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Updated: 18.12.2012 15:51
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Forderung nach Urabstimmung über den TVöD...

... ging ver.di ein bisschen zu weit

Der Arbeitskreis Soziale Vereine in Frankfurt/M. und Region gibt seit einigen Jahren in größeren, aber regelmäßigen Abständen die Zeitung »abenteuer sozialarbeit« heraus. Die ersten acht Nummern dieser Zeitung wurden vom ver.di-Bezirk Hessen jeweils finanziert und auch verteilt. Solange - ja solange bis die Frankfurter KollegInnen ihrem Unmut über den TVöD schriftlich Luft machen wollten und eine Urabstimmung über den TVöD forderten. Das ging ver.di dann doch ein wenig zu weit, und sie weigerte sich, die Zeitung zu finanzieren und zu verteilen.

Jetzt erst recht! - dachten sich die KollegInnen und machten ihre Zeitung einfach selbst. Wir dokumentieren hier ihren Artikel. Die LeserInnen mögen entscheiden, was das über eine demokratische Gewerkschaft aussagt ...

Die Angestellten und SozialarbeiterInnen in den Vereinen und stadtnahen Einrichtungen sind genauso wie die Beschäftigten des Bundes und der Gemeinden vom Abschluss von ver.di mit den öffentlichen Arbeitgebern des neuen Tarifvertrags Öffentlicher Dienst (TVöD), der den alten BAT/BMTG ablöst, betroffen.

Allein die Länder weigern sich, den TVöD zu übernehmen. Sie sind aus den Tarifverhandlungen ausgestiegen und wollen Druck machen, um eine allgemeine Arbeitszeitverlängerung - in Hessen orientiert an den Beamtinnen und Beamten (= 42 Stunden pro Woche) durchzusetzen. Die Arbeitzeit im Bereich Bund und Gemeinden beträgt nach dem neuen TVöD einheitlich 39 Stunden pro Woche. Im Namen der Angleichung Ost-West müssen wir im Westen in der Regel eine Arbeitszeitverlängerung um eine halbe Stunde hinnehmen.

Aber die Beschäftigten in den Gemeinden und damit auch den stadtnahen Vereinen und Einrichtungen, soweit sie sich am BAT orientiert haben, kann es noch härter treffen:

Die Gemeinden haben Öffnungsklauseln durchgesetzt, nach denen auch auf landesbezirklicher Ebene eine Arbeitszeitverlängerung bis zu 40 Wochenstunden vereinbart werden kann!

Was die Entgelttarife und Zulagen betrifft, soll es für keine/n derzeit Beschäftigten eine Verschlechterung geben. Nennt sich Besitzstandswahrung - wurde mitvereinbart. Ab Oktober 2005 wird das derzeitige Bruttogehalt ohne Verluste in die neue Tabelle (unabhängig von der Stellenplatzbeschreibung) übertragen. Dazu kommt eine Festbetragszahlung von 300 Euro pro Jahr 2005-2007. Entgelt-Tarifkampf findet in diesen Jahren nicht statt.

Wir im ver.di-Arbeitskreis Soziale Vereine zusammengeschlossenen Kolleginnen und Kollegen lehnen den TVöD ab, weil er auch für die derzeit Beschäftigten Verschlechterungen bringt:

  • Es kommt entgegen allen Behauptungen zu einer Kürzung des Weihnachts- und Urlaubsgeldes durch Einführung einer Jahressonderzahlung;
  • Es werden eine leistungsorientierte Bezahlung, die nicht tarifvertraglich geregelt ist, sondern auf betrieblicher Ebene vereinbart wird, und leistungsabhängige Stufenaufstiege eingeführt, es erfolgt die Überleitung in den TVöD in eine Entgeltgruppe, die der Aufstiegsvergütungsgruppe entspricht, nur noch, wenn am Stichtag 1. Oktober 2005 50 und mehr Prozent der maßgeblichen Bewährungszeit zurückgelegt sind;
  • für Kinder, die nach dem 31. Dezember 2005 geboren werden, werden keine Kinderzuschläge mehr gezahlt.

Wir akzeptieren keine Flexibilisierung der Arbeitszeit durch Einführung einer Rahmenarbeitszeit von zwölf Stunden und Schaffung eines Arbeitszeitkorridors von 45 Stunden und die Streichung der Überstundenzuschläge in diesem Rahmen.

All diese Vereinbarungen stehen im Widerspruch zum gewerkschaftlichen Auftrag und zu den Beschlüssen der Gewerkschaft (Keine Arbeitszeitverlängerung, keine Regionalisierung, keine Meistbegünstigung, Abschaffung der Niedriglohngruppen ...).

Wir waren uns auf unserer letzten Sitzung des Arbeitskreises Soziale Vereine alle einig, dass es angesichts der Tragweite der Entscheidung über einen grundlegenden Tarifvertrag, der in Jahrzehnten mühsam erkämpft worden ist, nicht allein einer Bundestarif- oder einer Verhandlungskommission überlassen werden kann, darüber zu entscheiden, wie bei einem x-beliebigen Tarifabschluss um einzelne Prozente. Es geht hier um eine grundlegende Veränderung.

Es soll doch keiner glauben, dass mit diesem TVöD irgendeine ausgegründete GmbH in den öffentlichen Dienst zurückgeholt wird. Jede einzelne Maßnahme, die zu einer Verschlechterung in der Lohntüte führt, wird Kolleginnen und Kollegen veranlassen, die Frage zu stellen: »Was habe ich von einer solchen Gewerkschaft?« Wir fordern alle Kolleginnen und Kollegen auf, in ver.di dafür zu kämpfen:

Für eine Urabstimmung über diesen Abschluss, bevor die Abstimmung der Mitglieder mit den Füßen erfolgt!

(Mitglieder des ver.di-Arbeitskreises Soziale Arbeit)

Quelle: abenteuer sozialarbeit. Zeitung des Arbeitskreises Soziale Vereine, ver.di Frankfurt/M. & Region, Nr. 9, Frühjahr 2005

Erschienen im express, Zeitschrift für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 11-12/05


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