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Updated: 18.12.2012 15:51
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Das neue Zuwanderungsgesetz und die Gipfel-Show am 12. 07. 07 in Berlin

Im Vorfeld drohten einige Vertreter der türkischen Communities der Bundesregierung mit einem Boykott des geplanten "Integrationsgipfels" im Kanzleramt in Berlin am 12. 07. 07.

Nun wissen wir, dass die Boykott-Fraktion der türkischen Communities ihre Drohung im Vorfeld mutig praktiziert hat. Laut Tagesschau seien zwölf der eingeladenen Verbände von Mirgatnen trotzdem erschienen. Die Boykott-Fraktion boykottierte den Gipfel vor dem Kanzleramt. Sie lehnten die neuen Ausländergesetzt ab, da sie in vielen Bereichen (z. B. beim Familiennachzug Verschärfungen mit sich bringt, und fordern Nachbesserungen. Faruk Sen (Direktor des Zentrums für Türkeistudien) stellte in Vorfeld fest, dass der Gipfel Migranten für "Symbolpolitik" instrumentalisiere, die neue Aufenthaltsregelung sei viel zu restriktiv um dem Anspruch wirklicher Integration gerecht zu werden. Im Gegensatz dazu ist die Frontsoziologin der Union Necla Kelek der Meinung, dass das neue Ausländergesetz endlich Integration bringe. "Bis heute ist die Integration in die deutsche Gesellschaft besonders von Heiratsmigranten gescheitert." Dank Frau Kelek haben wir nun einen neuen Stereotyp: Heiratsmigranten! Mit der Konstruktion von "Idealtypen" [1] nach der Methode von Max Weber schuf Frau Kelek ein passendes Feindbild für die Unions-Politiker und BILD- Leserschaft. Ganz im Sinne von Frau Kelek ist das neue rassistischen Zuwanderungsgesetzt gegen eben diese "Heiratsschwindler" zu verstehen. Demnach sollen in Zukunft in erste Linie die jungen Frauen in Anatolien vor "Zwangsehen" geschützt werden. Die heiratswilligen "Auslandtürken" werden es wohl demnächst schwer haben traditionsbewusste Mädchen aus Anatolien zu importieren. Für die einheimischen deutschen Männer gibt es in Deutschland weiterhin kein Import/Exportverbot.

Bereits im Vorfeld des Gipfel- Shows gab es seitens der türkischen Communities und türkischen Tageszeitungen, einen Aufschrei gegen das geplante Gesetz. Das türkische Massenblatt Hürriyet mit ihrem Logo "Türkei den Türken" gleich auf der Titelseite versuchte, die Haltung der SPD in Hinblick auf das Zuwanderungsgesetz täglich zu skandalisieren: "Schäm dich SPD" lautete die Schlagzeile am 18. 06. 07. Da die SPD mit dem neuen Gesetz den Türken in den Rücken falle, hieß es am 19. 06. 07 "Nankör SPD" ("Undankbare SPD"): Die SPD sei seit Jahren mit den Stimmen der ,Auslandstürken' gewachsen und habe dennoch dem "Scham-Gesetz" zugestimmt und damit "die Türken verraten". Am 09. 07. 07 titelte Hürriyet: "türkische Rebellion gegen das Zuwanderungsrecht" kündigte damit den "Widerstand" der Boykot-Fraktion an. Die liberale Milliyet berichtete am 10. 07. 07 auf der Titelseite über die "Geburtswehen" der türkische Communities. Am Gipfeltag kritisierte Hürriyet auf der Titelseite Frau Merkel höchstpersönlich (indirekt) als "Rassistin" und laut Milliyet war dann Berlin "in Schock zustand". Für den Literat Feridun Zaimoglu war der das Show-Gipfel "ein Putsch gegen die Türken". Faruk Sen und die zahlreiche türkische Tageszeitungen appellieren nun an Horst Köhler, er solle gegen das Gesetz sein "Veto" legen.

Auf diesem Gipfel-Show in Kanzleramt haben die Regierungsvertreter das neue Zuwanderungsgesetz gegen die Boykot-Fraktion der türkischen Communities verteidigt, mehr Integrationswillen von der "Parallelgesellschaft" gefordert und davor gewarnt sich "nicht abzuschotten" bzw." sich nicht von der Mehrheitsgesellschaft "abkapseln" (Tagesschau).

Die Oppositionsparteien haben bereits ihr "Verständnis" für die Boykot- Fraktion der türkischen Verbände ausgesprochen und besonders der Grüne Politiker Özcan Mutlu hat die Situation im Vorfeld dazu genutzt, die "Deutsch-Türken" für die Grünen zu gewinnen. Er und seine Partei hoffen nun darauf, dass die Wahlberechtigte "neudeutschen" mit türkischer Herkunft bei den nächsten Regional-, und Bundeswahlen die SPD bestrafen zu können.

Unabhängig von der frage, wer bei dem "Nationalen Integrationsgipfel" teilgenommen hat, sind die elementaren Fragen der Migrantinnen und Migranten im Hinblickt auf ihre Lebensverhältnisse für die Gipfelbeteiligten kein Thema. Darum ging es ja nicht eigentlich.

Der Gipfel-Show ist passe.. Die Talkshow-Phase des Show-Gipfels hat begonnen.

Nun sind die "Integrations- Experten" wieder dran. Diese werden in den nächsten Tagen über die Köpfe der Betroffenen Migrantinnen und Migranten hinweg in den Talkshows Schuldzuweisungen für die Boykot-Fraktion und das Scheitern des "historischen Gipfels" aussprechen, über "friedliche Miteinander", "Zwangsehen", und "Kopftuchfragen" usw.. plaudern. Mit Sicherheit wird auch nach dieser Gipfel-Show in Kanzleramt nicht über Themen wie die Kopfgelderpressung der Türkei und die Blockaden der deutschen Behörde in Hinblick auf die Einbürgerung debattiert. [siehe dazu meinen Artikel: Weder einen Cent noch eine Sekunde] Die Vertreter der Dachorganisationen der türkischen Communities und bekannte Persönlichkeiten mit Migratinshintergrund werden mehr kulturelle Anerkennung für die Türken fordern, anstatt über irgendwelche Eheformen zu reden. Bezüglich jener Ehe, die zwischen "Auslandstürken" und türkischem Militär erzwungen wird, werden sowohl die elitären "Deutsch-Türken" der türkischen Communities als auch als "Querdenker" wie F. Zaimoglu kein Wort verlieren. Bei dieser Angelegenheit traut sich keiner, die Kreise der Türkischen Konsulate oder der mächtigen türkischen Presse zu stören. Für die "deutsch-türkischen" Berufspolitiker ist das Thema zu heiß, um die Laune ihrer türkischen Wählerschaft zu stören - die brauchen sie schließlich für ihre Karrierepläne in den Parlamenten.

Gürsel Yildirim, 11. 07. 07, Hamburg

Email: guersel2@gmx.de


(1) Nach Max Weber sollen mit der Konstruktion von „Idealtypen“ „bewusst einseitige Weise“ aus der „Fülle von diffus vorhandenen Erscheinungen“ „widerspruchlose Gedankengebilde“ zusammengefasst werden, an denen die Wirklichkeit gemessen und beurteilt werden kann. Frau Kelek bedient sich dieser Methode von Max Weber.


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