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Updated: 18.12.2012 15:51
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Eine machtvolle Synthese: Gewerkschaften und Ökologie – „Grüne“ Gewerkschaftsarbeit in Theorie und Praxis

Ökologie ist spätestens seit der Debatte um den Klimawandel wieder ein Thema im Mainstream, in der Linken ist sie das jahraus jahrein. Bei allem Raum, den dieses Problem dabei einnimmt, ist im Allgemeinen die Diskussion über die Methoden und Strategien ökologischer Wirksamkeit – gerade in Deutschland – recht verengt: Lobby- und Parteienpolitik einerseits, Moral- und individuelle Konsumfragen andererseits bestimmten häufig noch das Bild ökologischer Betätigung. Und wo in Aktivistenkreisen Formen der direkten Aktion ins Spiel gebracht wurden, wird deren Anwendung meist losgelöst vom Bereich der Produktion gesehen. Gesellschaftliche Bedürfnisse, Fragen also, welche die ArbeiterInnen bzw. Menschen über reine Betriebsfragen hinaus betreffen, lassen sich aber auch mit gewerkschaftlichen Mitteln angehen – und das sogar effizienter. Am Beispiel der Ökologie lässt sich gut veranschaulichen, warum die syndikalistische Artikulation von Interessen durch den direkten ökonomischen Kampf eine Besonderheit darstellt und sich ganz wesentlich von anderen Formen des Protestes oder der Politik unterscheidet: methodisch, strategisch und organisatorisch. Wir dokumentieren hier deshalb einen Artikel aus der sog. Green-Unionism-Debatte, die trotz ihrer fortgeschrittenen Dauer in Deutschland weitestgehend Neuland ist. (Die Redaktion)

In den letzten Jahrzehnten hat sich innerhalb der globalen antikapitalistischen Bewegung ansatzweise eine neue Strömung entwickelt. Doch statt sich in Form einer zusammenhängenden, selbstsicheren und ernst genommenen Bewegung zu entfalten, existierte sie weitestgehend in Randbereichen theoretischer und praktischer Auseinandersetzungen. Diese Strömung stand stets im Schatten von dogmatischer Parteienpolitik, sogenannten „Affinitätsgruppen“ und NGOs. Dennoch trat sie immer mal wieder da als „Tagessensation“ in Erscheinung, wo günstige sozio-ökonomische Bedingungen oder visionäre Initiativen ihr die breite Aufmerksamkeit und Entschlossenheit verliehen, die eine Bewegung benötigt, um zu gedeihen. Die Rede ist von den grünen Tendenzen in der Gewerkschaftsbewegung.

Die größte Hoffnung für ein Erblühen der Arbeiterbewegung liegt in der Wiederbelebung der dezentralen und basisorientierten syndikalistischen Bewegung. In der Geschichte hat sich immer wieder gezeigt, wie engstirnig, korrupt und tief autoritär das gewerkschaftliche Beamtentum ist. Nur ein Ansatz von gewerkschaftlicher Arbeit, der basisorientiert ist und von unten nach oben funktioniert, kann ernsthaft den Schutz der Umwelt und einen breiteren sozialen Wandel fördern.

Eine Grundannahme grüner Gewerkschaftsarbeit ist, dass Arbeiterkämpfe und ökologische Kämpfe nicht notwendigerweise zu trennen sind, sondern ein Potential haben, sich gegenseitig zu stärken. Die Grundlage für ein intaktes Verhältnis zwischen diesen beiden Strängen ist ein Ansatz, der trotz bestimmter Unterschiedlichkeiten das Gemeinsame herausstellt, um ein Bündnis zu organisieren, das auf gegenseitigem Respekt und Unterstützung aufbaut.

Quellen der Arbeitermacht

Insbesondere seit den späten 1960ern und frühen 70ern gab es, zum Teil als Reaktion auf die Entradikalisierung der Arbeiterklasse und die häufige Systemintegration traditioneller „Arbeiterorganisationen“ (d.h. zentral gesteuerter, bürokratischer politischer Parteien und Business Unions [1]), einen massiven theoretischen Rückzug von Fragen der Klasse und insbesondere des Klassenkampfes. Diese Trendwende vollzog sich vor allem in den „neuen sozialen Bewegungen“, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg zunehmender Beliebtheit erfreuten.

Mit dem Aufkommen der neoliberalen Globalisierung gab es dann eine bedingte Rückkehr zu Zuständen aus dem früheren Kapitalismus, nachdem es zu einer Zersetzung der politischen „Repräsentationen“ der einfachen Bevölkerung (insbes. in den sozialdemokratischen Parteien) und zu einer Verschlechterung der Arbeiterrechte und Lebensbedingungen gekommen war. [2]

Parallel zu der faktischen schleichenden Verschlechterung der Arbeitsbedingungen hat sich ebenso die Entpolitisierung in den Betrieben fortgesetzt. Ebenso besteht generell eine Aktivistenkultur fort, die noch immer weitestgehend ablehnend den Arbeiterfragen gegenübersteht (auch wenn sich das zum Teil geändert hat dadurch, dass in Aktivistenkreisen vermehrt über „neue“ Organisierungsmodelle diskutiert wird).

Ein dynamisches Verständnis von Menschen als ArbeiterInnen und von ArbeiterInnen als AktivistInnen ist abhanden gekommen. Über nunmehr mehrere Jahrzehnte hat ein Paradigmenwechsel im linken Deutungsmuster von Unterdrückung stattgefunden, das sich von Fragen der Produktionsverhältnisse (als materielle Basis für Ausbeutung) weg und hin zu Fragen der Konsumtion bewegt hat. Dies zeigt sich insbesondere unter vielen Mainstream-Grünen, die uns auf unsere Rolle als KonsumentInnen beschränken wollen, in der wir – der Natur der Sache nach – relativ machtlos und fast immer desorganisiert sind. Dieser Ansatz, wie er allgemein verstanden und verbreitet wurde, produziert einen individualistischen und moralistischen Ersatz für anhaltende politische Aktivität.

Es ist wichtig die zentrale Bedeutung von Klassen und die revolutionären Implikationen von Klassenkampf im Bereich der Produktion zu erkennen. Menschen haben materiell am meisten Macht in ihrer Rolle als Produzenten von Gütern und Dienstleistungen. In dieser Eigenschaft sind sie nicht nur in der Lage, ihre Arbeitskraft zurückzuhalten, sondern auch die Produktionsmittel und die Verteilung demokratisch zu übernehmen. Es sind die materiellen Bedingungen des Lebens, welche die Menschlichkeit beschneiden und deformieren; deshalb muss der Kampf gegen diese Bedingungen auch konkret und an der materiellen Basis orientiert sein:

Die Herausbildung neuer Identitäten als ausdrucksfähige menschliche Wesen anstelle der Entfremdung schaffenden Klassenidentität setzt einen erfolgreichen Kampf gegen die eigentlichen Strukturen von Herrschaft, Reglementierung, Hierarchie und Disziplin voraus. Und diese Strukturen existieren ganz konkret innerhalb der Arbeitswelt. Niemand kann annehmen, dass der Charakter der Arbeit einfach dahinschwindet mit dem Erblühen einer neuen Identität. [3]

Die gesellschaftliche Transformation

Der US-amerikanische Anarchist Murray Bookchin verwirft die syndikalistische Strategie, da er sie für einen verengten Ökonomismus hält. [4] Und tatsächlich ist es wahr, dass die syndikalistische Bewegung sich häufig eines „kulturellen Arbeiterismus“, eines beschränkten Produktivismus und einer Idealisierung der Arbeiterklasse und deren Rolle in der Gesellschaft schuldig gemacht hat. Doch dies wurde weitestgehend in und von der Bewegung selbst in Frage gestellt und ist heute nur noch eine bedeutungslose Tendenz.

Nicht an die Zukunft des Arbeitsplatzes als eine Arena politischen und sozialen Wandels glaubend, fordert Bookchin stattdessen eine alleinige Fokussierung auf die „Gemeinde“ (als ob Gemeinden ohne Betriebe und Klassen existieren würden). Wenn er über seinen libertären Munizipalismus [5] spricht, vergisst Bookchin bequemerweise, dass es gerade die SyndikalistInnen waren und sind, welche die stärkste und erfolgreichste Tradition der Gemeindeorganisierung haben unter allen explizit libertären Strömungen und darüber hinaus. [6]

Vor allem steht eine demokratische Gewerkschaftsbewegung nicht im Widerspruch zu der gesellschaftlichen Transformation zu einer bioregionalen Struktur, bestehend aus Selbstverwaltung und sozialisierten Einheiten von ProduzentInnen und KonsumentInnen. Und in einem System bedarfsorientierter Produktion können nicht-profitorientierte Basisgewerkschaften in der Lage sein, die notwendige Räte-Infrastruktur zu bieten, die notwendig ist für eine dezentrale Entscheidungsfindung und Güterverteilung, zumindest in der Übergangsphase.

»Grüne SyndikalistInnen … stellen sich z.B. eine Assoziation von ArbeiterInnen vor, die sich verpflichtet fühlen, das Fabriksystem, seine Arbeitsdisziplin, Hierarchien und Reglementierungen zu demontieren – all die Ziele, mit denen sich auch Bookchin identifiziert … Dies beinhaltet die tatsächliche Destruktion mancher Fabriken ebenso wie ihre Umwandlung in „softe“ Formen kleinerer, lokaler Produktion.« [7]

Die neue Gesellschaft in der Schale der alten aufzubauen, bringt Änderungen in wichtigen Fragen mit sich: wer die Produktion kontrolliert, was produziert wird und wie es produziert wird. Dies kann nur durch die Demokratisierung der Betriebe und durch die Stärkung der Gemeindeautonomie erreicht werden. „Die Fragen des Besitzes und der Kontrolle der Erde sind nichts anderes als eine Klassenfrage.“ [8]

Grüne Blockaden

Der Kontext, in dem sich in den 1970ern die aufsehenerregenden Kämpfe um die sog. „grünen Blockaden“ (green bans) in Australien ereigneten – wo ArbeiterInnen sich weigerten, an Projekten zu arbeiten, die für umweltschädlich gehalten wurden –, ähnelt stark der gegenwärtig weitverbreiteten Gentrifizierung von städtischen Arbeiterbezirken [9]. Damals zogen insbes. in Sydney viele einfache Hauseigner und Wohnungssuchende den Kürzeren gegen die Interessen derer, die in Bauprojekte investierten, die reinen Spekulationszwecken dienten. An einem bestimmten Punkt gab es fast eine Million Quadratmeter leerstehenden Büroraums in Sydneys Geschäftsviertel, während Menschen, die nach ihren ersten Heimen oder Wohnungen suchten, nicht fündig wurden. [10]

Die erste grüne Blockade wurde von der Builders Labourers´ Federation (BLF) eingerichtet, um Kelly´s Bush zu schützen, das letzte verbliebene Buschland in Hunter´s Hill, eines Stadtteils an Sydneys Stadtrand. Neben vielen anderen Errungenschaften schützten die grünen Blockaden u.a. historische Gebäude aus dem 18. Jahrhundert davor, abgerissen zu werden, um Platz für Büroraum zu schaffen. Auch bewahrten sie den Königlichen Botanischen Garten davor, in einen Autopark für die Oper von Sydney umgewandelt zu werden.

Die Gewerkschaft fuhr fort, grüne Blockaden zu verhängen, wo immer Unterstützung aus den Gemeinden – meist in Form eines enthusiastischen öffentlichen Treffens der betroffenen Menschen – für die Blockade zum Ausdruck gebracht wurde. Zwischen 1971-1974 gab es insgesamt 42 grüne Blockaden, bis der Bundesvorstand der BLF – mit rückhaltloser Unterstützung der Politiker, der Medien und der „Bauträger“ – die Führung des lokalen Gewerkschaftszweiges absetzte „auf Grundlade dessen, dass der Gewerkschaftszweig von New South Wales die Grenzen der traditionellen Gewerkschaftsarbeit überschritten hat“. [11]

Schätzungen gehen davon aus, dass die grünen Blockaden der BLF städtische „Entwicklungsprojekte“ im Wert von ungefähr 18 Mrd. australischen Dollar (umgerechnet auf den Kurs für 2005; heute ca. 7 Mrd. Euro) vereitelt haben. [12] Obwohl die lokale BLF-Initiative abgewürgt wurde, breitete sich die Bewegung auf andere Gewerkschaften aus.

Andere Praxisbeispiele

1976 ächtete der Australian Council of Trade Unions (ACTU) den Abbau, Handel und Export von Uranium. Ein landesweiter Streik sorgte im Jahre 1977 dafür, dass ein Zugschaffner, der gefeuert wurde, weil er eine Uranverfrachtung unterband, seinen Job zurück bekam. 1981 blockierten Gewerkschaften aus Darwin über mehrere Wochen die Verladung von Uranerz, das exportiert werden sollte, obwohl die ACTU-Führung letztlich unter dem Regierungsdruck intervenierte, um die Verladung des Erzes zuzulassen. Im Oktober desselben Jahres beendete der britische Flugzeugträger Ark Royal seine Bemühungen, in Melbourne für eine zehntägige „Goodwill-Mission“ anzudocken, als die Schiffsmannschaft sich weigerte, Schläger gegen RüstungsgegnerInnen auszusenden, die anprangerten, dass das Kriegsschiff Nuklearwaffen führte, und die Demonstranten somit unterstützte… [13]

Die Liste nennenswerter Kampagnen lässt sich fortsetzen: „Australische Bauarbeiter, Seefahrer, Hafen-, Transport- und BahnarbeiterInnen boykottierten vielerorts jegliche Arbeit, die mit der Atomindustrie zu tun hatte, ebenso wie das Franklin River Project – welches den Tasmanischen Nationalpark (einschließlich des Landes von Aborigines) für ein großes hydro-elektrisches Projekt geflutet hätte – mit Erfolg. In ähnlicher Weise kämpften ArbeiterInnen gegen die Versuche des Amax-Konzerns, auf Aborigine-Land in Noonkanbah nach Öl und Diamanten zu bohren und diese Ressourcen abzubauen. Die ArbeiterInnen unterstützten ebenso aktiv die militante Besetzung des Geländes durch betroffene Aborigines. Auch in Großbritannien boykottierten während der 1980er gewerkschaftlich organisierte Seefahrer das Ausschütten von Atommüll auf See und zwangen die Regierung dazu, diese Politik zu beenden. In Brasilien schmiedeten Arbeiter auf Gummibaumplantagen (sog. rubber tappers) ein Bündnis mit UreinwohnerInnen und UmweltaktivistInnen, um gegen die massive Entwaldung des Amazonas-Regenwaldes durch Großgrundbesitzer und Geschäftsinteressen zu kämpfen.“ [14]

Mehr als nur Ökologie – und effizienter

Wie Jon Bekken schreibt, »zeigt das Beispiel [nicht nur] unserer australischen KollegInnen, dass dort, wo die notwendige Aufklärungs- und Organisationsarbeit geleistet wurde, ArbeiterInnen bereit sind, Aktionen zur Verteidigung der Umwelt durchzuführen (etwa so wie z.B. amerikanische und irische ArbeiterInnen direkte ökonomische Aktionen in Solidarität mit ihren südafrikanischen KollegInnen durchführten [15]), auch wenn die Aktion phasenweise eine finanzielle Notlage mit sich bringt.

Direkte ökonomische Aktionen dieser Art sind weitaus effektiver für die Verteidigung der Umwelt als Lobbypolitik und symbolische Aktionen, die von den selbsterklärten Verteidigern von „Mutter Erde“ bevorzugt werden. Solche Methoden mögen dazu taugen, bestimmte Themen in eine breitere Öffentlichkeit zu bringen oder den Kampfgeist zu stimulieren. Doch statt unsere knappen Energien und Ressourcen auf Lobbykampagnen oder strohfeuermäßige symbolische Aktionen zu fokussieren, mit denen unrealistischerweise beabsichtigt wird, unsere Ausbeuter unter Druck zu setzen, müssen wir unsere Anstrengungen darauf konzentrieren, uns am Arbeitsplatz und in den Gemeinden zu organisieren, um eine bessere Umwelt selbst aufzubauen.

Dies kann solch nüchtern wirkende Kampagnen mit sich bringen wie die Organisierung gegen giftige Chemikalien in den Betrieben – eine Kampagne, die implizit und, richtig durchgeführt, auch explizit weit über das Recht hinaus geht, die Umwelt zu schützen. Hier werden Fragen nach der Verbindung von Arbeitsplatz und Umwelt aufgeworfen und zur Disposition gestellt, wer das Recht hat, den Arbeitsprozess zu kontrollieren. Letztendlich wird sich dabei auch der Bedarf nach anderen Formen gewerkschaftlicher Organisation und Aktivität zeigen.« [16]

Jack Mundey, einer der Köpfe des lokalen Gewerkschaftszweiges der BLF, erklärte kürzlich: „…die politische Signifikanz der grünen Blockade-Bewegung, während sie wirkte, war, dass sie ein siegreiches Bündnis zwischen UmweltaktivistInnen und GewerkschafterInnen schmiedete. Da 90% der Bevölkerung in urbanen Gegenden wohnen, ist Erfolg beim Erhalt der baulichen Umwelt lebenswichtig, und Gewerkschafter sind ganz besonders in der Lage, das Gefüge der baulichen Umwelt zu beeinflussen: Das Ziel, eine umweltgerechte Gesellschaft zu erreichen, mit einem menschlichen Gesicht, einem ökologischen Herzen und einer egalitären Seele, erfordert eine massive gemeinsame Kraftanstrengung von UmweltschützerInnen und der organisierten Arbeiterklasse.“ [17]

Der „Krieg ums Holz“

David Pepper behauptete einmal, dass der Einfluss der libertären Gewerkschaftsbewegung die grüne Bewegung in Nordamerika revitalisieren könnte, so wie der Syndikalismus die Arbeiterbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts erneuert hatte. [18] Judi Bari, in den 1980ern und 90ern eine Organizerin der Industrial Workers of the World (IWW) und von Earth First!, kam näher an dieses Ziel heran als irgendwer anderes. Ab 1989 initiierte sie ein Bündnis zwischen ausgebeuteten Holzarbeitern und radikalen UmweltschützerInnen, die sich dem Schutz der Mammutbaumwälder in Nordkalifornien verschrieben hatten. Zu diesem Zwecke organisierte sie mit (umweltbewussten) Arbeitern und ÖkoaktivistInnen eine IWW-Gewerkschaftssektion (Local 1).

Selbst aus der Arbeiterklasse stammend, war sie sich vollkommen darüber im Klaren, dass das ihr vorschwebende Bündnis nur möglich war, wenn UmweltschützerInnen sich ein Bild von den Arbeiterbelangen machten, und realisierte, dass sie nur auf dem Prinzip der gegenseitigen Hilfe und des Respekts zusammenarbeiten konnten. Das bedeutete, „ökologisches Moralisieren zurückzuweisen und ein Gefühl für die Besorgnisse und Belange der ArbeiterInnen zu entwickeln“. [19] Sie beabsichtigte, Earth First! von einer bornierten Naturschutzbewegung in eine bündnisfähige soziale Kraft zu transformieren, die darauf abzielt, die gesellschaftlichen Verhältnisse selbst zu verändern. Und dieser neue und originelle Weg, den sie ging, war unzweifelhaft der Grund, warum sie und ihr Organizer-Kollege Darryl Cherney Ziel eines Bombenattentats wurden. [20]

Bari war entschlossen, die Polarisierung von lohnabhängigen Menschen innerhalb der Gemeinden zu bekämpfen, wobei sie die Klassenspannungen und -ungleichheiten ansprach, die gewöhnlich unter den Teppich gekehrt werden. Die Organisation, die sie aufbaute, engagierte sich auf kreative Weise in der Gemeinde und benachbarten Bevölkerung: „Im vergangenen Sommer wurde drei Monate lang eine Serie von Aktionen durchgeführt. Die Aktionen beinhalteten gewaltfreie Blockaden von Häfen und Abholzungsarealen, Demonstrationen, Menschenketten, Jux und Lieder und erfassten alle in den Gemeinden. Die Ereignisse wurden Redwood Summer genannt. 5.000 Leute beteiligten sich daran. Das Ziel war es, … die Holzindustrie zu einem an Nachhaltigkeit orientierten Holzabbau unter Gemeinde- und Arbeiterkontrolle zu bringen“ [21] Probleme am Arbeitsplatz, wie Gesundheit und Sicherheit, wurden dabei als mächtige Waffe gegen die Holzfällerkonzerne genutzt.

Die Stärke der Gewerkschaft

„In ihrer Arbeit stellte Bari eine reelle Verbindung zwischen dem Leid von Holzarbeitern und der heutigen Umweltzerstörung her. Die Geschichte der Arbeiterkämpfe wird so ein Teil der Ökologie-Geschichte.“ [22] Sie drängte Earth First!, gewaltfreie direkte Aktionen aufzunehmen und sich vom Tree-Spiking [23] und anderen Taktiken zu distanzieren, die Holz- und Fabrikarbeiter treffen könnten, womit sie gegen das Image von „Ökoterroristen“ ankämpfte, das den Unternehmern in die Hände spielte.

Indem sie für Taktiken jenseits bloß theatralischer Demonstrationen und ebenso unbesonnener Sabotage eintrat, opponierte sie gegen gewalttätige Aufruhrphantasien, die häufig blühen, wenn die wahren Quellen der Macht einer Bewegung ignoriert werden. In einem typischen IWW-Ton bemerkte Bari: „Dieses System kann nicht durch Gewalt gestoppt werden. Es ist gewalttätig und rücksichtslos auch ohne das Zutun einer Widerstandsbewegung der einfachen Menschen. Die einzige Weise, die ich mir vorstellen kann, wie sich das System stoppen lässt, ist die massive Nichtkooperation.“ [24]

Bari trat stets dagegen an, dass die AnhängerInnen von Earth-First! den ArbeiterInnen Vorwürfe machten, und kritisierte den Mangel fast jeglichen Klassenbewusstseins unter ihnen. Sie betonte, dass sie sich auf die Ursachen und nicht nur auf die Effekte konzentrieren sollten; die tieferliegende Ursache der Umweltverwüstung und die Zerstörung und Ausbeutung von Holzfällergemeinden war für sie das unternehmerische Profitinteresse. Es war nötig, die Verbindungen zwischen der umweltgefährdenden Entwaldung und der Entlassung von ArbeiterInnen herzustellen („Wenn die Bäume weg sind, werden es die Jobs auch sein.“) Dies geschah, um der beschleunigten Waldzersetzung entgegenzutreten und auf die Umweltgefahren hinzuweisen, die ArbeiterInnen und ihre Gemeinden zu ertragen gezwungen waren. Sie fasste treffend die Ideen der Inklusivität der grünen Gewerkschaftsbewegung sowie die Notwendigkeit breiterer Solidaritätsnetzwerke und strategischer Positionierungen gegen die Machtstrukturen zusammen:

„Eine revolutionäre ökologische Bewegung muss sich auch unter armen und arbeitenden Menschen organisieren. Denn es sind die arbeitenden Menschen, die ihre Hand an der Maschinerie haben. Und nur durch den Stopp der Zerstörungsmaschinerie können wir jemals hoffen, diesen Wahnsinn zu beenden.“ [25]

Artikel von Dan Jakopovich aus der Direkten Aktion Nr. 191 vom Januar/Februar 2009 – wir danken dem Autor und der Redaktion

Der Artikel erschien zuerst unter dem Titel „Green Unionism in Theory and Practice“, in: Synthesis/Regeneration, Nr. 43 (Frühling 2007). Übersetzung: Holger Marcks.

Dan Jakopovich ist Chefredakteur von Novi Plamen, der maßgeblichen Zeitung der partizipatorischen demokratischen Linken auf dem Gebiet Ex-Jugoslawiens. Siehe www.noviplamen.org externer Link.


Anmerkungen

[1] Engl. Begriff für die reformist. Gewerkschaften, die nur auf begrenzte materielle Verbesserungen im Rahmen des Kapitalismus abzielen und die Angelegenheiten zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern wie zwischen Partnern handhaben. Entspricht weitestgehend dem hiesigen Verständnis von sozialpartnerschaftlichen bzw. korporatistischen Gewerkschaften. A.d.Ü.

[2] Z.B. schien ein 6-Stunden-Tag zu Beginn des 20. Jh. greifbarer zu sein als heute.

[3] Siehe Jeff Shantz, „Radical Ecology and Class Struggle: A Re-Consideration“, http://nefac.net/node/161.

[4] Siehe z.B. Murray Bookchin u.a., Deep Ecology and Anarchism, London 1997, S. 47-58.

[5] Von Janet Biehl und Bookchin ausgearbeitetes Konzept einer libertären Städteordnung, das Elemente von Proudhons Mutualismus- und Föderalismus-Konzept enthält. Es sieht weniger eine ökonomische als eine politische Transformationsstrategie vor; z.B. durch die Beteiligung an kommunalen Wahlen. A.d.Ü.

[6] Siehe z.B. Iain McKay, Anarchism and Community Politics, http://www.anarchism.ws/writers/anarcho/anarchism/community/communitypolitics.html externer Link.

[7] Shantz, „Radical Ecology“, S. 5.

[8] Ebd.

[9] Gentrifizierung („Veredelung“) bezeichnet einen Prozess der „Aufwertung“ innenstadtnaher Wohngebiete, der mit einer Veränderung des Bevölkerungsgepräges einhergeht, wobei v.a. Menschen aus der Arbeiterklasse verdrängt werden. Siehe dazu das Interview mit Neil Smith, „Kapitaler Abschaum“, in: DA Nr. 186 (März/Apr. 2008). A.d.Ü.

[10] Verity Burgman, „A Perspective on Sydney’s Green Ban Campaign, 1970-74“, in: dies., Power and Protest. Movements for Change in Australian Society, Sydney 1993. Zu finden auf: http://www.teachingheritage.nsw.edu.au/d_reshaping/wd2_burgman.html externer Link.

[11] Ebd.

[12] Ebd.

[13] Siehe John Judis, „Australian Unions Foil Corporate Developers“, In These Times, 5. Jan. 1977, S. 10. Ironischerweise enthält dieselbe Seite einen Artikel darüber, wie schwedische WählerInnen, die auf politische Wahlen vertrauten, um die Atomenergiepolitik zu ändern, von der Politik gefoppt wurden.

[14] Anarchist Federation, Ecology and Class. Where There’s Brass, There’s Muck, London o.J., S. 34. Der Erfolg der brasil. AktivistInnen führte übrigens im Dez. 1988 zu der Ermordung des Gewerkschafters Chico Mendes durch angeheuerte Schergen.

[15] In beiden Fällen handeln ArbeiterInnen, obwohl sie nicht unmittelbar bzw. konkret betroffen sind, aber ein kollektives bzw. langfristiges Interesse erkannt haben. A.d.Ü.

[16] Jon Bekken, „Anarcho-Syndicalism and the Environmental Movement“, Libertarian Labor Review, Nr. 6 (Winter 1989), S. 15-6.

[17] Zitiert in: Burgman, „A Perspective“.

[18] Siehe David Pepper, Eco-Socialism. From Deep Ecology to Social Justice, London 1993.

[19] Jeff Shantz, „Syndicalism, Ecology and Feminism. Judi Bari’s Vision“, http://www.cvoice.org/cv3schantz.htm externer Link.

[20] Im Mai 1990 explodierte eine Rohrbombe in Baris und Cherneys Auto, die direkt unter dem Fahrersitz angebracht war und Bari schwer verletzte. Obwohl die Bombe mit einem Bewegungsmelder ausgestattet war (und somit offensichtlich der Eliminierung diente), reichte das FBI daraufhin eine Terrorismus-Klage gegen die beiden ein, weil sie eine Bombe mit sich geführt hätten (letztlich abgewiesen). Heute gibt es eindeutige Hinweise, dass das FBI selbst die Verantwortung für den Anschlag trägt. A.d.Ü.

[21] Jeff Ditz, „We Must Live in Harmony With the Planet“, Libertarian Labor Review, Nr. 10 (Winter 1991), S. 25.

[22] Shantz, „Radical Ecology“.

[23] Tree-Spiking ist eine Form, das Holzfällen zu sabotieren, indem z.B. Metallstangen in einen Baumstamm gehämmert werden und so die Sägen beschädigt werden, die auf die Stangen treffen. Dies birgt die ganz reelle Gefahr für Arbeiter in sich, verletzt zu werden; so wurde z.B. 1987 in den USA ein Fabrikarbeiter schwer verletzt, als sein Sägeband an einen Baumstamm zerschmetterte, der Metallstangen in sich hatte. A.d.Ü.

[24] Paul Buhle & Nicole Schulman (Hg.), The Wobblies. A Graphic History of the Industrial Workers of the World, New York 2005.

[25] Ebd.


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