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Updated: 18.12.2012 15:51
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Jagd auf Kranke - Rückkehrgespräche auf dem Vormarsch

Mag Wompel

Zweite, aktualisierte, ergänzte und überarbeitete Auflage der Broschüre "Krankenverfolgung - Aktuelle betriebliche und gesellschaftliche Strategien im Umgang mit Kranken"

Herausgeber: AFP e.V.

Vorwort (Siehe auch Gliederung)

Druck auf Kranke im Zeitalter der Lean Production
Warum eine zweite Auflage?

Die Tatsache, daß Menschen, also auch im Erwerbsarbeitsverhältnis stehende Frauen und Männer, krank werden können, gilt für Arbeitgeber seit je als einer der größten Nachteile menschlicher Arbeitskraft. Hierauf basieren - nicht erst seit der offensiven Betonung einer "Leistungsgesellschaft" - das Kündigungsrecht aus Krankheitsgründen, beschäftigungshemmnisse für Frauen sowie mehr oder minder erfolgreiche Versuche der Senkung von krankheitsbedingter Abwesenheit, die geschichtlich in die Wiege der Lohnarbeit hineinreichen.

Das betriebliche Problem hoher Abwesenheitsquoten war in der Ära stabiler Wachstumsraten und eines (relativen) Arbeitskräftemangels lange ein Tabuthema. Eine bestimmte Fehlquote wurde als unabwendbar akzeptiert und zur Grundlage der Personalbedarfsberechnung - nur besonders auffällige Fälle bzw. besonders unliebsame Beschäftigte hatten mit Konsequenzen zu rechnen. Dies gilt zumindest für das Gros der bundesdeutschen Industrie und kann als eine Art stillschweigenden Kompromisses bezeichnet werden.

Doch seit Beginn der 80er Jahre drängen die Unternehmer zunehmend auf die Abschaffung des Lohnfortzahlungsgesetzes, und die Lohnabhängigen werden mit einer immer härteren Gangart der Unternehmensleitungen konfrontiert. In den 90ern nahm der "Druck der Unternehmerverbände gegen eine angebliche 'Hängemattenmentalität' der Beschäftigten und Arbeitslosen" (Holz 1996) noch einmal zu - nicht zuletzt durch eine Verschiebung der Machtverhältnisse und den breiten Vormarsch der Lean Production. Der Zusammenhang zwischen ausgedünnten Belegschaften, vielfältigen Formen der Arbeitsverdichtung und dem Druck auf ältere und kranke Beschäftigte wird ausführlich in Kap. 6 behandelt.

Hinsichtlich der Lohnfortzahlung können die Arbeitgeber seit der ersten Auflage dieser Publikation Mitte 1996 einen Teilerfolg verbuchen, denn das Lohnfortzahlungsgesetz ist zum 1. Oktober 1996 durch das Entgeltfortzahlungsgesetz abgelöst.

Der Unterschied besteht vor allem in dem nur noch 80prozentigen gesetzlichen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und der Nichtanrechnung von Zusatzleistungen (z.B. Überstundenzuschlägen), der Absenkung des nach 6 Wochen eintretenden Krankengeldes auf 70 Prozent sowie schließlich der Anrechnung von einem Tag Urlaub pro Kur-Woche.

Zwar gehen tarifliche Regelungen der Entgeltfortzahlung vor der gesetzlichen Regelung (vgl. z.B. ArbG Rheine vom 10.4.1997) und massive Protest-Aktionen konnten die sofortige Umsetzung der neuen gesetzlichen Regelung, wie von Gesamtmetall und dem Bundesarbeitgeberverband Chemie empfohlen, zumindest in breiten Kreisen der Metallindustrie (zunächst) verhindern. Doch Kompromisse bei der Berechnungsgrundlage der Lohnfortzahlung (v.a. Nichtberücksichtigung von Mehrarbeitszuschlä-gen) bei der darauffolgenden Metall-Tarifrunde sicherten zwar die für die Gewerkschaft wichtige Symbolik, zementierten aber zugleich die Einbrüche. Die Höhe der Lohnfort-zahlung gehört seitdem zu allen Tarifverhandlungen und die symbolträchtigen, aber nur noch symbolischen "100 Prozent" werden durch "Kompensationsgeschäfte" teuer erkauft (vgl. Adler 1996). Gelungen ist zudem die Spaltung in die sinkende Zahl derjenigen, die (noch) durch den Tarifvertrag abgesichert sind und in diejenigen, die dem neuen Entgeltfortzahlungsgesetz unterworfen sind. Bereits in der ersten Gruppe bestehen Unterschiede, je nachdem, ob im Tarifvertrag ein eigenständiger tariflicher Fortzah-lungsanspruch (mit oder ohne Gesetzesbezug) oder lediglich der Verweis auf das Gesetz besteht. Flankiert wird diese Offensive durch die 3. "Gesundheitsreform" (vgl. Kap. 8).

Gleichzeitig hat eine massive Verbreitung der Konzepte zur Senkung von Fehlzeiten über alle Branchen hinweg stattgefunden. AVP, das bekannteste Konzept von Opel (vgl. Kap. 3.1), war in der ersten Auflage dieser Broschüre noch als ein extremer Vor-reiter vorgestellt worden. Mittlerweile finden ähnliche, standardisierte und gestufte Rückkehrgespräche nicht nur in der fast gesamten Automobilindustrie statt (vgl. Kap. 3.2 bis 3.4). Rückkehrgespräche stellen den Mittelpunkt aller betrieblichen Maßnahmen zur Anwesenheitserhöhung dar und wurden bereits Anfang der 90er Jahre als häufigste Maßnahme eingesetzt (vgl. Arbeitgeber 1991: 6). Zwar wird mittlerweile eine kontroverse Diskussion um dieses Instrument geführt (vgl. Kap. 5, 7 und 9), doch besteht bei Belegschaften und ihren Interessensvertretern nach wie vor

  • die Notwendigkeit einer stärkeren Auseinandersetzung mit den Argumenten der Arbeitgeber,

  • Wunsch nach Informationen über die aktuelle Rechtslage und

  • ein großer Bedarf an Argumentationshilfen und Verhaltenstips für die Betriebsräte und Belegschaften, die sich mit den Rückkehrgesprächen allein gelassen fühlen.

Auf diese vielfältigen Gründe wird - neben einer umfangreichen Analyse der Hintergründe der "Jagd auf Kranke" - in der vorliegenden, aktualisierten 2. Auflage ausführlich eingegangen. Im Anhang finden sich u.a. Argumentations- und Handlungsleitfäden für den Umgang mit Rückkehrgesprächen, sowie eine alternative Muster-Betriebsvereinbarung.

Aufgrund der in allen Kapiteln vorgenommenen Ergänzungen und Aktualisierungen wird die Lektüre auch denjenigen an diesem Thema Interessierten empfohlen, die bereits die erste Auflage gelesen haben.

Mag Wompel
Kirsten Huckenbeck (express-Redaktion, Offenbach)


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  • Zusätzlich bitte ich um ein Probeexemplar der Zeitschrift express, herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft zur Förderung der politischen Bildung (AFP e.V.) (siehe Anzeige)

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Tel.: ++49 (0)69 - 67 99 84
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