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Updated: 18.12.2012 15:51
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Demokratische Regulierung der Ökonomie durch Partizipation

Gewerkschaftliches Handeln und die Mitbestimmung sind in vielen Aspekten in eine Defensive, wenn nicht sogar in eine Krise geraten. Diese stellt sich auch in dem Dilemma dar, daß, um verloren gegangene Macht- und Einflußpositionen auszugleichen, die Gewerkschaften sich internationaler orientieren, gleichzeitig aber auch ihre Position im nationalstaatlichen Kontext stärken müssen. Internationale Solidarität löst jedoch die Dilemmata gewerkschaftlichen Handelns nicht ohne weiteres auf.

Bislang ist die Entwicklung einer globalen Gewerkschaftspolitik und globaler konzernbezogener Arbeitsbeziehungen kaum über erste Anfänge hinaus gekommen. Dies wirft die Frage nach den Rahmenbedingungen auf, unter denen die Erwerbstätigen in die Konkurrenz geraten und unter denen der Fortbestand der Gewerkschaften bedroht ist. Fest steht, daß die Spielregeln der globalen Wirtschaft verändert werden müssen, weil sich nur dadurch die Handlungslogiken von Unternehmens- und Regierungsakteuren ändern (vgl. Greven 2006, 11). Die Einflußnahme auf die "die strukturelle Konkurrenz erwirkenden Rahmenbedingungen steht konzeptionell noch am Anfang. Wie müssten die Regeln der Weltwirtschaft aussehen, damit die Lohnabhängigen nicht systematisch in Konkurrenz zueinander gesetzt werden? Und wie können diese Regeln für eine sozialverträgliche Weltwirtschaft durchgesetzt werden?" (Scherrer 2006, 4)

Diese Fragen von Christoph Scherrer werden sich nicht leicht und flott beantworten lassen, sie begleiten die Arbeiterbewegung seit langem. Die Forderung nach Demokratie in der Wirtschaft ist eine der Antworten. Sie soll den Arbeitenden das Recht gewähren und die Kompetenzen vermitteln, die Entscheidungen über den gesellschaftlichen Produktionsapparat zu treffen; die materielle Produktion soll ihren naturgesetzlichen Charakter verlieren, in die Entscheidungsgewalt aller gebracht und damit die Bedingungen der Möglichkeit geschaffen werden, daß die Regeln der Wirtschaft und der Märkte nicht von wenigen, sondern demokratisch von allen und durch alle entschieden werden können. Angesichts der Komplexität eines die ganze Gesellschaft tragenden Produktions- und Verteilungsapparats sind solche Kompetenzen für die demokratische und verantwortliche Partizipation an den alltäglichen Entscheidungsprozessen unabdingbar. Was so komplex ist und was alle angeht, kann kaum die Aufgabe einzelner sein.

Selbst wenn diese Einzelnen die allerbesten wären - was sie nicht sind -, so sind sie durch die Konzentration von Macht und Entscheidungskompetenzen zeitlich und intellektuell überfordert. Exklusive Entscheidungskompetenzen sind die mit Abstand wichtigste Ursache für Ineffizienz, Vergeudung von Ressourcen, Zeit und menschlicher Energie in hierarchisch strukturierten Betrieben.

Auch wenn behauptet wird, Unternehmer und Manager trügen die Verantwortung und das Risiko, so stimmt das wenn überhaupt nur eingeschränkt. Ihre Fehler betreffen viele - nicht nur die Arbeitnehmer, die im Unternehmen beschäftigt sind -, und sie können die meisten Risiken nach unten abwälzen. Es wäre deswegen besser, diese Fehler würden, wenn sie dann überhaupt noch gemacht würden, von vielen gemeinsam gemacht, so daß aus ihnen auch kollektiv gelernt und sie dann auch zukünftig vermieden werden könnten. Die Erweiterung der politischen zur Wirtschaftsdemokratie sei unerläßlich, denn will sie sich auf Dauer gegen illegitime private Mächte und Machtansprüche durchsetzen, benötige sie eine ökonomische Machtbasis. Die Ermächtigung der Demokratie sei aber nicht möglich ohne eine Umgestaltung der tradierten Formen der repräsentativen Demokratie, neue und erweiterte ökonomische Vollmachten für vorhandene Institutionen und Schaffung neuer Institutionen.

Text von Alex Demirovic als Ausschnitt aus Kapitel 9: Perspektiven der Demokratie in der Wirtschaft (S. 253f.) - exklusiv im LabourNet Germany - aus dem Buch:

Demokratie in der Wirtschaft. Positionen - Probleme - Perspektiven

Demokratie in der Wirtschaft. Positionen - Probleme - Perspektiven

"Die Frage nach demokratischen Alternativen in der Wirtschaft aufzuwerfen, ist angesichts der Globalisierung, die der Ökonomie erneut den Charakter einer Naturgewalt zu verleihen scheint, dringend geboten. Alex Demirovic zeigt in seiner Studie aus einer demokratietheoretischen Perspektive detailliert kontroverse Standpunkte und grundlegende Probleme auf, die sich bei der Demokratisierung der Wirtschaft stellen. Mit den Gewerkschaften und ihrer Politik im Mittelpunkt fächert er eine breite Themenpalette auf: von der Mitbestimmung in Betrieb und Unternehmen über die direkte Partizipation am Arbeitsplatz und zivilgesellschaftliche Aktivitäten bis zu Formen internationaler Solidarität und wirtschaftsdemokratischen Alternativen. Das Buch ist ein Plädoyer dafür, dass die Gewerkschaften sich als demokratiepolitischer Akteur verstehen und für die Einheit von ökonomischen und demokratischen Maßstäben eintreten sollten." So der Klappentext des neuen Buches von Alex Demirovic (erschienen 2007 im Verlag Westfälisches Dampfboot, 305 S. - € 27,90 - SFR 43,70; ISBN: 978-3-89691-656-3). Siehe dazu Informationen beim Verlag Westfälisches Dampfboot externer Link


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