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Updated: 18.12.2012 15:51
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Neues über die Auseinandersetzungen um die Ausweitung der Cerrejon-Mine in KolumbienDie Auseinandersetzungen um die Ausweitung der Cerrejon-Mine Updates vom 19.12.2006 und vom 07.01.2007

Zum Update vom 07.01.2007

19.12.2006

Wie die meisten von euch wissen, sind zur Zeit in der Kohlenmine El Cerrejón (Guajira) harte Verhandlungen über die Erneuerung des Gesamtarbeitsvertrages zwischen dem Unternehmen (Cerrejón LLC) und der Gewerkschaft SINTRACARBON im Gange. Es ist an der Zeit, euch wieder einmal über den aktuellen Stand dieses kollektiven Arbeitskonfliktes zu informieren.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Am 4. Dezember 2006 begann die eigentliche Verhandlungsphase; es wurden mehrere wichtige Themenblöcke diskutiert. Einigungen zeichnen sich noch keine ab; die (bis 12. Januar verlängerbare) Verhandlungsfrist läuft am 23. Dezember aus.
  • In den vergangenen Tagen wurden mehrere Pamphlete einer neuen paramilitärischen Gruppe namens "Las Aguilas Negras" bekannt, in der eine ganze Reihe von sozialen Organisationen der Atlantikregion bedroht wurde, u.a. auch Sintracarbón.
  • Die Firma Cerrejón LLC und mehrere Mutterkonzerne weigern sich, mit den Vertriebenen von Tabaco noch kollektive Verhandlungen zu führen: Sie erachten diesen Fall als abgeschlossen.

Die Details

In den ersten Novembertagen war eine internationale Delegation in der Guajira, um die Gewerkschaft und die lokalen Gemeinschaften im Hinblick auf die anstehenden Verhandlungen zu unterstützen sowie Gesundheitsuntersuchungen [1] bei der lokalen Bevölkerung durchzuführen. Die internationale Aufmerksamkeit, die die Mine und die Konflikte in ihrem Umfeld erhielten, haben die Verantwortlichen des Unternehmens Cerrejón LLC erbost und den Beginn der Verhandlungen hinausgezögert.

Am 20. November 2006 wurde der bestehende Gesamtarbeitsvertrag durch die Gewerkschaft Sintracarbón beim Arbeitsministerium aufgekündigt, was Neuverhandlungen über ihren Forderungskatalog ermöglicht. Nach längeren Vorgesprächen zwischen der Unternehmensleitung und der Gewerkschaft wurde dann am 1. Dezember 2006 die sogenannte Garantieerklärung (Acta de Garantías) unterzeichnet, die die allgemeinen Verhandlungsbedingungen festlegt. Daraufhin begann am 4. Dezember die eigentliche Verhandlungsphase (etapa de arreglo directo), die bis zum 23. Dezember 2006 dauert (die gesetzlich festgelegten 20 Kalendertage), aber bis zum 12. Januar 2007 verlängert werden kann.

Bis jetzt wurden folgende Themenblöcke diskutiert: Sicherheit am Arbeitsplatz, Gesundheitsvorsorge, soziale Sicherheit, Wohlfahrt und Erholung (Sport, Kultur etc.), Gewerkschaftsrechte (Arbeitsfreie Tage für Gewerkschaftsarbeit, Spesen etc.). In keinem dieser Punkte wurde bisher eine Einigung erzielt. Wie die Verhandlungen ausgehen werden, ist noch sehr ungewiss. Auf jeden Fall hat die Gewerkschaft, um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein, verschiedene Kommissionen gebildet, die als nächstes legales Kampfmittel einen Streik vorbereiten und durchführen würden. Für die Gewerkschaft Sintracarbón ist die andere Möglichkeit, nämlich die Anrufung eines Schiedsgerichtes, die schlechtere Lösung, da noch nie ein Schiedsgericht zu Gunsten der Arbeiter entschieden habe [2].

Die Situation ist momentan recht angespannt, da trotz der offiziellen Demobilisierung der meisten paramilitärischen Gruppen eine neu entstandene Gruppe namens Aguilas Negras verschiedenste soziale Organisationen an der Atlantikküste bedroht hat. Auf den paramilitärischen Pamphleten und Listen erscheinen u.a. verschiedene Mitglieder der Erdölarbeitergewerkschaft USO der Raffinerie in Cartagena, die jetzt zu 50% in Glencore-Besitz ist. Ebenso sind regionale Vertreter des Gewerkschaftsdachverbandes CUT, verschiedene Studentenorganisationen, die Lebensmittelarbeitergewerkschaft SINALTRAINAL und auch Sintracarbón sowie deren Berater in den laufenden Verhandlungen, Domingo Tovar von der CUT sowie dessen Familie, bedroht worden. Einen direkten Bezug zu den Verhandlungen in der Mine El Cerrejón scheint nicht gegeben, aber das Klima ist dadurch natürlich sehr angespannt.

Ein weiteres Problem ist die Situation der lokalen afrokolumbianischen und indigenen Gemeinschaften. Am 18. Dezember 2006 wurde mit der Firma Cerrejón LLC über die Forderungen der Gemeinschaften und über den Antrag, eine durch das Unternehmen finanzierte öffentliche Anhörung über den Kohlenabbau durchzuführen, verhandelt. Das Ergebnis steht bei Redaktionsschluss noch aus. Es geht beim Verhandlungspunkt der Gemeinschaften insbesondere um deren kollektive Rechte, d.h. faire Entschädigungen und eine integrale Umsiedlung. Auch in diesen Punkten dürfte ein Durchbruch sehr schwer zu erzielen sein. Der Präsident von Cerrejón LLC hat Anfang November der internationalen Delegation zu verstehen gegeben, dass sie den Fall Tabaco als für gelöst betrachten. Vertreter der Australischen Mammutfirma BHP Billiton, wurden an der kürzlich stattgefundenen Aktionärsversammlung mit dieser Frage konfrontiert. Sie waren ebenfalls der Meinung, dass in Bezug auf Tabaco nur noch acht Fälle ungelöst seien und die Leute individuelle Geldentschädigungen den kollektiven Verhandlungen vorziehen würden. Von Glencore und Xstrata liegen keine konkreten Stellungnahmen vor. Im Januar 2007 kommen der Präsident der Junta für die Wiederansiedlung Tabacos, José Julio Pérez, und ein Anwalt der Gemeinschaft, Armando Pérez Araújo, in die Schweiz. Wir werden bei dieser Gelegenheit versuchen, mit Glencore und Xstrata über diese Punkte zu verhandeln.

(1) Viele Anwohner klagen über Hautausschläge, Asthma, Durchfallerkrankungen etc., und bringen diese mit der Umweltverschmutzung der Mine in Verbindung.

(2)Ein Schiedsgericht setzt sich je aus einem Vertreter der Firma, des Arbeitsministeriums und der Arbeiter/Gewerkschaft zusammen. Bei den Abstimmungen ist dann das Stimmverhältnis in der Regel 2 zu 1 gegen die Interessen der Arbeiter.


Update vom 07.01.2007

Up-Date zu den Gesamtarbeitsvertragsverhandlungen in der Kohlenmine El Cerrejón

Die Verhandlungen zur Erneuerung des Gesamtarbeitsvertrages befinden sich in der Verlängerungsphase, die Situation spitzt sich zu. Die erste Verhandlungsphase endete am 23. Januar ohne Ergebnis, die Verhandlungen der Verlängerungsphase stagnieren nun ebenfalls. Die Gewerkschaft SINTRACARBON klagt die unverrückbare, gegen die Interessen der Arbeiter gerichtete Position des Unternehmens Cerrejón LLC an und führte am 4. Januar 2007 mit anderen sozialen Sektoren verschiedene Protestaktionen durch. In den nächsten Tagen wird sich entscheiden, ob es zu einer einvernehmlichen Verhandlungslösung kommt, oder ob die Gewerkschaft zum Streik aufruft.

Stagnation in den Verhandlungen

Am Ende der ersten Verhandlungsperiode am 23. Dezember 2006 war in keinem einzigen Punkt eine Einigung erreicht worden. In Bezug auf die Lohnerhöhung offeriert das Unternehmen lediglich eine Erhöhung im Rahmen des Konsumentenpreisindexes. Zahlreiche Bonuszahlungen und Prämien will das Unternehmen vereinheitlichen, was den Arbeitern ebenfalls nicht entgegen kommt. Verschiedene Punkte wie günstige Darlehen für Wohnungsbau, Fördermittel für Sport und Kultur etc. sollen gleich bleiben, auf andere neue Forderungen der Arbeiter will das Unternehmen gar nicht eingehen. Ebenso hat es klar seine Ablehnung kund getan, mit den Gemeinschaften kollektive Verhandlungen zu führen.

Die Weigerung der Firma, auf den Forderungskatalog der Gewerkschaft wirklich einzutreten, ist in den Augen von SINTRACARBON umso bedenklicher, wenn man sich folgende Zahlen vor Augen führt: Die Firma Cerrejón LLC produzierte im Jahr 2006 28,4 Mio. Tonnen Kohle bei Produktionskosten von ungefähr 22 Dollars pro Tonne und einem Verkaufspreis auf den internationalen Märkten von 68 Dollars. Die Firma gewinnt also pro Tonne Kohle 44 Dollars. Bezogen auf die Gesamtproduktion des Cerrejón ergibt dies einen Jahresgewinn von 1'249'600'000 Dollars. Die Gewerkschaft fordert vom Unternehmen eine tatsächliche soziale Verantwortung, in dem das Unternehmen die Arbeiter, die den Reichtum produziert haben, an den Gewinnen teilhaben lässt und ihnen einen besseren Lebensstandard ermöglicht.

Die Gewerkschaft leistet grosse Überzeugungsarbeit an der Basis, um die Verhandlungen zum Erfolg zu führen. SINTRACARBON argumentiert, dass sich die wirtschaftliche Situation der Arbeiter v.a. dann bessere, wenn sie eine erfolgreiche GAV-Verhandlung führen, und nicht in dem sie einen Jahresendbonus von 1,5 Mio. Pesos (ungef. 900 CHF) akzeptieren, der ihnen zwischen den Fingern zerrinnt.

Ein neuer Anlauf

Am 27. Dezember 2006 wurden die Verhandlungen wieder aufgenommen und am 29. Dezember präsentierte SINTRACARBON erneut einen umfassenden Verhandlungsvorschlag, gestützt auf die bisherigen Verhandlungen. Die Verhandlungsequipe des Unternehmens hätte darauf am 30. Dezember 2006 eine Antwort geben sollen, bleib an jenem Tag den Verhandlungen jedoch unentschuldigt fern. Am 3. Januar 2007 trafen sich die Delegationen wieder, nachdem das Unternehmen mehr Zeit verlangte, um den Vorschlag SINTRACARBONs zu studieren. Die Antwort des Unternehmens blieb aber die selbe wie ganz zu Beginn der Verhandlungen, d.h. das Unternehmen hat ihre Ausgangsposition in keiner Weise geändert. Die Gewerkschaft zog nach 31 Tagen erfolglosen Verhandelns den Schluss, dass seitens des Unternehmens kein tatsächlicher Verhandlungswille vorhanden ist.

Die wichtigsten Argumente der Arbeiter für ihren Forderungskatalog sind:

Gesundheit: Von allen Arbeitern des Cerrejón sind aktuell etwa 700 krank (ein knappes Fünftel). Durch die verschiedenen Reformen des Gesundheitswesens wird ihre Behandlung immer weniger gewährleistet, weshalb die Gewerkschaft vom Unternehmen eine klare Lösung für die Krankenversicherung der Arbeiter fordert.

Bildung: Die Schulen und Universitäten werden immer weiter privatisiert und die Kosten für die Familien steigen. Das führt dazu, dass die Kinder der Arbeiter kaum mehr Zugang zu höherer Bildung haben, oder dies zu anderen grossen Entbehrungen im Familienbudget führt. Deshalb fordert die Gewerkschaft auch hier eine Lösung seitens des Unternehmens.

Löhne: Zusätzlich zum alljährlichen Verlust der Kaufkraft der Löhne durch die Inflation führten die Arbeitsrechtsreformen Nr. 50 und Nr. 789 zu weiteren Einkommensverlusten. Die Arbeiter des Cerrejón und deren Familien leiden deshalb andauernd unter finanziellen Engpässen, was in einigen Fällen zu Depressionen führte und das Familienleben beeinträchtigte.

Vertragsarbeiter: SINTRACARBON fordert, dass alle Arbeiter im Cerrejón unbefristete Arbeitsverträge erhalten. Die jetzigen Vertragsarbeiter werden ausgebeutet und ihre Grundrechte verletzt. Die Gewerkschaft hat diese Situation angeklagt und unterstützt die Vertragsarbeiter. Die Situation der Vertragsarbeiter hat dazu geführt, dass Cerrejón LLC sich nicht nach der Norm SAE 8000 für soziale Unternehmensverantwortung zertifizieren lassen konnte.

Gemeinschaften: SINTRACABON klagt einmal mehr die Vertreibung der lokalen Bevölkerung durch die Mine an, die Zerstörung ihres Lebensraumes und die Übergriffe, denen sie ausgesetzt sind. SINTRACARBON hält fest, dass sie nicht bereit ist, weitere Übergriffe auf die umliegenden afrokolumbianischen und indigenen Gemeinschaften zu tolerieren. Diese klare Stellungnahme der Gewerkschaft zu Gunsten der Gemeinschaften ist von einmaliger Klarheit und herausragender Bedeutung.

Auf Grund der stagnierenden Verhandlungen führte SINTRACARBON am 4. Januar 2007 verschiedene Protestaktionen durch. Dabei wurden sie von anderen Gewerkschaften unterstützt und erreichten ein beachtliches Medienecho. Nach den Protestaktionen präsentierte die Verhandlungsdelegation des Unternehmen einen neuen Vorschlag, der aber immer noch weit unter den Vorstellungen der Gewerkschaft liegt und von dieser als kläglich bezeichnet wurde. Die Gewerkschaft wird diesen Vorschlag der Firma öffentlich machen und mit allen Arbeitern diskutieren. Die Gewerkschaft sucht eine Strategie, um den Kurs der Verhandlungen zu ändern und zu einem konzertierten Abschluss zu kommen, oder um anderenfalls einen grossen Streik auszurufen.

Verfolgungsmassnahmen gegen Arbeiter

Ebenso denunzierte die Gewerkschaft SINTRACARBON Verfolgungsmassnahmen seitens des Unternehmens Cerrejón LLC gegenüber einigen Arbeitern. U.a. wurde am 15. Dezember 2006 ein Arbeiter von einem Sicherheitsbeamten der Firma SEPECOL beschuldigt, Kupferkabel durchtrennt zu haben, um das Kupfer zu entwenden. Die Aussagen des Sicherheitsbeamten weisen jedoch zahlreiche Widersprüche auf, weshalb SINTRACARBON davon ausgeht, dass es eine erfundene Anschuldigung ist. Es habe den Anschein, dass die Industrieabteilung des Cerrejón und SEPECOL die Methoden der staatlichen Sicherheitskräfte nachahmen, in dem sie mit falschen Anklagen und fingierten und dann aufgedeckten Sabotageakten ihre Nützlichkeit unter Beweis stellen wollen. SINTRACARBON hielt klar fest, dass sie keine Bestrafung dieser ungerechtfertigter weise angeklagten Arbeiter akzeptieren werde und verurteilte die Diffamation zuverlässiger Arbeiter sowie die Verletzung der Grundrechte aufs Schärfste.

Im letzten Up-Date vom 19. Dezember 2006 haben wir von den Drohungen berichtet, die verschiedene Gewerkschaften, Studentenorganisationen und soziale Führungspersonen in Barranquilla und an anderen Orten der Atlantikregion erhalten haben. Davon betroffen war auch SINTRACARBON und ihr Berater während den GAV-Verhandlungen, Domingo Tovar von der CUT. Die Internationale Unterstützungskommission für SINTRACARBON und für die durch die Mine betroffenen Gemeinschaften hat am 20. Dezember 2006 das Unternehmen Cerrejón LLC sowie die Mutterkonzerne in Bezug auf die Drohungen gegen SINTRACARBON kontaktiert. Die Unterstützungskommission verurteilte die Bedrohungen gegen SINTRACARBON und gegen Domingo Tovar und forderte das Management von Cerrejón LLC sowie die Mutterkonzerne auf, die Bedrohungen gegen ihre Arbeiter anzuzeigen und die Sicherheit aller Gewerkschaftsmitglieder und der lokalen Gemeinschaften während und auch nach den Verhandlungen zu respektieren.

Cerrejón LLC hat am 21. Dezember 2006 folgendermassen geantwortet:

  • Carbones del Cerrejón LLC verurteilt und weist heute wie bei früheren Gelegenheiten diese Art von Bedrohungen gegen ihre gewerkschaftlich organisierten Arbeiter bei SINTRACARBON zurück und bekräftigt einmal mehr ihre Verpflichtung gegenüber den Rechten der Arbeiter auf freie Organisationswahl und den umfassenden Respekt ihrer Menschenrechte.
  • Das Unternehmen hat die zuständigen kolumbianischen Behörden aufgefordert, den Ursprung und die Echtheit dieser Bedrohungen abzuklären und gestützt auf diese Abklärungen den bedrohten Personen den notwendigen Schutz zukommen zu lassen.
  • Wir bekräftigen nochmals unsere Ablehnung gegenüber dieser Art von Taten, deren Ziel es zu sein scheint, unter den im Flugblatt erwähnten Personen und Organisationen Unruhe und Verunsicherung zu schaffen.

Stephan Suhner, Arbeitsgruppe Schweiz - Kolumbien

Fachstelle.bern@askonline.ch

www.askonline.ch externer Link


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