Deutschland als "Spielverderber" für ein europäisches Sozialmodell -
Und kein Weg zum solidarischen "Nordischen Modell" ?
Wenn Deutschland sich durch eine massive Lohndumpingstrategie zum Exportweltmeister - noch dazu unter dem gemeinsames Dach des Euro - aufschwingt, verstärkt es mit seinen Leistungsbilanzüberschüssen auf der eine Seite die Ungleichgewichte in der Weltwirtschaft, die jetzt in der Krise zu einer Lösung drängen. Auf der anderen Seite jedoch übt dieses Lohndumping enormen Druck auf alle lohnpolitisch gefestigteren Systeme aus, die die Verteilungsspielräume ökonomisch angemessen ausschöpfen können - wie z.B. im Nordischen Modell -, während in Deutschland das Lohnniveau weiterhin klar unter dem Preis- und Produktivitätszuwachs blieben. Einen aktuellen Überblick dazu gibt noch einmal der Europäische Tarifbericht des WSI .
(www.boeckler.de/pdf/wsimit_2008_09_schulten.pdf )
Zur genaueren Positionsbestimmungen - auch gegenüber dem Nordischen Modell - seien daraus einige Sätze zitiert : Die lohnpolitische Sonderstellung Deutschlands in Europa zeigt sich bei einem Vergleich der Reallohnentwicklung seit dem Jahr 2000 : Deutschland ist das einzige Land, das mit minus 0,8 Prozent Reallohnverluste zu verzeichnen hat, während im gleichen Zeitraum die Reallöhne in Frankreich um 9,6 Prozent, in Schweden um 17,9 Prozent und in Großbritannien sogar um 26,1 Prozent ( letzteres konnte durch eine Abwertung des Pfundes wieder ausgeglichen werden )
(vgl. Schulten/ WSI, S. 475).
In Frankreich - unter dem Dach des Euro - und Schweden (Bindung an den Euro) kann dem deutschen lohnpolitischen Druck nach unten als permanente Abwärtsspirale nicht ausgewichen werden.
Und speziell zum "Nordischen Modell hält der EU-Tarifbericht noch fest : In den skandinavischen Ländern sichert das sogenannte "Ghentsystem", in dem die Gewerkschaften die Arbeitslosenversicherung verwalten, einen nach wie vor außerordentlich hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad und damit verbunden eine hohe Tarifbindung (S. 477).
Deutschland: Und die Löhne sinken auch im Aufschwung.
Das Menetekel für das deutsche Lohnfindungssystem schrieb dann das Jahr 2007 mit dem harten Urteil "zu leicht befunden", um ökonomisch sinnvolle Löhne zu schaffen. Hier trat noch einmal die lohnpolitische Sonderstellung Deutschlands besonders krass hervor. Trotz des Konjunkturaufschwunges - und dies ist bisher einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik - sanken die Löhne. Noch nie zuvor ist.ein Aufschwung mit dem anhaltenden Rückgang der Reallöhne einhergegangen. So verzeichnete Deutschland 2007 mit einem Minus von 1,1 Prozent wieder einen deutlichen Reallohnverlust, der weiter die gesamte Entwicklung in Europa nach unten drückte. Das bleibt für die Funktions(un)tüchtigkeit des deutschen Lohnfindungssystems in Erinnerung.und die Politik kann sich dieses Ergebnis ihrer Maßnahmen in lohnsenkender Absicht als "Verdienst" ans Revers heften. So wurden die Gewerkschaften in ihrer Bedeutung derart "nachhaltig" geschwächt, um das "deutsche Modell" als Exportweltmeister durchzusetzen und aufrechtzuerhalten.Und die Ursachen der Schwäche des deutschen Lohnfindungssystems, die gerade im Aufschwung so deutlich wurde, beachte auch den IMK-Report nr. 27 vom März 2008 "Wer profitiert vom Aufschwung ?" - dort insbeondere die Seite Sieben www.boeckler.de/pdf/p_imk_report_27_2008.pdf
Gibt es noch eine Tarifautonomie (Art. 9 GG ) in Deutschland ?
Angesichts einer solchen Schwäche muss die Frage gestellt werden , ob die in unserer Verfassung ( Art. 9 GG ) als Grundrecht gewährleistete Tarifautonomie nicht in ihrer Substanz so eingeschränkt wurde, dass sie für Deutschland schon aufgehoben wurde ?
Dabei sei gerade daran erinnert, dass zu Zeiten der Rot-Grünen Regierung mit dem amtierenden Wirtschafts- und Arbeitsminister Clement der "Wissenschaftliche Beirat" dieses Ministeriums im Jahre 2003 eben diese Aufhebung des Grundrechtes der Tarifautonomie forderten. Für die Neoliberale "Creme" der deutschen Ökonomen war der Art. 9 GG sozusagen eine systemwidrige - weil den neoliberalen und marktradikalen Glaubensätzen widersprechende - Verfassungsnorm ( siehe Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit , "Gutachten des Wissenschaftlichen Beirates "Tarifautonomie auf dem Prüfstand" vom 27. 11. 2003
www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/G/gutachten-tarifautonomie-auf-dem-pruefstand,property=pdf,bereich=bmwi,sprache=de,rwb=true.pdf
Nun der EuGH vollstreckt inzwischen gerade auch für Schweden - diese Doktrin und damit die Beseitigung von Tarifautonomie und Streikrecht (Siehe Martin Höpner u.a., "Die Politische Ökonomie der europäischen Integration", S. 23 ff.)
Ja, ist es so nicht viel einfacher politisch "über die Bande spielend" : Deutschland gibt mit seiner politisch initiierten Lohnsenkung in der EU ökonomisch den Takt vor und die Institutionen der EU schreiben dann qua EU-Verfassung diesen Weg nach unten als einzig möglichen vor ? Und es hat einen Vorteil : diese faktische Abschaffung der Tarifautonomie wird so kompliziert, dass sie anscheinend nicht jedermann/frau sofort auffällt. Und das neoliberale Diktat, das in dieser Krise so offensichtlich in seiner dogmatischen Einseitigkeit sein Scheitern vorexerziert, wird mit der EU-"Verfassung" zur alleinseligmachenden Staatsdoktrin in Europa - mit der gleichzeitigen Beseitigung traditioneller Grundrechte in einer Demokratie
(siehe hierzu den französischen Arbeitsrechtler und Rechtsphilosophen Alain Supiot
www.journaldumauss.net/spip.php?page=imprimer&id_article=283 )
Bleibt jetzt für Deutschland "zwangsweise nur die Rolle als Spielverderber für ein soziales Modell in Europa übrig ? Und gibt es keinen Weg in die Richtung zu einem
Solidarischeren Modell wie z.B. dem Nordischen Modell ? Die deutsche Politik wird es entscheiden müssen, ob eine Umkehr möglich gemacht wird.
Es wird jetzt also auch zur Frage, ob die deutschen Gewerkschaften von diesem radikal reformistischen Ansatz der Skandinavier in aller Konsequenz auch lernen können. Und die deutsche Politik ihnen dafür einen Gestaltungsspielraum eröffnet - Und diese Weltwirtschaftskrise bietet Gelegenheit dazu.
Es ist manches noch etwas verkürzt und "kursorisch", aber die Zeit drängt jetzt ein wenig zum Umdenken - sozusagen "Wann, wenn nicht jetzt !" Dennoch wenn ich es so ausdrückte, dass ich mich durch den "Dschungel" der Darstellungen des "Nordischen Modells" weiter durchkämpfe, so bin ich der Auffassung , dass Schweden und das "Nordische Modell" generell immer noch auf eine angemessenen Würdigung durch eine "Politische Ökonomie" - auch im europäischen Kontext und Vergleich - warten.
Ich hatte dazu schon einmal "Fingerübungen" unternommen. (Siehe http://www.labournet.de/diskussion/eu/sopo/bahl.html )
Der Stellenwert der internationalen ökonomischen Ungleichgewichte -
Und in der Krise brechen sie hervor
Dazu sei kurz noch einmal der Stellenwert skizziert, in dem diese Darlegung hier - sozusagen als ein Teil - einer politisch und ökonomischen Gesamtstrategie zu verorten ist. Es geht nicht um die Lösung der Finanzmarktprobleme, die ein Auslöser für diese Krise wurden, so dass eine Rezession in eine große Depression umzuschlagen droht.
Die dafür notwendige neue Finanzarchitektur muss in einer internationalen Koordinierung (z.B. G 20) geleistet werden. Den Grundsatz dafür hat der ehemalige US-Notenbankpräsident Paul Volcker als Berater von US-Präsident Obama formuliert : Jedes Finanzinstitut , das die Stabilität des Systems bedrohen kann, muss künftig unter staatliche Regulierung fallen... (Dazu auch der Alt-Kanzler Helmut Schmidt in der "Zeit" vom 15.1.2009 - "Wie entkommen wir der Depressionsfalle ?"
www.zeit.de/online/2008/43/vorab-finanzkrise )
Diese Forderungen des sozialdemokratischen Altkanzlers wurden von Oskar Lafontaine mit seiner Fraktion "Die Linke" auf die politische Bühne des Bundestages gehoben. Nur wusste die "obwaltende" Große Koalition von CDU und SPD damit nicht allzuviel anzufangen.
Und unzureichend ist es, wie die Spiegel-Journalisten als blinde Hühner laut gackernd über den Hof zu laufen : Die Pleite der Lehmann Brothers Investmentbank war es, die die Weltkrise über uns brachte. (Spiegel-Titel Nr. 11 vom 9.März 2009 "Der Jahrhundertfehler") So wird außer Acht gelassen, wie die ganzen Finanzmarkt-Deregulierungen in Deutschland, die die rot-grüne Schröder-regeirung noch die Krone aufsetzte, diese ganze "Abzockerei erst ermöglichten. Ein schönes Beisspiel nennt dabei der Spiegel-Artikel selbst : "Deutschland war offenbat Hauptziel der Spekulationen - von Lehmann Brothers - , weil Zertifikate der (windigsten) Art in Deutschland erlaubt sind - anders als in Frankreich und den USA - Dabei wurde gerade Deutschland mit seiner relativ hohen Sparquote - ganz im Gegensatz zur Verschuldung der amerikanischen Haushalte - zum beliebten Tummelplatz der Spekulanten. - Da muss man sich schon fragen dürfen, ob der Gauner ,der abzockt, der größere Lump ist oder die Regierung, die ihm diese Gaunerei an seinen Bürgern mit ihrem Ersparten ausdrücklich erlaubt ? Auch hier weist der Finger wieder zurück auf die deutsche Politik, die so alles ermöglichen wollte. In ihrer vordringlichen Absicht nur ja nicht die deregulierten - oder auch falsch regulierten (Basel II) - Finanzmärkte als Problem zu erkennen, bleibt den Spiegel-Leutchen eben nur durch Personalisierung auf einzelne die Schwäche des "Systems" zu sehen. In dieser Absicht sind sie fest verankert im politisch - medialen Komplex (Mehrheit der Politik und Mehrheit der Medien) in Deutschland, der hierzu steht wie festgefahren. Der Spiegel ist dafür nur "beispielhaft". Ihnen allen geht eben die klare Sicht des Wirtschafts-Nobelpreisträgers Stiglitz ab : "Mit dem Fall der Wallstreet ist der marktradikale Neoliberalismus untergegangen wie beim Fall der Mauer der Kommunismus" Dabei ist die zentrale Frage, wer auf die Idee kam und diese Idee durchsetzte, dass 25 % mehr Rendite das maß alles Wirtschaftens sein müsse - und damit die Realwirtschaft, die die Basis alles Wirtschaftens bleibt und in ihr diese Renditen selbst in einer "Sklaven"-Wirtschaft nicht auf Dauer erwirtschaftet werden können , ad Absurdum führte. Diese Frage warf jedoch Heiner Flassbeck auf der ATTAC-Konferenz am 7. März in Berlin in seinem Einleitungsreferat auf.
Und zu den Regulierungsnotwendigkeiten hat inzwischen auch das IMK ausführlich Stellung bezogen (www.boeckler.de/pdf/impuls_2009_05_2.pdf )
Hier in diesen Ausführungen geht es aber nicht zu diesem Komplex , sondern es geht um die - jetzt krisenverschärfende - Struktur der internationalen ökonomischen Ungleichgewichte: Leistungsbilanzüberschüsse - und auf welch sozial schädliche Art sie zustande kamen - , die dann mit den entsprechenden Leistungsbilanzdefiziten (z.B. USA) korrespondieren.
.. Und das alte Spiel geht weiter : China im Visier
Schnell gerät dabei China mit seinen Exportüberschüssen ins Visier der öffentlichen Aufmerksamkeit. So hat jetzt gleich der neue US-Finanzminister der Obama-Regierung ,Geithner, China vorgeworfen durch Manipulation der Währung in Richtung Unterbewertung .chinesische Handelsbilanzüberschüsse zu zementieren und damit den USA den Defizitabbau zu erschweren. Nur wird bei derartigen Vorwürfen geflissentlich übersehen, dass es gerade die Industrieländer waren - allen voran die USA - , die seit Anfang der 90-er Jahre die Entwicklungsländer zu einer raschen Öffnung der Kapitalmärkte drängten, ohne dabei gleichzeitig - nach der Auflösung des "Bretton-Wood-Systems" - ein funktionsfähiges globales Währungssystem anzubieten - und sich so der Wechselkurs "dank" internationaler Finanzspekulanten völlig unberechenbar entwickeln konnte. Flassbeck/Spiecker halten daher folgerichtig diesem recht einseitigen Vorwurf entgegen, bei einer derart unkoordinierten globalen Währungsordnung und einem weitgehend sich selbst überlassenen Devisenmarkt blieb einzig der relativ sichere Weg zu eigener ökonomischer Entwicklung nur die eine Variante, den Wechselkurs durch Zentralbankinterventionen auf einem unterbewerteteten Niveau zu stabilisieren. (Flassbeck/Spiecker, "Das Spiel geht weiter" in der TAZ vom 2.Febr. 09)
Die zuständige Außenministerin Hilary Clinton sah das wohl nicht so einseitig - und ihre erste Reise galt China, damit die riesigen Dollarrücklagen in China nicht die USA in der Krise zusätzlich destabilisieren. Sie setzte also auf Kooperation und Koordination - statt der alten Konfrontation.
Es wäre nämlich zynisch , wenn die Industrieländer ohne eine stabile Weltwährungsordnung China zum Verlassen dieses einzig erfolgreichen Weges zwingen wollten. -
Aber - und das bleibt bei der Diskussion der Überschüsse meist unerwähnt - da schoß doch Deutschland den Vogel ab : Dieses hat, hinter den Mauern des Euroraumes versteckt, mit einer Lohnsenkungsstrategie seine internationale Position in wenigen Jahren so sehr zu Lasten seiner Handelspartner ausgebaut, dass es fast die chinesischen Überschüsse - also eines wesentlich größeren Landes - erreicht. (Flassbeck/Spiecker)
Die "negative Integration" in Europa - und Deutschland als Taktgeber für die Spirale nach unten
Mit Blick auf Deutschland kommt zu diesen Überschüssen die soziale Schieflage hinzu, da diese gewaltigen Exportüberschüsse (Exportweltmeister) durch - auch politisch induziertes - Lohndumping erreicht werden konnten und so wird mit diesem so niedrigen Lohnniveau - speziell unter dem Dach des Euro - eine Spirale nach unten auch bei den anderen Ländern in Europa ökonomisch nahe liegen.
Und dieser ökonomische Druck wird dann noch durch die institutionellen Vorgaben der EU verstärkt - bzw. sogar zum politisch nicht korrigierbaren Diktat einer marktradikalen EU-Verfassung mit Hilfe des EuGH ausgebaut. Fritz Scharpf gab dieser Dynamik in der EU auf das niedrigste Niveau die Bezeichnung "negative Integration".(www.boeckler.de/163_91911.html )
und er fordert dringend eine politische Umkehr in der EU. Nur wir haben dieses Jahr auch Europawahlkampf vor uns - aber von der Forderung einer notwendigen Umkehr in der EU, um die Illusion des "Europäischen Sozialmodells" zu beenden und die Perspektive für ein wirkliches Sozialmodell zu eröffnen, ist - außer bei der Linken mit Lafontaine - nichts deutliches zu vernehmen. Stattdessen ratifiziert ein Parlament in Europa nach dem anderen diese EU-Verfassung, die zur verfasungsmäßigen Grundlage eines Weges in die stärkere soziale Verelendung wird - und systematisch nationale Verfassungsgrundrechte - wie z.B. die Tarifautonomie - aushebelt und für null und nichtig erklärt. (ausführlich Martin Höpner u.a., "Die politische Ökonomie der europäischen Integration", S.11 und 23 ff. - sowie www.boeckler.de/32014_94475.html
und www.boeckler.de/pdf/impuls_2009_05_4-5.pdf )
Prächtig wurde das Machtgefüge der EU , das die alten Prinzipien der Gewaltenteilung ( "Alle Gewalt geht vom Volke aus" )auf den Kopf stellt und das schwache Parlament zur bloßen Scheinlegitimation verdammt für das neoliberale Diktat der Kommission mit Hilfe der Judikatur, von Anne- Cecil Robert in dem Artikel "Die Klempner von Europa" analysiert ( Monde diplomatique vom März 2009, S. 1 und 10 f.
www.monde-diplomatique.de/pm/2009/03/13.mondeText1.artikel,a0004.idx,1 )
Deshalb muss es gleich weiter gehen mit den Möglichkeiten (oder sind es nicht schon längst Notwendigkeiten ?) für neue Perspektiven - durch den "Untergang des deutschen Modells" auf der Basis von Lohndumping ,und so wird es Zeit in dieser aktuellen Weltwirtschaftskrise sich nach Alternativen umzusehen. Aber zunächst zu der aktuellen Einschätzung, dass das "Deutsche Modell" an sein Ende gekommen ist:
"Das Ende des "Deutschen Modells" - Europa in der ökonomischen "Doppel"krise - nur einfach defizitär?
Und es ist so kein Ersatz für die bisherige Konjunktur"lokomotive" USA in Sicht !
- Inwieweit wird dieses Thema auch Teil des Europawahlkampfes (oder auch Bundestagswahlkampfes)? (oder müssen wir diese beiden bezüglich der brennend aktuellen Krisenprobleme einfach vergessen?)
Dabei hat es der Ökonom Gustav Horn (IMK) bezüglich der politischen Anforderungen für die Bewältigung dieser Krise so treffend für die notwendige Vorausschau , wie sich die Krise weiterentwickeln wird, auf den Punkt gebracht
- "Der Sinn von Prognosen ist doch, dass die Politik mit der ökonomischen Realität in Verbindung bleibt !" -
Um in diese Realität einzusteigen, würde ich sagen - so sehr ich Krugman und vor allem sein "Nach Bush" nicht nur schätze, sondern sogar richtig "liebe" (oh, allein dieses dritte Kapitel "Die große Kompression"!), nur für unsere ökonomische Situation reicht er nicht aus, sondern man sollte doch noch Flassbeck und Horn "ergänzend" dazunehmen, sonst entgeht einem einfach die Dimension des schlichten "Untergangs" des "Deutschen Modells". So muss ich hier doch noch eine Feststellung loswerden, da es sich wohl nicht nur um das Ende einer Wirtschafts"ideologie" - der marktradikalen - handelt, sondern auch das Ende des ganz speziellen ökonomischen "Deutschen Modells" - und eben nicht nur des "amerikanisch-angelsächsischen", wie hier die medialen Legendenerzähler postulieren - wie drückte das doch so plastisch Joseph Stiglitz, der Nobelpreisträger, aus : "Der Untergang der Wallstreet ist für die Marktradikalen das , was für den Kommunismus der Fall der Mauer war".
Der "Profiteur" der Exportüberschüsse muss in die globale Verantwortung..
Das "Deutsche Modell zeichnete sich dadurch aus, dass es ein Lohndumping-angetriebenes Wachstum allein über den Export erzielen wollte. Wenn man so will ist diesem Modell jetzt einfach der Stecker rausgezogen worden - und es ist somit zum Untergang verurteilt.
Wie umgehen mit den Arbeitsmarktreformen ?
Das betrifft jedoch gerade auch die Arbeitsmarktreformen (Hartz & Co.), die eindimensional auf dieses Modell ausgerichtet waren - und somit einfach jetzt in die falsche - lohnsenkende - Richtung zielen. Das beschreibt doch so hervorragend Ottmar Schreiner in "Die Gerechtigkeitslücke" , der es auch offen ausspricht, das Ziel dieser Reformen war es, die Löhne zu drücken.
Was für einen "Deal" schlug dafür so voraussehend kürzlich Flassbeck/Spiecker vor : Die Gewerkschaften versprechen - jetzt in der Krise - sich lohnpolitisch im vernünftigen Rahmen ("Lohnpolitische Spielregel") zu verhalten, und im Gegenzug dazu sagt die Politik zu, diese "Flexibilisierung des Arbeitsmarktes" - sprich Lohnsenkungsprogramme a la Hartz & Co. - rückgängig zu machen. Falls die Gewerkschaften nicht selbst auf diesen "Deal" kommen, könnte man ihn ihnen auch vorschlagen..... (dies war ja so wunderbar in der "Monde diplomatique" (vom November 2008: www.monde-diplomatique.de/pm/2008/11/14.mondeText1.artikel,a0057.idx,12
bei Flassbeck u.a. nachzulesen) Das wirkt zwar nicht mehr in der notwendigen kurzfristigen Sicht (Horn et al. : Konsumgutscheine), aber längerfristig ist das eine dringend anstehende Reform "rückwärts".
Deshalb habe ich jetzt aktuell (Europa-Wahlkampf und das ökonomische Verhältnis zu den USA !) zur Vertiefung des ökonomischen Verständnisses, was jetzt ansteht - wie meint doch Horn so deutlich, den meisten Ökonomen ist noch gar nicht die globale Verantwortung von Deutschland klar - "etwas" Flassbeck & Co. angehängt, der das Bisherige zur europäischen Dimension mit der Blickrichtung gerade auch auf die bisherige Konjunkturlokomotive USA - noch verdeutlicht. (und sinnvollerweise ist das auch ausführlich bei Flassbeck selbst ("Ende der Massenarbeitslosigkeit") genauer nachzulesen!)!
Kann auch die EU flexibel werden ?
Und es bleibt bzw. wird zur zentralen Frage , ob Europa mit seinen Institutionen einfach nur ein unfähiger - neoliberal fixierter und einbetonierter - Koloss bleibt (dazu ausführlich Martin Höpner a.a.o.) - mit sozial - je nach "Reaktion" - katastrophalen Folgen für die EU-Bürger - oder ob die EU auch selbst so flexibel ist bzw. jetzt ganz schnell wird - und in ihr eben Deutschland - , dass sie in dieser "Großen Depression" lernfähig wird. (Etwas , was "man" politisch bisher in der EU nur neoliberal orientiert von dem sozialen Einzelwesen Mensch einforderte!) (= unter dem letzten Link (= Prognose "Am Rande des Abgrunds") Aber, was man/frau auch immer von Prognosen halten mag, so ist dieses Interview mit Gustav Horn mit dem Verweis auf die hinter den Prognosen stehende Wirtschafts-"Philosophie" - was denn sonst ? - nicht ohne Charme !
Sinn und Unsinn von ökonomischen Prognosen - Krisen lösen sie keine aus - Jedoch ihre Genauigkeit hängt auch von der "Philosophie" ab! / Interview mit Gustav Horn / IMK
Ausgangspunkt dieser Diskussion um Prognosen war zunächst die "Financial Times Deutschland" (FTD), die kürzlich Gustav Horn (IMK) zum Prognostiker des Jahres erklärte, weil er unter 50 Prognostiker - und mit weitem Abstand in der Prognose muss man sagen - als einziger mit dem IMK die Wachstumsrate für 2008 vorhergesagt - eben prognostiziert - hatte, die der tatsächlich dann eingetretenen am nächsten kam. Durch dies veranlasst oder aus eigenem Antrieb schlug der DIW-Chef Klaus Zimmermann vor,für Prognosen ein Moratorium zu erlassen - nun wenn die "Halmmelherde" von 50 Ökonomen so danebenhaut, dann lässt man es besser - so denkt wohl Zimmermann. Wäre es nicht viel nützlicher zu fragen, wie der eine Prognostiker zu einem so realistischen Ergebnis kam... Ach, ich glaube davon sind wir erst einmal noch weit entfernt!
(siehe dazu:
Gleichschaltung der Wirtschaftswissenschaften www.nachdenkseiten.de/wp-print.php?p=333
sowie: Über Methoden, mit denen Neoliberale die Säuberung des DIW recht-fertigen : www.nachdenkseiten.de/wp-print.php?p=549 )
Und wie geht es weiter in der Krise - mit einer anderen Philosophie?
So hören wenigstens wir einmal Gustav Horn zu, wie er das so macht:
"Auch gute Prognosen sind unsicher . Wie sehr, das hängt davon ab, wie kompliziert die wirtschaftlichen Zusammenhänge sind, die sie einfangen müssen. Die aktuelle Situation, wo verschiedene Krisen zusammenkommen und es um die gesamte Weltwirtschaft geht, ist sehr kompliziert.
Wir haben Deutschland sehr gut im Blick, aber sehr viele Faktoren, die im nächsten Jahr eine große Rolle spielen werden, haben sich in den deutschen Daten noch gar nicht richtig niedergeschlagen.
Wenn auch die Prognosen unsicher sind, ist es Unsinn, dass man aus ihnen nichts lernen kann, wie DIW-Chef Zimmermann behauptet. Es ist nun tatsächlich so, dass die Prognosen des DIW zuletzt Substandard waren. Im Sommer als alle anderen Institute längst die Risiken sahen, beharrten die Experten des DIW noch darauf, dass die deutsche Wirtschaft bestens gewappnet sei. Die haben also ein Problem...
Und auf die Frage, was denn das IMK anders mache als das DIW erklärt Gustav Horn die andere Philosophie des IMK: "Das DIW arbeitet, wie viele Institute in Deutschland, mit Modellen, in denen Krisen nur in Dellenform vorkommen. Das heißt, sie gehen davon aus, dass der Markt nur kurzfristig aus dem Tritt kommen kann und sich automatisch schnell wieder beruhigt.
Dies ist eben eine Frage der Philosophie!
Aber diese Modelle taugen jetzt überhaupt nichts. Wir arbeiten mit keynesianischen Modellen, in denen auch langanhaltende Krisen möglich sind.
Der Sinn von Prognosen ist doch, dass sie dafür sorgen, dass die Politik mit der Realität in Verbindung bleibt.
Vor allem die Negativ-Szenarien zeigen, was passiert, wenn die Wirtschaftspolitik nicht handelt, sondern wartet.
Sie lassen sich deshalb auch widerlegen - dadurch, dass die Politik jetzt die richtigen Instrumente einsetzt, um die Konjunktur zu stimulieren...."
(TAZ http://www.taz.de/1/archiv/print-archiv/printressorts/digi-artikel/?ressort=wu&dig=2008%2F12%2F22%2Fa0056&cHash=17b6d3f05a&type=98 )
Zur stärkeren Vertiefung muss man dazu jedoch des weiteren aktuell auf den IMK-Report Nr. 35 zurückgreifen, was hier nur sehr zusammengefasst wieder gegeben wird: "Am Randes des Abgrunds" - Prognose der wirtschaftlichen Lage 2009 - nebst den "Wirtschaftspolitischen Empfehlungen in schwieriger Zeit" (S. 21 ff.: http://www.boeckler.de/pdf/p_imk_report_35_2008.pdf )
Die Doppelkrise mit Doppelstrategie angehen
Hier gibt es zu Europa so wichtige Aussagen. Zuerst wird festgestellt, dass es sich um eine "Doppelkrise" handele, die auch in einer "Doppelstrategie" anzugehen sei:
Zur Bekämpfung der (Konjunktur-) Krise der Realwirtschaft wird angemerkt "Die Hauptlast der Stabilisierung liegt also derzeit bei der Finanzpolitik. Erforderlich ist ein europäisch abgestimmtes Konjunkturprogramm in Höhe von rund 2 % des BIP. Dies zeigen Simulationen verschiedener Konjunkturprogramme mit dem IMK-Modell. Nationale Alleingänge innerhalb des Euroraumes vermindern deren Effektivität nennenswert. Erneut wird deutlich, wie wichtig die europäische Dimension ist. Die Gefahr ist groß, dass sich die einzelnen Länder mit Konjunkturprogrammen, die sie im Alleingang umsetzen, verzetteln. Dadurch wird die Effektivität der europäischen Antwort enorm eingeschränkt.... (S. 23) Diese Weltwirtschaftskrise wird also die große Herausforderung für die Institutionen der EU!"
Und weiter unten wird dies bezüglich der Krise der Finanzmärkte - eben eine "Doppelkrise" - fortgesetzt: "Beim Rettungspaket der Bundesrepublik für den Bankensektor ist auch die ungenügende Koordination auf europäischer Ebene problematisch. Abgesehen davon, dass in den europäischen Ländern unterschiedliche Vorgehensweisen zur Rettung des Bankensystems gewählt wurden, bei den sich im Nachhinein noch Kompatibiltätsprobleme herausstellen könnten, sind selbst bei Wahl vergleichbarer Maßnahmen die Konditionen ungenügend aufeinander abgestimmt worden....
Eine bessere Absprache auf europäischer Ebene ist daher dringend erforderlich (- auch hier ! )." (S. 23)
.. und der "rausgezogene Stecker" für das allzu einseitige deutsche Export-Wachstum: die fehlende US-Lokomotive
Aber es geht der Blick weiter auf die Rolle von Europa und insbesondere auch Deutschland nicht nur für die wirtschaftliche Bedeutung in dieser Krise , sondern auch für die Zeit nach dieser Krise :
"Die US-amerikanische Wirtschaft kann nicht mehr in dem Maß wie zuvor Motor der Weltwirtschaft sein, da ihre binnenwirtschaftliche Expansion mit hohem Importsog auf den tönernen Füßen eines schlecht regulierten Finanzsektors und überschuldeter Haushalte stand. Diese Rolle müssen jetzt andere übernehmen - und hier sind neben China gerade auch Europa, und dort vor allem Deutschland zu nennen, dessen globale Verantwortung von der Politik und auch von vielen Ökonomen noch nicht hinreichend erfasst wird "(auch S. 23)
Dies kann noch so schön ergänzt werden durch ein Zitat von Flassbeck et al., das noch einmal dieses ökonomische Verhältnis von Deutschland zu den USA deutlicher hervortreten lässt - mit all seinen so ekklatanten Mängeln. Deutschland und die USA hängen eben zusammen wie der Stecker mit der Steckdose aus der der Strom bisher kam - also auch "spiegelbildlich":
Zunächst zeigt Flassbeck die ökonomisch so negative Wirkung der Bundesbank - und in ihrer Nachfolge der Europäischen Zentralbank (EZB) - auf : "Der Monetarismus bzw. die Interpretation desselben durch die Bundesbank hatte Anfang der 1980-er Jahre gesiegt und hat die deutschen Wachstumschancen für die nächsten beiden Jahrzehnte radikal vermindert. Seit 1983 hat es Deutschland auf ein durchschnittliches Wachstum von 2 % gebracht, die USA dagegen sind mit 3,3 % klar vorbeigezogen" Nach der Schilderung der erfolgreichen Geldpolitik in den USA durch die FED - ganz im Gegensatz eben zu Deutschland - schreibt Flassbeck : "Kritiker der amerikanischen Geldpolitik oder solche ,die keinerlei Zusammenhang zwischen der amerikanischen Geldpolitik und dem amerikanischen Wachstum wahrhaben wollen und daher auch keine Notwendigkeit sehen, in Europa einen ähnlichen Versuch zur Verlängerung von Aufschwungphasen zu starten, werden an dieser Stelle einwenden, dass das amerikanische Wachstum doch auf tönernen Füssen stehe, weil es auf einer starken Konsumneigung der privaten Haushalte und spiegelbildlich dazu einer äußerst geringen Sparbereitschaft beruhe, was sich in einer horrenden Auslandsverschuldung niederschlage. Diese sei so nicht länger durchhaltbar und folglich stünde ein Einbruch der amerikanischen Konjunktur bevor (= wohl noch vor der gesamten Rezession, deren Ausmaß zur Zeit sich abzuzeichnet , geschrieben), den dann auch die expansivste Geldpolitik der Welt nicht aufzuhalten in der Lage ist (was wir derzeit auch erleben "dürfen").
Dazu fährt Flassbeck jedoch fort: "Diesem Einwand ist entgegenzuhalten, dass es spiegelbildlich zu einer Defizitposition immer auch eine Überschussposition geben muss. Wer profitiert denn seit Jahren vom amerikanischen Wachstum ? Doch wir Deutsche im Verein mit den Japanern. Wir benutzen die USA als Konjunkturlokomotive und bauen mit unserer Strategie des Lohndumping enorme Überschüsse auf. - Mit anderen Worten : Die Amerikaner können eine sinnvolle Konjunkturpolitik betreiben wie sie wollen, wenn die Eurozone und Japan sie dauernd torpedieren, können die Amerikaner die Geschicke der Weltwirtschaft nicht sinnvoll lenken, dafür ist das Gewicht der EWU und Japans zu groß und die Weltwirtschaft zu globalisiert. Auch hier gilt wieder : Monetäre Abschottung von den Handelspartnern ist in einer globalisierten Welt nicht möglich, geistige hingegen offenbar schon!
(aus: Heiner Flassbeck und Friederike Spieker, "Das Ende der Massenarbeitslosigkeit", S. 177ff., 180 und 181 f.)
Kann das Konjunkturprogramm II uns jetzt durch die Krise tragen? Oder doch noch die größte Rezession der Bundesrepublik
Aktuell kann dies im Januar 2009 noch ergänzt werden durch die Feststellung des IMK nach einem Durchrechnen der Maßnahmen der Bundesregierung in ihrer Wirkung auf die konjunkturelle Entwicklung : Mit dem Konjunkturprogramm II verringert sich der Einbruch beim Brutto-Inlandsprodukt nur um 2,4 Prozent im Jahresdurchschnitt. Das prognostizierte Minus von 3 Prozent wird also mit den Konjunkturstützungsmaßnahmen der Bundesregierung um 0,6 Prozent günstiger .Es muss jedoch gesagt werden, dass dieses Minus von 2,4 Prozent beim BIP immer noch die größte Rezession in der Geschichte der Bundesrepublik wäre. Und falls es nicht gelingt durch dieses Konjunkturprogramm - sein größter Fehler ist seine langsame Wirkung - das Entstehen von Arbeitslosigkeit zu verhindern, dann sind auch alle Hoffnungen auf den Konsum, der die Konjunktur stabilisieren könnte, vergeblich. Dann sinken die Einkommen - trotz der nachlassenden Inflationsrate. (S. 15 )
Das IMK hatte im Dezember ein Konjunkturpaket von 50 Milliarden Euro auf 2009 konzentriert gefordert (siehe oben IMK : "Am Rande des Abgrunds"). Bei einem Investitionsvolumen von 30 Milliarden Euro und sofort wirksamen Konsumschecks in Höhe von 20 Milliarden Euro hätte ein dreimal so starker Effekt und ein deutlich höherer Multiplikator erreicht werden können (S. 14:
www.boeckler.de/pdf/p_imk_pb_11_2009.pdf )
... und ein Teil der Prognose wird Realität : Das Export-Standbein
bricht weg
Wie folgenreich für das einseitig exportorientierte "deutsche Modell" das Ausbleiben der Konjunkturlokomotive USA wird, zeigten dann schon rasch die Zahlen für Ende 2008 auf : Der Exportweltmeister Deutschland wird von der weltweiten Wirtschaftskrise besonders hart getroffen. So sank das Bruttoinlandsprodukt um 2,1 Prozent - und damit weitaus stärker als in allen anderen europäischen Staaten! Nach den Berechnungen des Statistischen Bundesamtes handelt es sich um den stärksten Einbruch der Wirtschaftsleistung eines Vierteljahres seit 1987 - und macht Deutschland zum Schlusslicht in der Europäischen Union. Die Wirtschaftsleistung aller europäischen Länder sank im Schnitt lediglich um 1,5 Prozent - das ist immerhin der schwerste Einbruch seit Einführung des Euro. (z.B. Frankreich 1,2 Prozent - Italien 1,8 Prozent) Diese Empfindlichkeit des deutschen Modells beruht auf dem enormen Anteil des Exportes an der Wirtschaftsleistung, der 40 Prozent beträgt ( Maschinenbau, Automobilindustrie). War der Export in dem Boomjahr 2006 noch die maßgebliche triebfeder der Konjunktur, so wird diese extreme Einsetigkeit jetzt in der Krise zur überdimensionalen Wachstumsbremse für Deutschland. (siehe SZ vom 14. Februar 09 "Exportabhängigkeit wird zum Nachteil - Rezession trifft Deutschland besonders hart" - S. 1 und Kommentar S. 4)
Nur ist es leider nicht eine ominöse "Globalisierung", die zurückschlägt, wie in seltsamer Realitätsverweigerung der Kommentator in der SZ glauben machen will, sondern der seit langem politisch gepflegte Glaube an die immer größere einseitige Ausrichtung auf den Export - unter konsequenter Außerachtlassung der angerichteten sozialen Flurschäden -, der jetzt letztendlich zu diesem fragwürdigen "Erfolg" geführt hat. Es war diese "Totalität" des Glaubens an den Markt, der alles richten soll - selbst auf dem Arbeitsmarkt! - , die jetzt in diese Sackgasse führte, obwohl es sogar in Deutschland genügend warnende Stimmen vor diesem ökonomischen Irrweg gab.
(Zum Druck auf die gemeinsame Währung den Euro durch das "Deutsche Modell" siehe z.B. auch die Diskussion: "Ist es die Währung ? - Es sind die Löhne ! - zwischen Laurent Jacques und Hansjörg Herr - in : Monde diplomatique" vom Februar 2009, S. 4 und 5)
Wird also die EU auseinander gesprengt ?
Schon 2005 hatten Heiner Flassbeck und Ulrike Spiecker in "Die deutsche Lohnpolitik sprengt die Europäische Währungsunion" gewarnt. (WSI-Mitteilungen 12 / 2005 www.boeckler.de/pdf/wsimit_2005_12_flassbeck.pdf ,
aktuell : www.boeckler.de/32014_94345.html
sowie www.boeckler.de/pdf/impuls_2009_03_1.pdf )
Auf dieses Elend mit dem deutschen Lohndumping hatte dann auch schon 2007 der britische Historiker Perry Anderson in seinem "Europagemälde" ( "Depicting Europe" ) aufmerksam gemacht : so erwürgt Deutschland als wirtschaftliche Großmacht Europas die soziale Entwicklung - nicht zuletzt in den südeuropäischen Ländern (Perry Anderson "Depicting Europe" in: "London Review of Books" vom 20.9. 07, dort insbesondere die Seite 7: www.lrb.co.uk/v29/n18/print/ande01_.html )
So bricht jetzt in der Krise die Kontroverse auf, ob mit einer Rückkehr zu nationalen Währungen - mit der jeweiligen Möglichkeit auf- und abzuwerten - die entstandenen ökonomischen Ungleichgewichte in der Krise leichter gemanagt werden könnten (so Wilhelm Hankel in der FR vom 12.2. 09) Dazu hat Rudolf Hickel klar Stellung bezogen:
Einzelstaatliche Währungen wären noch viel massiver ein "Spielball" der Spekulation auf den Finanzmärkten ( siehe oben im "Nordischen Modell" ). Das Defizit in der EU ist die fehlende makroökonomische Koordinierung - und in diesem Rahmen kommen auf Deutschland drei Anforderungen zu , um diese krassen ökonomischen Ungleichgewichte - gerade auch in Europa selbst - auszugleichen
- die Exportüberschüsse müssen abgebaut werden
- und parallel dazu bedarf es wieder einer expansiven Lohnpolitik
- verbunden mit einer expansiven Finanzpolitik:
um das bisher so vorrangige Standbein für das Wachstum, den Export, durch eine Stärkung der Binnennachfrage zu ergänzen. (Gastbeitrag von Rudolf Hickel "Rückkehr zur D-Mark wäre eine Katastrophe" - in FR vom 17. Februar 2009)
So bleibt unter dem Strich festzuhalten, in keinem anderen Land der Eurozone war die "Lohnzurückhaltung" seit Beginn der Währungsunion so stark wie in Deutschland. Das nützt - zumindest kurzfristig - der preislichen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft - auf Kosten der anderen Länder ! Mit der Zeit dämpft dies die Konjunktur in den Nachbarstaaten, die damit - längerfristig - auch weniger Waren importieren. Mit seinem die Löhne drückenden Verhalten hat Deutschland das Fundament der Währungsunion untergraben, denn in einer Währungsunion, in der es keine Wechselkurse mehr gibt, treten die nominalen Lohnstückkosten an deren Stelle. - Es wird also höchste Zeit , dieses deutsche Lohndumping auch für das weitere Funktionieren der Euro-Währungszone zu beenden. (Siehe Böckler-Impuls 3 / 2009-02-27 www.boeckler.de/32014_94345.html )
Kann die "Globalisierung" zurück schlagen ?
Greifen wir aber noch einmal diese oben zitierte Phrase "vom Zurückschlagen der Globalisierung" auf : Diese kollektive Blindheit des Gros der deutschen Ökonomen und ihrer Leitartikler in den Wirtschaftsredaktionen - jetzt so klassisch versteckt hinter dem windigen Begriff der Globalisierung - kann höchstens noch mit dem Märchen erzählt werden - "Des Kaisers neue Kleider" - und auch bei uns fehlten genügend die Realität noch wahrnehmende Kinderaugen: "Der ist doch nackt !"
Deshalb bleibt die Gefahr angesichts dieser in Deutschland so verbreiteten Neigung zur ideologischen Plattheit, dass unser Weg zur ökonomischen Realität weiterhin ein langwieriger werden wird - mit miserablen Folgen für Europa und auch einige Volkswirtschaften in Europa. Zu wichtig ist nämlich die ökonomische Rolle Deutschlands als dass die Anderen einfach darüber hinweg sehen könnten. Nur wie kann Deutschland - bzw. ihre Politiker zu einer klareren Sicht gebracht werden?
.. Und wann wird Deutschland seiner ökonomischen und sozialen
Verantwortung gerecht ?
Jedoch nicht alle Journalisten gebrauchten die Globalisierung als analytischen "Rohrkrepierer" und versuchten nicht bei diesem bewussten Zynismus gegen einen Großteil der eigenen Bevölkerung, die zu Niedriglöhnen verdammt wird.
(siehe noch einmal z.B. Gerhard Bosch u.a., in WSI-Mitteilungen 8/ 2008
www.boeckler.de/169_91997.html
sowie ders. auch zum Versagen des deutschen Tarifsystems: www.nachdenkseiten.de/?p=2912#more-2912
und aus diesen Gründen der Erforderlichkeit eines Mindestlohnes
www.nachdenkseiten.de/upload/pdf/0080423%20Bosch%20Mindestlohn.pdf )
mitzuspielen und ihn mit der Unschuld des Sachzwanges "Globalisierung" zu bemänteln.
Obendrein noch europaweit besondere Frauendiskriminierung.
Dabei wird diese allgemeine Diskriminierung im deutschen Lohnfindungssystem mit einem gewaltigen Niedriglohnsektor, der in dieser Größenordnung auch wieder einmalig ist in Europa, noch gekrönt durch spezielle Diskriminierungen - insbesondere von Frauen.
www.boeckler.de/32014_94416.html
Aber wenigstens dieser Aspekt ist im Wahljahr 2009 auf die politische Bühne gelangt - in einem Duell der Konzepte für Lohngleichheit zwischen der CDU-Familienministerin von der Leyen und dem SPD-Arbeitsminister Scholz (vgl. TAZ vom 20. März 2009 - S. 1 und 3 - sowie zur Bundestagsanhörung www.boeckler.de/pdf/wsi_text_entgeltgleichheit_ziegler.pdf )
Zu befürchten ist nur, dass sich wie beim Schröder-Vorstoss im Jahre 2001, der alles bei der Freiwilligkeit beließ, kein Deut bei in den Relationen der Ungleichheit der Frauen ändern wird. - Ja, auch hier könnte "frau" wieder in Richtung des "Nordischen Modells" schauen, wo man dann - wohl überzeichnend, aber mit einem wichtigen Kern - von "Staatsfeminismus" spricht.
Aber auf eine weitere - so deutschlandspezifische - Fehlentwicklung verweisen unsere Globalisierungs-AutorInnen : so schreiben Schumann/Grefe , indem sie zunächst auf den die letzten Jahre praktizierten Wahn der Politik hinweisen, einen möglichst "schlanken Staat" herzustellen, um radikal die "freien Kräfte des Marktes" zu stärken : "Während ihrer sieben Jahre in der Regierung mit dem damaligen Kanzler Schröder betrieben die Sozialdemokraten eine radikale Umverteilung von unten nach oben. Um zeitweilig bis zu 26 Milliarden Euro jährlich senkte die Schröder-Regierung die Steuerlast für Konzerne, Kapitalgesellschaften und Besserverdiener
- die "Erosion der Mittelschichten" (DIW) war das Fazit -
www.diw.de/documents/publikationen/73/79586/08-10-1.pdf
während sie gleichzeitig die Unterstützungsleistungen für Arbeitslose zusammenstrich. Seitdem bezieht mehr als die Hälfte der Empfänger von Arbeitslosengeld weniger als vor der "Reform". Vor allem aber stieg die Unsicherheit : Wer länger als ein Jahr arbeitslos war und ohne Vermögen ist, fällt unweigerlich in die Armut.. Der Anteil der betroffenen Leistungsempfänger die nach internationalen Maßstäben als einkommensschwach gelten, ist von gut der Hälfte auf zwei Drittel gestiegen." (Harald Schumann/Christiane Grefe, "Der globale Countdown - Gerechtigkeit oder Selbstzerstörung - die Zukunft der Globalisierung", S. 164)
.. und somit noch ein deutscher Sonderweg. " Das Jahrzehnt der Entstaatlichung"
Eine Bilanz des wieder spezifisch deutschen Sonderweges zum möglichst "Schlanken Staat" hat der Wirtschaftsweise Peter Bofinger unter dem Titel "Das Jahrzehnt der Entstaatlichung" gezogen.
(www.boeckler.de/169_91929.html )
Bei diesem enormen Resourcenentzug für den deutschen Staat fragt er, wie es der deutschen Wirtschaft gelingen kann, sich im internationalen Wettbewerb ..zu behaupten ? Schon jetzt ist zu erkennen, fährt er fort, dass sich die Entstaatlichung zu Lasten der Zukunftsinvestitionen in den Bereichen Bildung und Infrastruktur ausgewirkt - verbunden mit einer Erosion des Wohlfahrtsstaates, die auch die politische Stabilität des Landes - auf Grund dieses gestörten Staatsverständnisses - gefährdet. (Peter Bofinger, "Das Jahrzehnt der Entstaatlichung" - in : WSI-Mitteilungen 7 / 2008, S. 351 ff.) Zu diesem - in Europa wiederum einmaligen - Sonderweg der Entstaatlichung in Deutschland bildet das "Nordische Modell" mit seiner hohen Staatsquote das totale Gegenstück - und kann dazu noch soziale Solidarität mit wirtschaftlichem Erfolg verbinden. Als ein probates gegenmittel gegen diesen spezifisch deutschen Wahn des möglichst "schlanken Staates" sieht Bofinger als ein probates Gegenmittel den internationalen Vergleich (Benchmarking) , um diesen Unsinn von dem durch eine angebliche "Globalisierung erzwungenen "schlanken und immer schlankeren Stat" aufzubrechen. (siehe dazu auch immer wieder Albrecht Müller "Reformlüge" und "Machtwahn - sowie ganz allgemein die Nachdenkseiten.de)
..... verbunden mit politisch forcierter Lohnsenkung
Aber gehen wir von dieser einen deutschen Obsession für einen möglichst klein zu haltenden Staat zurück zu der anderen Zwangsvorstellung, die Löhne zur Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit weitest möglich nach unten zu drücken. Schauen wir dazu noch einmal in die Globalisierungs-Darstellung von Schumann/Grefe : "Parallel dazu betrieb die Regierung Schröder eine Lohnsenkung auf breiter Front. Sie liberalisierte die Leiharbeit, die wiederholte Befristung von Arbeitsverträgen, die geringfügige Beschäftigung ( Minijobs zu Minilöhnen ) und betrieb die Auflösung der Bindung an Tarifverträge. Mit dem Umbau wurde lediglich erreicht, dass die Arbeit billiger wurde. Denn : Mit anziehender Konjunktur wurden nicht mehr Stellen geschaffen als während der vorangegangenen Wachstumsphase. Zwar fanden 1,5 Mio. Arbeitslose neue Jobs, aber überwiegend als schlecht bezahlte Leiharbeiter oder Kurzfristbeschäftigte. In der Folge stieg auch in Deutschland die Zahl der arbeitenden Armen steil an., obwohl sie arbeiten gingen (Schumann/Grefe, S.164)
Dies war ein so zutreffendes Urteil, dass es auch einem der letzten Sozialdemokraten im Bundestag, Ottmar Schreiner (MdB) , so gefiel, dass er es in seiner "Gerechtigkeitslücke" wiedergegeben hat..
Dringend erforderlich : mittelfristig soziale Schieflage korrigieren !
Wenn es schon für die erforderliche schnelle Wirksamkeit bei der privaten Nachfrage nützlich erscheint einfach Konsumgutscheine als erfolgversprechendes Instrument einzusetzen, so bleibt diese kurzfristige ökonomische Anforderung unbefriedigend für die vorhandene soziale Schieflage, die ja zur Grundlage des "deutschen Modells" wurde - und gerade die Binnennachfrage langfristig destabilisierte - und mit der ungleichen Verteilung nicht zuletzt auch ein Antrieb für den Druck der Finanzmärkte wurde.(Jörg Huffschmid, "Was Banken dazu treibt, hochriskante Geschäfte zu machen" - in : FR, vom 25. Febr. 09)
Deshalb hat eine Initiative von Wissenschaftlern gefordert ,diese durch die Arbeitsmarktreformen verursachte unsoziale Spaltung der Gesellschaft - vor allem durch eine Absenkung der Leistungen für Arbeitslose und durch eine wahre Explosion des Niedriglohnsektors (dazu Gerhard Bosch u.a., a.a.o.) - wieder rückgängig zu machen - durch ein Programm für die wahrhaft Bedürftigen (siehe Grottian, Narr, Butterwegge u.a. in ihrem Gastbeitrag in der FR vom 16. Januar 2008)
Hierdurch soll auch die langsam unerträglich gewordene soziale Ungleichheit angegangen werden.
Zu der Möglichkeit, diese sog. Arbeitsmarktreformen in einem "Deal" mit den Gewerkschaften jetzt in der Krise einfach wieder rückgängig zu machen, hatten wir auch schon auf den Vorschlag von Flassbeck / Spiecker (in der "Monde diplomatique" vom Nov. 2008 - siehe oben) hingewiesen.
Und last but not least hat der politische Praktiker Ottmar Schreiner zur Aufhebung der immer stärker sozial auseinanderdriftenden "gespaltenen Gesellschaft" einen "Pakt für soziale Gerechtigkeit" entwickelt. (Ottmar Schreiner, "Die Gerechtigkeitslücke", S. 223 ff.)
Wird die Politik zur Bewältigung der Krise überhaupt von ökonomischen Erwägungen getragen ?
Die vom IMK vorgebrachte Kritik an den deutschen Konjunkturprogrammen (von der Kapazität zu schwach und zu langsam ) wird noch massiv verstärkt durch eine Intervention des Wirtschaftsnobelpreisträgers Robert Solow, der unablässig für eine bessere Makropolitik in Europa kämpft. In einem "Manifest für eine gemeinsame Fiskalpolitik in Europa" (FR vom 10. Febr. 09) wird festgestellt "Viele Maßnahmen werden von politischen Erwägungen getrieben (Bundestagswahl!). Um die volle Wirkung zu entfalten, sollten sie aber von ökonomischen Prinzipien geleitet werden".
Und dieses Fehlverhalten der Politik im Angesicht der Krise wird in diesem Manifest mit Blick auf die zu erwartenden Folgen drastisch vor Augen geführt: "Die - zu beobachtende - passive Haltung im Euro-Raum könnte schwerwiegende Folgen haben.. und die Wirtschaft immer tiefer in eine lang anhaltende Stagnation versinken (lassen). Die Opportunitätskosten zu zaghaften Handelns sind enorm hoch".
... und Frankreich zieht eine Trumpfkarte
Wie hieß es doch "Sarkozy brüskiert Brüssel" (SZ vom 10.Febr. 09) , als Frankreich in diesem Spiel mit gezinkten Karten durch Deutschlands Lohndumping eine Trumpfkarte auf den Tisch legte : Der französische Staatspräsident verband die Staatshilfen für die französischen Automobilkonzerne mit der Auflage nur in Frankreich einzukaufen. Was da von deutscher Seite dann so lauthals "brüskiert Brüssel - brüskiert Europa" genannt wurde, war doch nur eine angemessene Selbstverteidigung gegen den durch permanentes Lohndumping erzielten Wettbewerbsvorteil Deutschlands. Ja sollte der französische Regierungschef mit seinen Steuer- bzw. Staats-Milliarden - immerhin 6 Milliarden Euro - die in der Krise jetzt notleidenden - weil auf den Export so fixierten - Automobilzulieferer Deutschlands fördern?
Für Frankreich war der deutsche Weg zum Lohndumping durch das sehr durchsetzungskräftige französische individuelle Streikrecht mit der dazu gehörenden Streikbereitschaft der Franzosen verwehrt - zum Glück für Europa muss man sagen! (siehe zur Entwicklung der Streikbewegung - zuletzt am 19. März 2009:
Generalstreik bricht alle Rekorde: 3 Mio. Beteiligte!
www.labournet.de/internationales/fr/generalstreik09.html)
Schon am 29. Januar 09 hatten die Franzosen an einem Streiktag gezeigt, was sie von der Politik ihres Präsidenten in der Krise - vor allem für die Reichen halten. (TAZ vom 29. Januar 09, "Frankreich streikt gegen die Krisenpolitik" (Ausland)
Der Weg einer Politik zu Lasten der Mehrheit der Bevölkerung - wie in Deutschland - hatte also in Frankreich seine Grenzen.
Mit dieser Streikbewegung im Kreuz entschloss sich Sarkozy also zur Vorwärtsverteidigung gegen den alle desavouierenden Spielverderber Deutschland, der "dank" seines schwächelnden Tarifsystems, das die Politik durch Arbeitslosigkeit und Arbeitsmarktreformen noch enorm unter Druck gesetzt hatte, so billig exportieren konnte.
Ein Vergleich zwischen Deutschland und Frankreich lässt empirisch dann auch die deutlich stärkere französische Binnennachfrage, weil dort die angemessenen Lohnspielräume optimal ausgeschöpft wurden, hervortreten (siehe die Studie "Frankreich ein Vorbild für Deutschland?" - IMK-Report Nr. 31: www.boeckler.de/pdf/p_imk_report_31_2008.pdf )
Der Mindestlohn wird zur Mindestbedingung
Nur ist diese Stärke nicht allein auf den Mindestlohn zurückzuführen. Der Mindestlohn wird zwar für das deutsche Tarifsystem zur dringenden Mindestbedingung ( "conditio sine qua non" ) Er reicht jedoch längst nicht aus , um die Beschädigungen der Tarifautonomie in Deutschland durch die Arbeitsmarktreformen auszugleichen.. Oder wie Ulrike Herrmann es in der TAZ so schön plastisch ausdrückte : Das Originellste an der Mindestlohnforderung der SPD ist, dass ihre Reformen ihn erst so richtig notwendig gemacht haben.
(Eine guten Überblick über den aktuelle Stand der Mindestlöhne bietet der
WSI-Mindestlohnbericht 2009 www.boeckler.de/pdf/wsimit_2009_03_schulten.pdf )
Insgesamt naht aber wohl mit Blick auf die anstehenden Gipfeltreffen (G 8 und G 20) nicht nur für Sarkozy die Stunde der Wahrheit : Soll an diesem "deutschen Wesen" Europa genesen? So kommt es dann auch für die deutschen Politiker zum Schwur: Soll der Weg nach unten zum "Europäischen A-Sozial-Modell" weiter beschritten werden?
Können jetzt die europäischen Länder auf einem
gemeinsamen Spielfeld agieren ?
Wenn aber dann Angela Merkel die deutsche Bundeskanzlerin als Reaktion auf
Sarkozy verärgert meint, die Teilnehmer am Binnenmarkt müssten "schon auf dem gleichen Spielfeld bleiben" (SZ vom 12. Febr. 09 ), dann muss man ihr doch vorhalten, sie scheint gänzlich blind für die Rolle Deutschlands auf diesem europäischen Spielfeld zu sein - mit einem politisch gewollten Lohndumping. Ohne eine Problematisierung dieses ökonomischen Diktats aus Deutschland kann wohl in Europa keine gemeinsame Linie gefunden werden.
Mit diesem Beispiel wird aber umgekehrt auch deutlich, wie wichtig in Europa ein koordiniertes Vorgehen wird, das auch Wachstum für alle generiert - und nicht nur unter dem recht einseitigen Diktat des einen Dumping - Europameisters steht.
Der Wirtschaftsnobelpreisträger Robert Solow hat in dem schon zitierten Manifest die Nicht-Koordination allein unter dem Druck der nationalen Wirtschaftsinteressen folgerichtig auf den Punkt gebracht : "Angesichts dieser Unzulänglichkeiten droht die Gefahr wechselseitiger "Beggar-the-neighbor-Politik" - d.h. möglichst den Schaden zum Nachbarn rüber schieben. (vgl. dazu auch noch einmal Flassbeck/Spiecker, in der FR vom 26. Febr. 09 "Mit einer europäischen Lohnpolitik die Währungsunion retten")
Oder müssen wir in einem rasanten Verfallsprozess der neoliberalen Highlights - oder waren es schon falsche Götter? - in dieser Krise nach dem "vergesst die Wallstreet" (Robert von Heusinger) auch noch mit Blick auf die institutionell so neoliberal positionierte EU ausrufen "Vergesst dieses Europa", das neoliberale Eliten gegen Volkesstimme antidemokratisch und asozial einbetonnieren?
Die Krisenpolitik aus der Distanz betrachtet.
Wir rutschen gerade mitten hinein in diese Krise - und jeder Tag kann Prognosen wiederlegen oder bestätigen. - Versuchen wir doch jetzt einfach einmal diesen Nahblick zu verlassen und gehen einfach auf Distanz zu diesen bedrohlichen Szenarien für die deutsche Wirtschaft zu Beginn des Jahres 2009 - und "springen einfach einige Jahre , ja sogar Jahrzehnte, weiter in die Zukunft - ähnlich wie das dann John Kenneth Galbraith das mit seinem - dann rückblickend - "Der große Crash 1929" in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts gemacht hatte. Die Sueddeutsche hat dies in einem Artikel von Alexander Mühlauer versucht (SZ vom 3. Febr. 09 "Die Erinnerung an die vielen Nullen") - und ein wesentliches Fazit dieses Zeitzeugen - außer den vielen Nullen - könnte nach Jahrzehnten dann sein: "Die Politiker zementierten (alte) Strukturen und erreichten so, dass die Krise länger dauerte" - Und im Moment deutet nichts darauf , dass ein derartiges späteres Zeugnis günstiger ausfallen könnte.
Und was die Tragik dieses Ablaufes in die Krise erst so richtig abrundet - und es damit so richtig zum Drama werden lassen kann : Der Wähler wird im Superwahljahr 2009 (Europa, Bund und einige Länder) genau die Politiker wieder wählen, die in ihrer Ignoranz und dogmatischen Marktradikalität uns so konsequent in diese Krise hineinmanövriert haben.- siehe z.B. die Hessenwahl.So herrscht wohl die Einbildung noch vor, die die uns in dieses Schlamassel - ach es wird schon nicht so schlimm kommen - hineingeführt haben, sind auch die "Besten", uns wieder herauszubugsieren. - Und so bleibt wohl auch uns die Hoffnung nur auf die nächste Bundestagswahl 2013. Auch Roosevelt ("New Deal") kam erst rund vier Jahre nach der Weltwirtschaftskrise 1933 ins Amt. Womit wir - zumindest in Deutschland - auch bei dieser Parallele wären : Es gibt kein Entrinnen, wir müssen erst so richtig rein in diese Krise, um Krisenpolitik wieder einmal erst zu "erlernen".
Und so wird Deutschland - auch das ist zu befürchten - erst einmal noch so klassisch. weiter den "Spielverderber für ein europäisches Sozialmodell" abgeben - und die Hoffnung auf einen solidarischeren Weg - ähnlich dem "Nordischen Modell"", bevor dieses durch die negative Integration" des EU-Regimes zerbröselt sein wird - mit einer von Grund auf erneuerten deutschen Sozialdemokratie - bleibt an einem noch fernen Horizont für Europa : Der Wandel von der bisher so sozial destruktiven Rolle Deutschlands für Europa zum Aufbau eines sozialen Europa mit dem wirtschaftlich so potenten Deutschland müsste für ein gemeinsames Europa auf die Tagesordnung gesetzt werden.
Vorerst mussten eine ziemlich negative Zwischenbilanz zum G20-Gipfel in London Ende März Friedhelm Hengsbach und Heiner Flassbeck ziehen:"Die Befreiung vom destruktiven Finanzkapitalismus ist misslungen"
www.manager-magazin.de/unternehmen/artikel/0,2828,druck-617059,00.html und: Verpasste Chance - Gipfel der Belanglosigkeit
www.sueddeutsche.de/wirtschaft/556/464158/text/print.html
Und hatte nicht schon John Kenneth Galbraith in seiner Analyse der Weltwirtschaftskrise von 1929 ff. festgehalten, dass eine der Ursachen für die Krise war : die Entwicklung zu einer ungleichen Einkommensverteilung (John Kenneth Galbraith, "Der große Crash 1929", S. 188 und 187)
Eine Umkehr - weg vom deutschen Lohndumping - ist also nicht nur sozial wünschenswert, sondern auch ökonomisch geboten.
So möchte ich nicht schließen, ohne wieder auf Paul Krugman zurückzukommen, der uns so wunderbar als Weltökonom darlegt, dass mehr Gleichheit - eben so dass allen die Möglichkeit zu einem guten Auskommen offensteht - nicht nur die einer Demokratie angemessenste Form einer Volkswirtschaft ist, sondern auch ökonomisch am besten und nachhaltigsten Wachstum schafft. Ganz im Gegensatz zu dem fatalen Wahn der letzten Jahrzehnte - und mittendrin die Sozialdemokraten - durch immer größere Ungleichheit zu einer wahnwitzigen Polarisierung in dieser Gesellschaft beizutragen. Dabei wurde von den neoliberalen Protagonisten - wie dem berüchtigten Prof. Sinn (Ifo) - diese immer schärfere Ungleichheit vorangetrieben, um dieses Wachstum - eben bei den Finanzmärkten ! - anzuschieben.. Mit dem so offensichtlichen Scheitern dieses Irrsinns wird es Zeit allen Menschen mit ihren Bedürfnissen den Raum für ein sozial angemessenes leben zu geben. Und dass dies ökonomisch so sinnvoll ist, dazu gibt uns Paul Krugman die Hoffnung (Paul Krugman "Nach Bush")
Und diese Rückkehr zu einer Gesellschaft mit Gleichheit und einem so angemessenen Leben für alle wird auf der Agenda des Protestes der Sozialen Bewegungen (28. März 2009 in Berlin und Frankfurt) und der Gewerkschaften (16. Mai europaweit) stehen.
Dieses getrennt Protestieren heißt im Angesicht der gewaltigen Krise, aber doch vereint auf das gleiche Ziel hinarbeiten. Das IG -Metall-Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban hatte es auf der ATTAC-Konferenz am 7./8.März 2009 in Berlin so formuliert : "Wir dürfen uns die alten Spielchen nicht leisten nach dem Motto : Ruft ihr nicht zu meiner Demo auf, kommen wir nicht zu eurer" - und hatte damit bei den rund 2 500 Teilnehmern den größten Applaus geerntet. Er machte als IG Metaller auch gleich den ersten Schritt und alle Kolleginnen und Kollegen in den Gewerkschaften aufgerufen : "Beteiligt euch am 28. März " - Umgekehrt solle sich dann auch ATTAC & Co. am europaweiten Aktionstag der Gewerkschaften am 16 Mai beteiligen : "Wir brauchen euch " , sagte der IG Metaller. Denn der Streik gegen asoziale Politik - über den Protest hinaus - wie in Frankreich ist den Deutschen eben verwehrt.
Artikel von Volker Bahl vom April 2009
Es handelt sich um eine Aktualisierung des Beitrags
- Europäisches Sozialmodell - aber wie? Eine Politik der Gleichheit
Vorstoß zu der Kernfrage eines Gleichgewichts im Sozialen: starke Gewerkschaften. Nur wem gelingt es die Gewerkschaften stark zu machen - etwa der Politik? Artikel von Volker Bahl vom Juli 2008
|