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Updated: 18.12.2012 15:51
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Eindrücke vom WSF in Nairobi 2007

Mehr als 60000 TeilnehmerInnen registrierten sich beim Weltsozialforum (WSF) in Nairobi, Kenia. Zum siebten Mal fand das WSF parallel zum Weltwirtschaftsforum in Davos (WEF) statt. Harsche Kritik aufgrund von Ausgrenzung begleitete das WSF, sogar die Abschlußerklärung der Versammlung sozialer Bewegung ging auf zu hohe Preise für Teilnahmegebühren und Essen ein. Selbst das Trinkwasser wurde in Plastikflaschen zum vierfach erhöhten Preis verkauft.

Ein Forum, auf dem soziale Bewegungen gegen die Privatisierung von Wasser protestieren, und das Wasser wird nicht umsonst verteilt? Nebst den Bergen von Plastikmüll von den Plastikflaschen nur einer der deutlichsten Widersprüche auf dem WSF. Ein Teilnehmer fühlte sich fast an Übertragungsrechte bei der Fußball-WM erinnert, angesichts dessen dass die Mobiltelefonfirma Celtel exklusiv Handykarten auf dem Forum verhökern durfte (und dann auch noch teurer als die Konkurrenz) und die WSF-Anmeldung mit erledigte.

Die teilnehmenden Gruppen des WSF waren mehrheitlich Nichtregierungsorganisationen (NGOs), Hilfswerke, kirchliche Vereinigungen und Stiftungen. Immerhin waren beispielsweise aus Südafrika und Südostasien kämpferische Bewegungen angereist. Etwas nervig waren die Hinweise in den
Medien, das Afrika jetzt auch Teil der globalisierungskritischen Bewegung sei. Als gäbe es in Südafrika keinen Widerstand gegen Wasserprivatisierung, als hätten sich die Ogoni in Nigeria nicht schon lange gegen den Ölmulti Shell gewehrt, von den ganzen Revolten gegen den Internationalen Währungsfonds (IWF) und die Weltbank und den Neokolonialismus ganz zu schweigen. Nebenbei erinnerte ein Transparent an den kenianischen Unabhängigkeitskampf der Mau Mau, "fighting terrorism since the 1880s", und ein Stand forderte die Freilassung der noch
immer inhaftierten Gefangenen.

Ein Zelt nannte sich Q-Spot und war Anlaufort für queere Themen. Großer Renner auf dem Forum war das T-Shirt "This is what a feminist looks like". Vor Beginn des WSF trafen sich Feministinnen bereits bei den Feminist Dialogues zum Diskutieren. Auf dem Forum protestierten feministische Gruppen scharf gegen die skandalöse Präsenz von kirchlichen Abtreibungsgegnern, die das Entfernen des Kreuzes bei einem Kunstwerk, das eine gekreuzigte schwangere Frau darstellte,
erwirkten.

Die Eintrittspreise waren gestaffelt, 80 Euro für TeilnehmerInnen aus dem Norden, 5 Euro für afrikanische Teilnehmende. Das ist immer noch zu viel für die große Zahl KenianerInnen, die von weniger als einem Dollar pro Tag leben müssen. Ein Teil der 4-Millionen-Stadt lebt in Slums, zum Beispiel in Wellblechhütten auf einer Müllkippe. Die SlumbewohnerInnen hätten eine Woche
schuften müssen, um Einlaß beim WSF zu erhalten, und zusätzlich noch Geld für den Bus aufbringen müssen, da das WSF außerhalb vom Stadtzentrum, im Fußballstadion Kasarani, tagte. Selbst JournalistInnen waren nicht wie sonst üblich von der Gebühr befreit und mussten sich ebenfalls dem komplizierten bürokratischen Anmeldeverfahren unterziehen.

Mehrere Demonstrationen wandten sich gegen die erhöhten Preise. Zeitweise konnte die Öffnung der Tore durchgesetzt werden. Besonderes Augenmerk galt dem Restaurant Windsor, an prominenter Stelle auf dem Gelände, direkt vor dem Medienzentrum. Alle anderen Essensstände waren viel weiter weg und nicht so leicht zu erreichen. Zufälligerweise gehört das Windsor dem kenianischen Minister für innere Sicherheit, John Michuki, der zu Kolonialzeiten UnabhängigkeitskämpferInnen gefoltert hat. Die Protestierenden umzingelten das Windsor, viele AktivistInnen aus anderen Ländern solidarisierten sich und stellten sich vor die herbeigeeilte Polizei um Übergriffe zu verhindern. Bei der zweiten Demo gelang die Gratis-Essensabgabe an Slumkinder.

Eine weitere Ausgrenzung fand bei der Sprache statt. Selbst die Übersetzungsradios wurden nicht kostenlos verteilt. Der kenianische Zoll hielt die Radios, die wohl vom ESF in Athen versandt wurden, wochenlang fest, bis einen Tag vor Beginn des Forums. Eine vernünftige Überprüfung der Technik und der Geräte war dadurch nicht möglich. Viele Workshops und Seminare wurden außerdem in Englisch abgehalten, es gab viel zu wenige ÜbersetzerInnen, Französisch und Spanisch nicht so oft vertreten, und kaum Swahili. Unverständlich, dass weder Auftakt-, Abschlußeranstaltung noch die Versammlung der sozialen Bewegungen durchgängig zweisprachig statt fanden. Immerhin wurde in die Gebärdensprache gedolmetscht.

Etwas gelernt haben viele Teilnehmende von den KenianerInnen hinsichtlich der vernünftigeren Art und Weise, eine Veranstaltung zu beginnen. Erst mal wird zum Auftakt gesungen und getanz, dann erst setzt sich mensch im Kreis hin. Viel zu viele Seminare und Workshops waren als dröge Frontalveranstaltungen mit ausführlichen Vorträgen angelegt, teilweise auch architektonisch durch die Stadionsitzreihen bedingt. Immerhin gab es außerhalb des Stadions Zelte, in denen Diskussionskreise eher möglich waren. Ein NGO-Kader aus D-Land bemängelte das Fehlen von großen Promi-Veranstaltungen und wollte damit die geringe Medienaufmerksamkeit erklären. Unwahrscheinlich, dass ein Auftritt von Arundhati Roy an der spärlichen Berichterstattung viel geändert hätte. Und Brasiliens Lula fühlt sich eher auf dem WEF in Davos wohl. Vermutlich hat
einfach ein siebtes WSF einen geringeren Neuigkeitswert, und es wäre an der Zeit, sich mehr Alternativen zu überlegen.

Neue Ideen waren schwer zu finden auf dem WSF. Immerhin wurde versucht, keine zentralen Podiumsveranstaltungen durchzuführen, und der letzte Tag wurde audrücklich für Vernetzungen angelegt. Bei den Seminaren und Workshops drehte sich vieles um den in die Jahre gekommenen Neoliberalismus, heißdiskutiert wurden die EPAs (Economic Partnership Agreements, bilaterale
Wirtschaftspartnerschaftsabkommen). Eine Demonstration gegen die EPAs zog vor die EU-Vertretung in Nairobi. Auffällig war, dass sich an manchen Seminaren und Workshops kaum Menschen aus Kenia einfanden. Sie interessierten sich offenbar vor allem für die praktischen Themen, die sie unmittelbar betrafen (z.B. Land, Kampf gegen Obdachlosigkeit, Migration, aber auch EPAs) und weniger für allgemeines Blabla, bei dem das Publikum vorwiegend aus dem Norden kam.

Das WSF an sich als offener Raum (Open Space) und die Zukunft des Forums wurden ebenfalls thematisiert. Diese Debatte konnte schon auf einer längeren Diskussion aufbauen, ein Buch auf Englisch sammelt viele Beiträge zum "Bamako Appeal" und erschien rechtzeitig zum WSF in Nairobi. Der "Bamako Appeal" wurde von Intellektuellen wie Samir Amin, Aminata Traore und anderen in Bamako, am Tag vor dem WSF 2006 in Mali verfasst und enthält eine Liste von Forderungen. Die Tatsache, dass dieser Appell ohne ausführliche Erörterung als endgültiges Papier verabschiedet wurde, erntete viel Kritik. Bereits beim WSF 2005 schrieben 19 Prominente ein Manifest in Porto Alegre. Das WSF will sich jedoch gemäß Charta als offenen Raum verstehen, ohne VertreterInnen die im Namen aller Teilnehmenden des Forums sprechen.

Die Beteiligung westafrikanischer TeilnehmerInnen schien gering, sie wurden vor allem bei Veranstaltungen zum Thema Migration gesichtet. Das mag an der vorwiegend englischsprachigen Ausrichtung gelegen haben. Die Frage drängt sich jedoch auf, ob das an drei Orten gleichzeitig stattfindende WSF 2006 (in Caracas, Bamako und Karachi) wirklich zu einem Ausbau der Vernetzung beigetragen hat. Eine größere Delegation kam aus der Westsahara und protestierte gegen Besatzung. Die Streiks in Guinea (mit mehreren Toten) waren auch Anlaß für eine Solidaritätsdemonstration. Die Demonstrationsrouten (z.B. gegen Krieg in Darfur, Sudan) waren meist auch wenig einfallsreich, sie verliefen im Kreis um das Stadion herum. Eine Sichtbarkeit in der Innenstadt Nairobi wurde nur am Auftakt- und Abschlußtag hergestellt. Die Auftaktdemonstration begann am Rande des Slums Kibera. Zum Abschluß des WSF konnten sich viele SlumbewohnerInnen an einem Marathon beteiligen, der im Slum anfing. Beim Marathon wurde ein T-shirt verteilt: "Eine andere Welt ist möglich, auch für SlumbewohnerInnen".

Eine ständige Anwesenheit in einem Park in der Nähe des Stadtzentrums und damit auch für jene, die die Teilnahmekosten und den Bus nicht bezahlen konnten, bot das Peoples' Parliament, das schon lange besteht. Hier diskutieren SlumbewohnerInnen, Studierende, Erwerbslose, und Beschäftigte verschiedenster Herkunft miteinander, leider fast alles Männer. Sie führen spannende Dialogeüber ihren Alltag. Das Peoples' Parliament war die einzige Alternative zum Forum, ein intergalaktisches Caracol wie in Porto Alegre wurde diesmal nicht auf die Beine gestellt. Das Peoples' Parliament sorgte auch beim WSF für Aufsehen, eine Anwältin stellte die Forderungen bei der Versammlung sozialer Bewegungen und beim Internationalen Rat vor und wurde von den meisten (mit Ausnahme der kritisierten Organisatoren) begeistert gefeiert.

Trotz aller Kritik hat sich das WSF 2007 dennoch für eine große Zahl der Teilnehmenden gelohnt. Die bestehende Vernetzung zu einzelnen Themen konnte vertieft werden, insbesondere bei den Netzwerken zu Gesundheit, Migration, gegen Wasserprivatisierung, Krieg, Militärbasen, usw. Bei der Versammlung der sozialen Bewegungen wurde zu den Protesten gegen den G8 Gipfel 2007 in
Heiligendamm aufgrufen.

Das nächste WSF 2008 soll eine globale Aktionswoche mit verschiedenen Veranstaltungen werden, die parallel zum WEF in Davos weltweit geplant werden. Ein Austragungsort für das WSF 2009 steht noch nicht fest.

Ann Friday


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