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Updated: 18.12.2012 15:51
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Neues über die Auseinandersetzungen um die Ausweitung der Cerrejon-Mine in KolumbienErfolg für die internationale Solidarität - Durchbruch bei den Verhandlungen in der letzten Minute

Up-Date vom 3. Februar 2007

Im Up-Date vom 22./23. Januar 2007 informierten wir über ein fast unausweichliches Scheitern der Verhandlungen zwischen der Gewerkschaft SINTRACARBON und der Minenbetreiberin Carbones del Cerrejón, nach dem sich die Gewerkschaft vom Verhandlungstisch zurück gezogen hatte. Die Gewerkschaft begründete den Verhandlungsabbruch mit der mangelnden Flexibilität der Unternehmensleitung, Hand zu einer Einigung zu bieten. Das Unternehmen seinerseits bedauerte den Rückzug der Gewerkschaft in einem Pressekommuniqué ebenfalls und hielt fest, dass man sehr nah an einer Einigung gewesen sei. Das Unternehmen habe immer die Bereitschaft offen gelegt, zu einem für alle Beteiligten befriedigenden Verhandlungsresultat zu kommen, und es sei die Verantwortung der Gewerkschaft was nun passiere.

Trotz dieser schwierigen Ausgangslage wurde weiter internationale Unterstützung mobilisiert. Am 28. Januar 2007 gelang schliesslich der entscheidende Durchbruch in den Verhandlungen, eine Einigung wurde im Grundsatz erreicht. Bis am 31. Januar 2007 wurde weiter an den inhaltlichen Details und an der Redaktion des Gesamtarbeitsvertrages gearbeitet, bis dieser am 31. Januar um 15 Uhr unterzeichnet wurde. Der neue GAV gilt für die Periode 2007 - 2008. Der Streik ist damit definitiv weg vom Tisch.

Bevor es jedoch soweit kam, wurden aus Nordamerika, Grossbritannien und aus dem deutschsprachigen Raum massenweise Briefe an das Management der Mine und an die Mutterkonzerne gesandt. Der Besuch von José Julio Pérez, Präsident der Vereinigung der Vertriebenen von Tabaco (Dorf, das zwischen August und Dezember 2001 wegen der Mine geräumt wurde) und von Armando Pérez Araújo, Anwalt der Vertriebenen, in der Schweiz vom 16. bis 26. Januar 2007 ermöglichte eine gezielte Information der Schweizer Öffentlichkeit durch mehrere Vorträge und Zeitungsberichte. Die Firma Xstrata wurde von der Arbeitsgruppe Schweiz - Kolumbien ask mehrmals kontaktiert, um den beiden Gemeinschaftsvertretern aus Kolumbien ein direktes Gespräch mit Vertretern von Xstrata zu ermöglichen. Die Antwort kam schliesslich aus London: uns wurde beschieden, dass niemand am Hauptsitz in Zug die beiden Kolumbianer empfangen könne, da es keine geeigneten Personen gebe. Ein zweimaliges telefonisches Nachfragen in Zug führte zum gleichen Ergebnis: in Zug arbeiten v.a. Leute der Buchhaltung und des Controlling, aber niemand, der mit den Ereignissen in Kolumbien vertraut ist. Da der Brief aus London die Türe einen Spalt offen liess für ein Gespräch, gelangten wir mit unserem Ersuchen nochmals an Herrn Marc Gonsalves, Corporate Affairs Manager von Xstrata in London. Und siehe da: José Julio und Armando werden am Montag, 5. Februar 2007 zu einem Gespräch empfangen!

Gleichzeitig haben verschiedene Journalisten Xstrata mit den Schilderungen der beiden Kolumbianischen Besucher konfrontiert. Xstrata hat eine andere Sicht der Dinge, hat aber gegenüber der Presse zugegeben, dass bei der Umsiedlung von Tabaco Fehler passiert seien. Obwohl die kolumbianischen Gesetze immer eingehalten worden seien, seien internationale Normen nicht immer korrekt befolgt worden. Für Xstrata sei deshalb klar, dass die nächsten Dörfer, die der Mine weichen müssen (es sind dies die Dörfer Chancleta, Roche und Patilla), nach Massgaben der Weltbank-Normen umgesiedelt würden: das bedeute insbesondere kollektive transparente Verhandlungen mit den betroffenen Gemeinschaften, ihre Anliegen und Bedürfnisse ernst nehmen und eine integrale Umsiedlung mit ihnen planen. Schriftlich war Xstrata gegenüber der Arbeitsgruppe Schweiz - Kolumbien bis jetzt nicht bereit, genauer darzulegen, wann diese Verhandlungen beginnen und wie sie genau ablaufen sollen. Es ist zu hoffen, dass José Julio und Armando am 5. Februar in London von Xstrata direkt eine genauere Antwort erhalten.

An dieser Stelle ist aber nochmals hervorzuheben, mit welchem Nachdruck die Gewerkschaft SINTRACARBON während den Verhandlungen die Anliegen der umliegenden Gemeinschaften verteidigt hat. Dabei muss uns bewusst sein, dass der Punkt "Gemeinschaften" im Forderungskatalog von SINTRACARBON mit dem Wohlergehen der Arbeiter fast gar nichts zu tun hatte, und dass die Gewerkschaft für diesen einen Punkt ein Scheitern der ganzen Gesamtarbeitsvertragsverhandlungen in Kauf zu nehmen bereit war. Dieser Verhandlungspunkt war es denn auch tatsächlich, mit dem sich das Unternehmen sehr schwer tat und sich bis am 22. Januar weigerte, überhaupt darüber zu sprechen. Es war der letzte Punkt des Forderungskataloges, der bereinigt werden konnte. Ein vollständiger Durchbruch konnte jedoch nicht erzielt werden: es besteht nach wie vor keine Zusage des Managements von Carbones del Cerrejón, mit den betroffenen Gemeinschaften kollektive Verhandlungen über integrale Umsiedlungen zu führen.

Die Vereinbarung, auf die sich die Gewerkschaft und das Unternehmen einigten und die von den Gemeinschaften mitgetragen wird, ist folgende: das Unternehmen hielt zu Handen der Gewerkschaft fest, dass sich Carbones del Cerrejón an die Grundsätze der sozialen Unternehmensverantwortung halte, und dabei nicht nur die dringendsten Bedürfnisse der umliegenden Gemeinschaften berücksichtige, sondern sich dem Wohlergehen der gesamten Region und dem Land Kolumbien verpflichtet fühle. Deshalb habe die Abteilung "Gemeinschaften und Land" des Unternehmens sozial nachhaltige Projekte in den Bereichen Gesundheit, Bildung, Schaffung von Arbeitsplätzen und Stärkung der Institutionen in Angriff genommen. Dabei sei es selbstverständlich, dass mit den betroffenen Gemeinschaften und mit staatlichen Stellen zusammengearbeitet werde, in einem Rahmen des Respekts für die Umwelt, die Menschenrechte und die Kultur der lokalen Gemeinschaften. Carbones del Cerrejón sei deshalb auch bereit, mit anderen interessierten Organisationen und Gremien zusammen zu arbeiten und begrüsse das Interesse von SINTRACARBON, an den sozialen Programmen des Unternehmens mitzuarbeiten. Das Unternehmen lädt SINTRACARBON folglich ein, an der Entwicklung und Umsetzung von allen sozialen Programmen teilzunehmen, die das Unternehmen für die Lösung der Probleme der Gemeinschaften in Angriff nimmt.

Was diese Einladung und schriftliche Vereinbarung des Unternehmens gegenüber der Gewerkschaft in der Praxis zur Folge hat, muss sich zuerst noch zeigen. Es ist aber als ein Erfolg zu werten, dass die Gewerkschaft SINTRACARBON, die mit so viel Engagement diesen Verhandlungspunkt verteidigte, in Zukunft in diesem wichtigen Bereich ein Mitspracherecht hat. Die Gewerkschaft hat auch schon versichert, dass sie weiter zusammen mit den Gemeinschaften für deren Rechte kämpfen werde.

SINTRACARBON zieht eine positive Bilanz über den Verhandlungsprozess und das Verhandlungsergebnis. Es sei zwar nicht in allen Punkten das gewünschte Resultat erreicht worden, aber angesichts der politischen Lage und der Situation der Gewerkschaftsbewegung in Kolumbien allgemein sei das Resultat sehr zufriedenstellend. Die Gewerkschaft konnte in den Bereichen Gesundheitsvorsorge, Ausbildungszuschüsse, vergünstigte Darlehen, Arbeitsplatzstabilität etc. gute Ergebnisse erzielen. SINTRACARBON habe ihre Mobilisierungskraft und Beweis gestellt und gehe mit einer verbesserte Reputation und gestärkt aus der Verhandlung hervor.

Stephan Suhner, Fachstelle ASK Bern
Fachstelle.bern@askonline.ch
www.askonline.ch


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