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Updated: 18.12.2012 15:51
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Company Rules: Companies Rule

EU- und US-Wirtschaftslobby gegen Reform des chinesischen Arbeitsrechts

Namhafte Unternehmen der IT-Branche wie Apple, Siemens, HP, IBM etc. verleihen ihrem Auftritt auf der Bühne des Weltmarkts gerne die höheren Weihen sozialer Verantwortung, indem sie sich Verhaltens- oder Ethik-Kodices zulegen oder unter dem Titel »Social Sponsoring« z.B. Computerarbeitsplätze für Schulen finanzieren, natürlich mit den jeweils eigenen Marken ausgestattet. Moral hebt Gemüt und Geschäft - sofern die Regeln selbst gesetzt werden können und möglichst unverbindlich bleiben. Und insofern widerspricht es dieser Praxis auch nicht, wenn eben dieselben namhaften Unternehmen, darunter auch die in der Europäischen Handelskammer in China vertretenen, mit einem Rückzug ihres »Engagements« in China drohen, falls es zu einer Verabschiedung des neuen chinesischen Arbeitsgesetzes kommen sollte. Schwach genug und jenseits selbst minimaler Standards, wie sie die ILO-Konventionen darstellen, formuliert, würde die für Ende 2006 angekündigte Reform des Arbeitsrechts dennoch eine deutliche Verbesserung für die Lohnabhängigen gegenüber dem seit 1995 geltenden Gesetzeswerk bedeuten. Das ist zu viel für die Fortschrittsmotoren des zivilisierten Westens.

Seit März 2006 hatte die Öffentlichkeit Gelegenheit, Stellung zu beziehen zu dem in erster Lesung verabschiedeten neuen »Labor Contract Law of the People's Republic of China«. Nach wie vor beinhaltet dieses weder ein Streikrecht, noch das Recht der Beschäftigten, ihre Interessenvertretungen selbst zu wählen, sondern lediglich ein Recht auf Vertretung durch Gewerkschaften - d.h. dann die staatlichen - oder eine nicht näher bestimmte »Belegschaftsvertretung« überhaupt und das Recht auf Verhandlungen zwischen diesen und den Unternehmensführungen in Bezug auf Arbeitsbedingungen, Arbeits- und Gesundheitsschutz sowie Kündigungsregelungen. Selbst dieses eingeschränkte Recht würde ein Novum darstellen. Insofern erfüllt China auch mit dem reformierten Arbeitsrecht, sofern dieses nicht ohnehin unter dem Druck der Unternehmensverbände wieder revidiert wird, die ILO-Konventionen nicht. Doch damit steht China nicht allein - ein Großteil dieser Konventionen ist auch in den USA nicht umgesetzt oder wird durch entsprechende Gesetze der Bundesstaaten unterlaufen. Im Gegensatz zu den USA befürchtet der Nationale Volkskongress Chinas derzeit aber wohl die Gefahr sozialer Unruhen, weil Einkommenssituation und Lebensverhältnisse der Lohnabhängigen in Folge des massiven Wirtschaftsbooms immer weiter auseinander driften. Dieser Gefahr sollen u.a. folgende Änderungen im Arbeitsrecht entgegenwirken:

  • Die Probezeit, die bislang bis zu einem Jahr dauern kann und von den Unternehmen extensiv zur Prekarisierung des Arbeitnehmerstatus genutzt wird, soll begrenzt werden auf ein bis sechs Monate in Abhängigkeit vom Typus der Tätigkeit.
  • Abgesehen davon, dass Millionen Beschäftigte gar keinen Arbeitsvertrag haben, schließen Unternehmen bislang überwiegend befristete Verträge ab. Sie sollen künftig auch bei befristeten Verträgen Abfindungen an die Beschäftigten zahlen, wenn deren Verträge nicht erneuert werden.
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  • Zeitarbeit soll eingeschränkt und dauerhafte Anstellungsverhältnisse sollen gefördert werden. Dass Gesetz sieht vor, dass ZeitarbeiterInnen nach einem Jahr Beschäftigung in ein festes Beschäftigungsverhältnis übernommen werden müssen.
  • Massenentlassungen sollen nur noch im Falle einer »objektiven Änderung der Umstände«, die näher bestimmt ist durch den Wechsel des Produktionsstandorts, eine Fusion oder eine Verlagerung größerer Investitionsgüter, möglich sein. Bislang reicht es, wenn Unternehmen sich in »finanziellen Schwierigkeiten« befinden oder »größere Produktionsschwierigkeiten« erwarten.
  • Die Freiheit, sich einen anderen Arbeitsplatz zu suchen, wird erleichtert, indem die Kriterien für ein besonderes Vertrauensverhältnis gelockert werden. Bislang konnten sich Unternehmen auf eine Klausel berufen, die es Beschäftigten verbot, den Job zu wechseln, sofern sie am Arbeitsplatz Zugang zu »exklusivem Wissen« hatten.
  • Die Möglichkeiten der Unternehmen, von ihren Beschäftigten im Falle einer Kündigung eine finanzielle Kompensation zu verlangen für »Schulungsmaßnahmen«, an denen sie während ihres Arbeitsverhältnisses teilgenommen haben, wird eingeschränkt, indem die Kriterien für Schulungsmaßnahmen enger gefasst wurden. Bislang konnten Unternehmen nahezu alles, was die ArbeiterInnen am Arbeitsplatz erfahren, als Schulung deklarieren - mit der Folge, dass die Beschäftigten sich bei Vertragsbeendigung verschulden mussten oder an ihren jeweiligen Arbeitgeber gebunden blieben.

All dies ging den Lobbyisten der American Chamber of Commerce (AmCham), in der über 1300 Unternehmen vertreten sind, dem US-China Business Council, das 250 US-Unternehmen mit Sitz in China repräsentiert, und der European Chamber of Commerce mit ihren 860 Mitgliedern zu weit: Sie bemängelten in ihren schriftlichen Einwendungen gegen die Gesetzesreform grundsätzlich, dass diese »negative Effekte auf das Investitionsklima in China haben könnte«. Die EU-Vertreter hielten sich in ihrer Stellungnahme im Ton zwar etwas zurück, kritisierten jedoch wie ihre US-amerikanischen Kollegen, dass der Gesetzesentwurf eine Tendenz zur »Überregulierung der Arbeitsbeziehungen« beinhalte und dass die chinesische Regierung besser beraten sei, die bereits existierenden Gesetze umzusetzen, statt neue zu schaffen. Im Einzelnen richtete sich die Kritik der Lobbyisten, um nur einige Beispiele herauszugreifen, darauf, dass

  • die strikteren Regeln zur Begrenzung der Probezeit es ihnen nicht erlaubten, die Eignung der Beschäftigten zu überprüfen,
  • Verhandlungen mit Gewerkschaften eine unerträgliche Belastung bei der zeitnahen Umsetzung neuer Unternehmensstrategien darstellten,
  • die Zahlung von Abfindungen in Fällen, in denen Verträge mit ArbeitnehmerInnen nicht verlängert würden, nicht zur Personalpolitik einer modernen Unternehmensführung passen würde,
  • die Lockerung des Geheimnisschutzes zur Verhinderung von Innovationen in China führen werde,
  • der Verzicht auf Entschädigungszahlungen für Schulungen im Falle einer Auflösung des Arbeitsverhältnisses unbezahlbar sei und
  • die Verpflichtung, ZeitarbeiterInnen nach einem Jahr Beschäftigungsdauer fest einzustellen, das Recht der Unternehmen, die am besten geeignete Arbeitskraft zu finden, behindere und aufgrund der Einschränkung der Flexibilität zu einer Fehlallokation menschlicher Ressourcen führe.

Im September hatte das Europäische Parlament eine Resolution zu den Beziehungen zwischen China und der EU verabschiedet, in der die chinesische Regierung aufgefordert wurde, die Kernkonventionen der ILO zu unterzeichnen und »alle Formen moderner Sklaverei und Ausbeutung, insbesondere von weiblichen Arbeitskräften, zu bekämpfen, und sicherzustellen, dass die fundamentalen Rechte der Arbeiterinnen respektiert und Sozialdumping vermieden werden«. Viele, auch europäische Unternehmen, die sich mit dem Electronics Code of Conduct (EICC), dem Verhaltenskodex der Elektronikunternehmen, schmücken, gehören zugleich zu jenen, die in China eine Reform des Arbeitsrechts ablehnen.

KH

Erschienen im express, Zeitschrift für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 12/06


Quellen:

Kurzzusammenfassung der Gesetzesvorhaben und der Stellungnahmen der Unternehmen von WEED unter: http://pcglobal.org externer Link

Ausführliche Analyse der Gesetzesinitiative und des aktuellen Stands: »Report by Global Labour Strategies: >Behind the Great Wall of China<«, unter: http://laborstrategies.blogs.com externer Link

Stellungnahme der European Union Chamber of Commerce in China : »Comments on the Draft Labour Contract Law«, April 2006, unter: www.mo.be externer Link

Stellungnahme der American Chamber of Commerce in Shanghai : »Comments and Suggestions on Revision to Labor Contract Law«, April 2006, unter: www.amcham-shanghai.org externer Link

Stellungnahme des US-China Business Council: »Comments on the Draft Labor Contract Law of the People's Republic of China (Draft of March 20, 2006)«, April 2006, unter: www.uschina.org externer Link

Julius Melnitzer: »Power Shift: China 's government prepares to make sweeping changes to its labor laws,« Inside Counsel, August 2006, unter: www.insidecounsel.com externer Link

Diverse Artikel des China Labour Bulletin, unter: http://iso.chinalabour.org.hk externer Link


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