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Updated: 18.12.2012 16:00
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Boliviens Präsident im Schlingerkurs - Abgeordnete lehnen Neuwahlen ab

Von Dario Azzellini, Cochabamba, Bolivien

Der bolivianische Kongress lehnte am Donnerstag die vom Präsidenten Carlos Mesa vorgeschlagenen Neuwahlen ab. Mesa hatte am Dienstag angekündigt, dem Kongress einen Antrag auf Neuwahlen für den 28. August des laufenden Jahres vorzulegen. Am Donnerstag votierten jedoch zwei Drittel der 119 von 157 anwesenden Abgeordneten gegen Mesas Vorschlag. Die Initiative des Präsidenten wurde von den meisten Abgeordneten als “nicht gesetzeskonform” angesehen, da Neuwahlen in Bolivien erst nach Ablauf von drei Jahren der Amtszeit eines Präsidenten möglich sind. Mesa trat erst vor etwa einem Jahr, als damaliger Vizepräsident, die Nachfolge seines aus dem Amt gejagten Vorgängers Gonzalo Sánchez de Lozada an. Er forderte aber vom Parlament einen Verfassungsartikel derart zu interpretieren, dass doch Neuwahlen einberufen werden können. Der Kongress wollte dem allerdings nicht folgen.

Hatte Mesa zuvor noch angekündigt er werde “endgültig zurücktreten”, sollte sein Antrag auf Neuwahlen abgelehnt werden, erklärte er nach der Ablehnung der Neuwahlen durch das Parlament, er werde “dem Land nicht die Schulter zeigen” und weiter im Amt belieben.
Mesa hatte die Neuwahlen gefordert und mit seinem Rücktritt gedroht, als sich am Dienstag Abend abzeichnete, dass der Kongress nicht seinem Vorschlag eines Gesetzes zu fossilen Brennstoffen akzeptieren würde, gemäß dem die transnationalen Öl- ung Gasunternehmen 18 Prozent Abgaben auf die Produktion und 32 Prozent Steuern auf ihre Gewinne zahlen müssen. Das Parlament legte hingegen in der Nacht zum Mittwoch fest, dass die 32 Prozent Steuern auf die Produktion zu zahlen sind, ohne andere Ausgaben davon abzusetzen, was faktisch einer Abgabe gleich kommt.
Die Verabschiedung des Gesetzes wurde als Sieg für die sozialen Bewegungen und die große Oppositionspartei MAS (Bewegung zum Sozialismus) bezeichnet. Ihr Vorsitzender bezeichnete die Verabschiedung als einen Vier-Fünftel-Sieg, da sie eigentlich 50 Prozent Abgaben gefordert hatten. Nun muss das Gesetz von der zweiten Kammer, dem Senat, verabschiedet werden. Die MAS, linke Gewerkschaften und soziale Bewegungen fordern allerdings weiterhin 50 Prozent Abgaben und haben die Straßenblockaden, die das Land tagelang nahezu öahm legten, nur vorrübergehend aufgehoben. Sollte das Gesetz nicht gemäß ihrer Forderungen geändert werden, wollen sie die Proteste wieder aufnehmen und radikalisieren.

Mit dem Verbleib Mesas im Amt ist die politische Krise Boliviens aber weitem nicht gelöst. Der Präsident kann auf keine Mehrheit im Parlament zählen und hat sich zudem durch seinen Schlingerkurs der vergangenen zwei Wochen die Sympathien der Mittelschichten und Unternehmer verspielt. Die Unternehmerverbände forderten in den vergangenen zwei Tagen offen seinen Rücktritt. Viele Medien spekulierten über die Möglichkeit der Übertragung der Macht an einen Militärjunta. Die Vermutungen erhielten zusätzliche Nahrung, nachdem Präsident Mesa am Donnerstag mehrere Gespräche mit dem Generalstab der Armee und der Führung der katholischen Kirche unterhielt, deren Inhalt unter Verschluss verblieb.

In den nächsten Monaten stehen zudem zahlreiche umstrittene Entscheidungen an, darunter die Ratifiezierung eines Freihandelsvertrags mit den USA und ein Gesetz, welches gemäß den Forderungen der US-Regierung US-amerikanischen Militärs wie Zivilisten Immunität im Land verleihen soll.


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