftigte u.a. in Puerto Real und Gijón angekündigt hat. Siehe dazu:
- Flexibel für die EU.
Bei einem spanischen Werftunternehmen wurden fast 40 Prozent der Arbeiter in die Rente geschickt. Fregatten für Venezuela sollen dem spanischen Schiffsbau aus der Krise helfen. Artikel von Tom Kucharz in Jungle World vom 02. März 2005
- Bei Izar hat die Abwicklung begonnen.
Spanien: Verwaltungsrat macht Weg zur Zerschlagung der staatlichen Werften frei. Artikel von Ralf Streck in junge Welt vom 18.02.2005
- Brüssel hakt ein. Keine Ruhe im spanischen Werftenstreit.
EU-Kommission hat Bedenken zum zweiten Sanierungsplan und droht mit Subventionsrückforderungen. Artikel von Ralf Streck in junge Welt vom 03.01.2005
- Heavy Metaller
Die Privatisierung und Umstrukturierung der staatlichen Werften führt in Südspanien derzeit wieder zu schweren Straßenschlachten zwischen Polizei und Werftarbeitern. Artikel von Tom Kucharz in Jungle World 50 vom 01. Dezember 2004
- Werftenkrise ungelöst
Spanische Gewerkschafter befürchten, daß Regierung und EU mit gezinkten Karten die Zukunft der staatlichen Schiffbaubetriebe verspielen. Arbeiter bauen wieder Barrikaden. Artikel von Ralf Streck in junge Welt vom 25.11.2004
- "Spanische Werften - Proteste zeigen Wirkung".
Regierung beginnt im Streit um die Zukunft der staatlichen Izar-Gruppe einzulenken. Ein Bericht von Ralf Streck in der "Jungen Welt" vom 20.Oktober 2004 über den aktuellen Stand der Auseinandersetzungen um die Privatisierung der spanischen Werften nach den ersten Widerstandsaktionen von Belegschaft und Bevölkerung
- Astilleros de Izar - la batalla naval.
Eine (spanische) Sammlung von Dokumenten der Opposition in den Comisiones Obreras über die Auseinandersetzung um die neuerliche Restrukturierung der Werftindustrie - diesmal mit einer sozialdemokratischen Regierung
- Izar - Hace falta un plan de Lucha.
Ein (spanischer) Beitrag von Xaquín Sinde vom 9.Oktober 2004 in der Zeitschrift "El Militante" , der von der Einschätzung ausgeht, dass das Niveau der Mobilisierung der Belegschaften alle Beteiligten überrascht hat
- Brennende Barrikaden.
Nach Gespräch mit EU-Kommission verstärken Werftarbeiter der staatlichen Izar-Gruppe Protest gegen Privatisierungspläne der spanischen Regierung. Artikel von Ralf Streck in junge Welt vom 08.10.2004
- Aufstand der Werftarbeiter geht weiter.
"Tausende spanische Werftarbeiter blockieren Bahnstrecken und Straßen, immer wieder gibt es besonders in der letzten Woche heftige Zusammenstöße mit Aufstandsbekämpfungseinheiten der Polizei. Hintergrund ist der Kampf gegen die Privatisierung des staatlichen Konzerns Izar, welche Teil der neoliberalen Politik ist, die seit einiger Zeit überall in Europa und seit einem Jahr auch in Deutschland Massenproteste und Streiks provoziert." Bericht von Mr.X vom 26.09.2004 bei indymedia
- Letzter Kampf bei Izar.
Sozialisten wollen staatliche Werften in Spanien zerschlagen. Arbeiter auf den Barrikaden. Artikel von Ralf Streck in junge Welt vom 20.09.2004
- Die Repression gegen die Arbeiter der staatlichen Werften geht weiter
Der (ins deutsche übersetzte) Bericht vom 18.Februar 2004 der CNT Sevilla über die Konfrontation der andalusischen Werftarbeiter mit der Staatsmacht, auf der homepage der FAU
- Spanish Police and Strikers Clash, 50 Injured
Bei erneuten Zusammenstößen protestierender Werftarbeiter mit der Polizei in Sevilla gab es nach offiziellen Angaben 50 Verletzte. Die (englische) Reutersmeldung vom 18.Februar 2004 auf der Seite von "Yahoo-News".
- Werftarbeiter in Spanien auf dem Kriegspfad.
"Die Werftarbeiter im spanischen Staat haben das Kriegsbeil ausgegraben. Sie befinden sich erneut im Streik und immer wieder kommt es zu Straßenschlachten mit der Polizei und der Guardia Civil, wobei mehr als 50 Menschen verletzt wurden. Es geht ihnen um einen neuen Tarifvertrag und sie befürchten erneut Werftenschließungen." Bericht mit Bildern von Ralf Streck vom 15.02.2004 bei indymedia
- Zwei Tage Hexenkessel in der Bucht von Cádiz und in Sevilla. Ein Bericht (mit Fotos) von fauffm4 / faumo2 vom 6.Februar 2004 bei der FAU
- Die Betriebsgruppe der CNT in der Werft von Sevilla zu den Ereignissen am 5. und 6. Februar.
Die deutsche Übersetzung (vom 9.Februar 2004) eines Betriebsgruppenberichtes auf der homepage der FAU
- Una visión sobre la reconversión naval
Die (spanische) Grundsatzpositionen der CNT zur Situation in der Werftindustrie , ihrer Entwicklung seit 1977 und der Haltung der diversen Gewerkschaften und der Belegschaften auf der CNT homepage
Konflikt beim Telefonunternehmen Sintel
Das spanische Unternehmen Sintel wurde aus dem ehemaligen staatlichen Unternehmen Telefonica als eine der vielen Telefonunternehmen aufgegliedert, um die Löhne der Arbeiter durch verschärfte Konkurrenz zu drücken. Seit 7 Monaten haben die Arbeiter kein Geld von Sintel bekommen und die verbliebenen 1200 Beschäftigten campen seit 28/01/01 direkt vor den Ministerien für Energie, Wirtschaft, Technologie und Forschung in Madrid. Für weitere Informationen siehe Branchen: Medien und Informationstechnik
Gewerkschaftsvorsitzender von aufgebrachten Arbeitern verprügelt
Der Generalsekretär der Comisiones Obreras, José Maria Fidalgo bekam am 1.Mai eine auf den Kopf: Die "Täter" kamen aus den Kreisen der (ehemaligen) Sintel-Belegschaft, die einen nationalen Sternmarsch nach Madrid organisiert hatten, um auf ihre Lage aufmerksam zu machen. Eine Zusammenfassung aus verschiedenen Quellen von Helmut Weiss. |