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Updated: 18.12.2012 15:51
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1968 . 2008: Drei Erinnerungen

Am 6. September 1969 titelt die Frankfurter Rundschau: "Streiks der Metallarbeiter weiten sich aus. Nach Rheinstahl nun auch Kampfmaßnahmen bei Mannesmann, Klöckner und im Saarland." Und die BILD-Schlagzeile vom 12.9.69 lautet: "Stahl und Kohle: Noch streiken 40 000" Darunter heißt es: "Die IG Bergbau bemüht sich fieberhaft, den wilden Streik zu beenden. Sie hat keinen Zweifel: In Dortmund schüren Linksradikale das Feuer! . In Italien traten über eine Million Metallarbeiter in den Ausstand. 800 000 Bauarbeiter wollen heute streiken. In Frankreich wurde durch einen Eisenbahner-Streik das Bahnnetz lahmgelegt." Wir SDSler hatten gerade die Arbeiterklasse neu entdeckt und fanden diese Ereignisse natürlich klasse. Ohne diese reale Bekräftigung unserer revolutionstheoretischen Gehversuche lässt sich gar nicht nachvollziehen, warum wir im September 1970 bei Opel in Bochum 13 Leute aus dem SDS und seinem Umfeld waren, die sich als Arbeiter und Arbeiterinnen betriebspolitisch zu engagieren begonnen hatten.

4. November 1993: die Westdeutsche Allgemeine Zeitung informiert auf Seite 1: "Betriebsräte für Generalangriff. Die Betriebsratsvorsitzenden großer Unternehmen und Verwaltungen im Ruhrgebiet haben DGB-Chef Meyer ultimativ aufgefordert, zu einem bundesweiten und branchenübergreifenden ´Generalangriff´ gegen den Abbau von Arbeitnehmerrechten aufzurufen. Das sei `das einzige Mittel, den Umbau unserer Republik zu verhindern`, heißt es in einem offenen Brief an Meyer. Der Brief ist unterzeichnet von Opel, Hoesch-Krupp, Nokia (Bochum), der Zeche Heinrich Robert (Hamm), Thyssen-Guss, Siemens (Witten) und vom Personalrat der Stadt Bochum. Die Arbeitnehmer-Vertreter warnen Meyer, die Zeit sei ´überreif`, mit generalstreikähnlichen Aktionen auf ´Angriffe gegen die Arbeitnehmer und sozial Schwachen durch Regierungs- und Unternehmerseite` zu reagieren." Was war passiert? Vorausgegangen war eine brechend volle Opel-Belegschaftsversammlung am 21. September 1993: der Betriebsrats-Vorsitzende Rolf Breuer berichtet empört über die Angriffe von Regierung und Unternehmern, insbesondere über den gerade vorgelegten Horrorkatalog von Forderungen des Opel/GM-Managements mit der Androhung, 8.000 Arbeitsplätze zu vernichten ! Damit sollte die Reihe der bis heute folgenden Verzichtsvereinbarungen eröffnet werden. Breuer damals vor mehreren Tausend Opel-Kolleginnen und Kollegen: "Das wird zu Arbeitsniederlegungen kommen!" Und dann, unter tosendem Beifall: "1968 haben die Studenten Bonn flottgemacht. Das müsste uns doch wohl auch gelingen!" Danach ging vom Opel-Betriebsrat die Initiative zu der betriebs- und branchenübergreifenden Aufforderung an die DGB-Führung aus.

Betriebszeitung der Opel-Bochum-Betriebsgruppe "GoG - Gegenwehr ohne Grenzen" 10 Jahre später, im April 2003. Wir erinnern an die Aktion vom November 1993 und fragen: "Generalstreik? - Endlich die passende Antwort auf die neuen Hartz-Gesetze zur Ausweitung der Leiharbeit, auf die geplanten Streichungen von Arbeitslosenhilfe und Krankengeld, noch mehr Zuzahlungen bei Krankheit, Kürzung beim Arbeitslosengeld, Abbau des Kündigungsschutzes usw ?? Der DGB will so eine Aktion nicht. Das beweist auch seine Reaktion auf den Brandbrief an den DGB-Chef 1993: ´ . Wir arbeiten an einer Präzisierung unserer Alternative zu den Krisenbewältigungskonzepten von Bundesregierung und Arbeitgeberverbänden . und werden in nächster Zeit dazu beraten und Beschlüsse fassen. Mit frdl Grüßen´ . blahblah. Diese damalige Ablehnung des Aktionsvorschlags aus dem Revier seitens der DGB-Führung war typisch. Bloß nicht die Masse der Mitglieder und der von den Sozialangriffen Betroffenen auf die Straße holen! Auf keinen Fall die Profitmaschinerie der Unternehmer stoppen! Lieber dann ein Bündnis für Arbeit und Wettbewerbsfähigkeit` mit den Arbeitgebern und der Regierung. - Ergebnis: viele Kolleginnen und Kollegen resignierten noch mehr. . Fehler damals: Wollen wir uns gemeinsam wehren, können wir nicht auf die Gewerkschaftsspitzen warten!

Diese Leute gehören bei uns im Land zur politischen Elite der ´Wettbewerbsapostel`. Sie wollen Sicherung der Unternehmerprofite an erster Stelle. Die meisten sind als SPD-Mitglieder (manche auch CDU oder Grüne) eng mit ihren Parteiführungen verzahnt, gehören eher zu den Reichen im Lande und verstehen sich ausdrücklich als Co-Manager." (weiter nachzulesen unter: www.labournet.de ) So haben wir mit unserer Zeitung zu einer Diskussion in der Belegschaft und zu einer Entwicklung beigetragen, die im Oktober 2004 zum 11 Schichten dauernden selbständigen Streik bei Opel-Bochum gegen die erneute Androhung massiven Arbeitsplatzabbaus geführt hat, gegen den Willen der BR-Mehrheit und der Gewerkschaftsführung. Eine unserer wichtigsten Erfahrungen: es gab eine ungeahnte Solidarität aus der ganzen Bevölkerung, weit über Bochum hinaus! Und ohne diese Erfahrung ist auch die wunderbar breite Solidarität mit der Bochumer Nokia-Belegschaft samt zweistündigem Solidaritätsstreik bei Opel im Januar 2008 kaum zu erklären.

Artikel von Wolfgang Schaumberg

Vorabdruck im labournet genehmigt: Der folgende Artikel erscheint in der September-Ausgabe der Zeitschrift Amos. Bei der Tagung "68er - Bochum/Ruhrgebiet" am 8./9.3.08 wurden diese "Erinnerungen" vorgetragen.


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