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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Neue Konstellation... Stellungnahme zur Regulierung der Finanzmärkte / Nell-Breuning-Institut "Notwendig ist eine neue Gesamtkonstellation für die Finanzwirtschaft". Finanzethische Perspektive: Finanzwirtschaft im Dienste der Realwirtschaft / Eine klare Positionierung vor dem Bundestag (Finanzausschuss) aus Sankt Georgen So ist doch wenigstens auf die Leute in Sankt Georgen Verlass. Da versucht die Katholische Kirche noch einmal einen neoliberalen Felgaufschwung hinzustemmen - (http://www.nachdenkseiten.de/?p=9913#h09 ) - auch noch mit ein wenig sozial-ethischem Widerspruch, aber das kann die Leutchen in Sankt Georgen nicht aus ihrem Erkenntnistakt bringen. Bundestag/Finanzausschuss: Stellungnahme des Nell-Breuning-Instituts zur Regulierung der Finanzmärkte bei der Anhörung im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages am 4. Juli 2011 "Do legst di niada" - so sagt man hier, wenn einem etwas Überraschendes begegnet: Und so geht es einem mit diesem Papier aus dem Nell-Breuning-Institut - denn begründet wird es auf dem Finanzkeynesianismus von Hyman P. Minsky (http://de.wikipedia.org/wiki/Hyman_Minsky ) und so kommt das Nell-Breuning-Institut für die gegenwärtige Politik zu umwälzend "neuen", aber auf jeden Fall zutreffenden und damit für mich erfreulichen Analysen (http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a07/anhoerungen/2011/056/ "Es ist von besonderer Bedeutung, dass unter den langfristigen Trends, die letztlich zur globalen Finanzkrise führten, gehört, dass in den letzten drei Jahrzehnten in den Industrieländern eine neue Gesamtkonstellation der Finanzwirtschaft entstanden ist, in der Universalbanken (also Geschäftsbanken) mit hoch entwickelten Wertpapier- und Derivatmärkten koexistieren. Das damit verbundene Problem besteht darin, dass die Geschäftsbanken an die dort agierenden Marktteilnehmer viele Kredite vergeben und selbst in großem Stil solche Finanztitel kaufen können. So fließt sehr viel Geld direkt, d.h. ohne Umweg über die Realwirtschaft, auf diese Finanzmärkte und sorgt dort für schnelle Preisblasen. Vor 1980 war dieser direkte Weg neu geschaffenen Geldes auf die Finanzmärkte weithin verbaut, weil einerseits in den anglo-amerikanischen marktdominierten Finanzsystemen die Geschäftsbanken durch das Trennbanksystem (siehe USA den "Glass-Steagall-Act" von Roosevelt 1933 in der damaligen großen Weltwirtschaftskrise politisch durchgesetzt) von den stark entwickelten Wertpapiermärkten ferngehalten wurden, während andererseits in den bankendominierten Finanzsystemen Japans und des kontinentalen Westeuropa die Geschäftsbanken zwar auch im Wertpapiergeschäft aktiv sein durften (Universalbanken-Prinzip), die Wertpapier- und Derivatemärkte in diesen Ländern damals aber noch ein Randdasein fristeten. In den letzten 20 bis 30 Jahren wurde in der einen Gruppe nationaler Finanzsysteme das Trennbankenprinzip zuerst aufgeweicht und dann ganz abgeschafft (Aufhebung des Glass-Steagall-Act" in den USA 1999 durch die Clinton-Regierung - siehe z.B. auch den Abschnitt "Kein Gedanke an die Trennung von Geschäftsbanken und Investmentbanken" auf der Seite 2 von "Eurokrise - unter dem Gesichtspunkt der Finanzmarktprobleme"... http://www.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl4.html), während sich in der anderen Gruppe nationaler Finanzsysteme die Wertpapier- und Derivatemärkte rasant entwickelten. Ergebnis beider grundlegender Strukturveränderungen war die in etwa gleiche, die bereits erwähnte neue Gesamtkonstellation der Finanzwirtschaft, in der die Geschäftsbanken als große Kreditgeneratoren nicht nur viel neues Geld schaffen, sondern dieses auch "direkt" auf Wertpapier- und Derivatemärkte leiten können. In den letzten Jahren vor Ausbruch der globalen Finanzkrise wurde das mit dieser Gesamtkonstellation verbundene Problem, dass die Vermögensmärkte häufig von Liquidität überschwemmt wurden und zur Bildung großer Preisblasen neigen, noch weiter verschärft: Die Liquiditätsproduktion (Fristentransformation) außerhalb des (Geschäfts-)Bankensektors nahm mit außerordentlich hohen Wachstumsraten zu. Dazu gehört die schnelle Bilanzexpansion der großen Investmentbanken, aber auch das rapide Wachstum der Finanzunternehmen im sog. Schattenbankensystem. (vgl. zur aktuellen Situation mit der Spekualtion der sogenannten "CDS" in der Eurokrise auch Stephan Schulmeister u.a. http://www.nachdenkseiten.de/?p=9845#h02 (= Ziff. 2c.) sowie http://www.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl6.html) Aus dieser - m.E. zutreffenden - Analyse werden vor allem folgende Forderungen aufgestellt: 1.) Die Finanzaufsicht ist nicht in der Lage die von den Hedgefonds und anderen Finanzunternehmen des Schattenbankensystems übernommenen Risiken richtig zu erfassen.(Darauf hatte der Chef der Finanzaufsicht Sofin Jochen Sanio vor der CDU-Bundestagsfraktion schon hingewiesen http://www.nachdenkseiten.de/?p=9963#h02 oder auch http://www.fr-online.de/wirtschaft/schattenbankensektor--voellig-undurchsichtig-/-/1472780/8614268/-/index.html ) Eine Finanzaufsicht - die diesen Namen überhaupt verdient, muss an diese Informationen gelangen können, um diese "Blasenbildungen" rechtzeitig erkennen zu können. 2.) Es muss auch - wie in den anglo-amerikanischen Ländern wieder in der Diskussion (siehe auch die "Paul-Volcker-Regel") - an eine Trennung von Geschäftsbanken und Investmentbanken herangegangen werden (siehe auch Link oben). 3.) es sollte - wozu sich die Union noch nicht durchringen konnte - eine Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene eingeführt werden (siehe dazu Finanztransaktionssteuer - eine Möglichkeit zur Kontrolle der Finanzmärkte http://www.labournet.de/diskussion/wipo/finanz/fts_bahl.html sowie von Gustav Horn und Till van Treeck (IMK) http://www.boeckler.de/320_105702.html und http://www.boeckler.de/pdf/p_imk_pb_2_2010.pdf ). 4.) Die Baseler Empfehlungen zu den Eigenkaptalstandards bleiben weit hinter dem Grad an Verschärfung zurück, der notwendig wäre, damit Geschäftsbanken in "guten" Zeiten zu einer ausreichenden Akkumulation von Eigenkapital gezwungen werden, durch die sie gegen hohe Verluste wieder ausreichend resistent werden und durch die zugleich die Bankaktionäre wieder in nennenswertem Umfang in die Haftung einbezogen würden. Dieses "Ungenügend" der Basel III - Regelung hatten auch zahlreiche Studien bestätigt (http://www.zeit.de/wirtschaft/2011-03/basel-banken-auflagen-studien ). Insgesamt kommt die Stellungnahme zu dem Schluss: Letztlich stehen die Entscheidungsträger der deutschen Finanzmarktpolitik vor der Herausforderung, sich zu positionieren: Nur eine konsequente Neuordnung, welche die Geschäftsmöglichkeiten der Finanzbranche beschneidet und ihren Trend, sich wieder aufzublähen, entgegentritt, würde die Finanzwirtschaft wieder in den Dienst der Realwirtschaft stellen. Nur eine solche Neuordnung, vor allem die Trennung des Kredit- und Einlagegeschäfts von Booms und Crashs auf den Vermögensmärkten, würde künftige Finanzkrisen, in denen Steuerzahler letztlich horrende Verluste übernehmen müssen, sehr viel weniger wahrscheinlich machen." Kommentar von Volker Bahl vom 6.7.2011 (den zweiten Teil der Stellungnahme zu einem - diese Probleme gar nicht erfassenden - Antrag der Grünen habe ich weggelassen) P.S.: Es wäre gut, wenn die Parteien im Bundestag sich diesen "Herausforderungen" stellen könnten - obwohl sie dabei in ihrer Mehrzahl gewaltig über ihren eigenen Schatten springen müssten. Die Mehrzahl der im Bundestag vertretenen Parteien haben nämlich diese Entwicklung zu dieser "Krisenhaftigkeit" des Finanzsystems selbst zu verantworten, denn schon "2003 und in Kenntnis einer heraufziehenden Finanzkrise hatte eine ganz große Koalition von CDU/CSU/SPD/FDP/Grüne mit der Förderung des Finanzkasinos weitergemacht (http://www.nachdenkseiten.de/?p=4130 ). Ein wichtiger Baustein zu dieser sich entwickelnden Dominanz der Finanzmärkte über alles wirtschaftliche Geschehen war dann nicht nur die Privatisierung der Rente durch die Umstellung vom Umlageverfahren zur kapitalgedeckten Rente mit der Riester-Rente, sondern auch z.B. die steuerliche Freistellung der Veräußerungsgewinne (http://www.nachdenkseiten.de/?p=545 ). Insgesamt hatte die Politik eine Menge Arbeit geleistet um dieses Projekt "Finanzmarkt Deutschland stärken" auf die Schiene in Deutschland zu heben (http://www.nachdenkseiten.de/?p=3692 ). Erst dadurch ist dieses politisch gewollte "System", diese "neue Gesamtkonstellation der Finanzwirtschaft" so richtig ins Laufen gekommen - mit den verheerenden Folgen für die Steuerzahler, wie vor allem der einzelne Fall Hypo Real Estate ( HRE ) deutlich macht (http://www.podcast.de/episode/1824959/Bankraub%3A_Der_Fall_Hypo_Real_Estate/ oder auch das Manuskript dieser Sendung http://www.nachdenkseiten.de/?p=6860#h07 ). Und bedauerlicherweise macht auch das Zusammenspiel von Politik und Medien, um diesen für den Steuerzahler so teuren Fall zu verschleiern, klar (http://www.nachdenkseiten.de/?p=3743 ), wie schwer es sein wird, die Politik endlich zu einer Umkehr - weg von dieser Konstellation - zu bringen. P.P.S.: Und wenn`s jenseits dieser Stellungnahme noch weiter interessiert, so habe ich von Bernhard Emunds noch weiteres gefunden: http://www.ethik-und-gesellschaft.de/mm/EuG-2-2009_Emunds.pdf sowie http://attac-typo.heinlein-support.de/extern/finanzmarkt-cd/texte_abc/e/emunds_finanzkeynesiaismus.pdf oder auch noch http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/967379/ und von Wolf-Gero Reichert die Veröffentlichungen: http://www.sankt-georgen.de/nbi/institut/team/wolf-gero-reichert/ |