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Updated: 18.12.2012 15:51
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Das aufoktroyierte Bildungssystem

Es ist wohl bezeichnend für das gegenwärtige deutsche Bildungssystem, wenn sich Beauftragte der UN-Menschenrechtskommission veranlasst sehen[1], hierzulande Wesen und Wirkung der als Ländersache geltenden Bildungspolitik zu untersuchen. „Grund ist der PISA-Test, der Deutschland schwere Versäumnisse bei der Chancengleichheit in der Bildung und der Förderung von Migrantenkindern bescheinigte.“[2]

Beiderseits der Elbe bestanden unmittelbar nach dem Zusammenbruch des Naziregimes in den Zonen objektiv die gleichen Voraussetzungen zur geistigen Enttrümmerung.
Dienten doch die Schulen im Hitlerregime als „Pflanzstätten der kommenden Generationen“[3]. Das anzuerziehenden Eigenschaften der Sämlinge : „Der völkische Staat hat in dieser Erkenntnis seine gesamte Erziehungsarbeit in erster Linie nicht auf das Einpumpen bloßen Wissens einzustellen, sondern auf das Heranzüchten kerngesunder Körper. Erst in zweiter Linie kommt dann die Ausbildung der geistigen Fähigkeiten.“[4]

Mit der Einrichtung von Kinderlandverschickungslagern durch Erlass am 28. September 1940[5] verfügte das Regime über „Gewächshäuser“, in denen die „Züchtung“ großflächig betrieben werden konnte. Der Führer mahnte an: „Deutscher Knabe, vergiss nicht, dass du ein Deutscher bist! Mädchen, gedenke, dass du eine deutsche Mutter werden sollst!“[6] Hitlers Verheißung: „Aus dem Blute der Besten wächst der Sieg.“[7]
In pädagogisch Begleitheften erläuterten nazitreue Wissenschaftler: „So ist überhaupt der Sport nicht nur dazu da, den einzelnen stark, gewandt und kühn zu machen, sondern er soll auch abhärten und lernen, Unbilden zu ertragen.

Würde unsere gesamte geistige Oberschicht einst nicht so ausschließlich in vornehmen Anstandslehren erzogen worden sein, hätte sie an Stelle dessen durchgehend Boxen erlernt, so wäre eine deutsche Revolution von Zuhältern, Deserteuren und ähnlichem Gesindel niemals möglich gewesen.“[8]

Im Lehrbuch „Geschichte für höhere Schulen“ (1936) wurde das Zuchtziel umrissen: „Alle anständigen Deutschen sind Nationalsozialisten, nur die besten Nationalsozialisten sind Parteigenossen“.[9]

Beiderseits der Elbe bestanden unmittelbar nach dem Zusammenbruch des Naziregimes in den Zonen objektiv die gleichen Voraussetzungen zur geistigen Enttrümmerung.
Nicht in einer einzigen von 649[10] Schulen beispielsweise in Berlin hätte sofort ein ordnungsgemäßer Schulunterricht beginnen können; 149 völlig zerstört, 127 beschädigt, 81 als Lazarette genutzt, 292 ohne Türen und Fenster[11]. Und dennoch erließ der Magistrat bereits am 11. Juni 1945 die ersten „Vorläufigen Richtlinien für die Wiedereröffnung des Schulwesens“[12] mit der rückblickenden Feststellung: „Das gesamte Lehrmaterial wurde mit dem Ungeist der faschistischen Rassen- und Kriegshetze, Geschichtsfälschungen und Entstellungen unumstrittener wissenschaftlicher Forschungsergebnisse durchsetzt. Dazu kam militärischen Drill und ein von der Hitler-Jugend gezüchtete Missachtung alles wirklichen Wissens, das nur durch ernstes Studium erworben wird.“[13]

Doch schon schnell wurde erkennbar, dass in den Westzonen die historische Chance außer Acht blieb, in Deutschland ein einheitliches Bildungssystem aufzubauen. Die von Hitler ins Leben gerufene Hauptschule blieb im Westen gegenwärtig.
Östlich der Elbe hingegen unterzeichneten bereits 1946 die Länder- und Provinzialpräsidenten das „Gesetz zur Demokratisierung der deutschen Schule“[14]. Hiermit eröffneten sich für Kinder aus allen sozialen Schichten gleiche Chancen zum Erwerb allgemeiner Bildung. Am 25. Februar 1965 verabschiedete die Volkskammer der DDR das „Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem“[15], womit die 10-klassigen POS fortan das Schulniveau bestimmten.

Nun, nach der Inbesitznahme des Territoriums der DDR durch die Nachfahren der westlichen Zivilisationswelt aus westdeutschen Gauen ist jenes international anerkanntes fortschrittliches Bildungssystem in der DDR zerschlagen worden. Wir sind auf das Niveau eines dreigliedrigen Schulsystems zurückbeordert worden. Die von den Nazis etablierten Hauptschulen sind wieder landesweit verbreitet. Übrigens ein eben solches Ungemach war die auf dem Territorium der DDR diktierte Installierung der in der Hitlerzeit begründeten Kassenärztlichen Vereinigung. –
Was wird dem Sonderberichterstatter für das Recht auf Bildung der UNO-Menschenrechtskommission in der „hochentwickelten“ Bundesrepublik Deutschland zu präsentieren sein? Zunächst der aussagefreudige Text des Koalitionsvertrages beider „Volksparteien“ zum Thema Bildung: „Deutschlands Zukunft liegt in den Köpfen seiner Menschen... Nur an der Spitze des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts wird unser rohstoffarmes Land seine Zukunftschancen wahren.“[16]

Hatte da nicht jemand schon einmal in deutscher Geschichte vom „rohstoffarmen“ Land gesprochen, mit dieser Tatsache ein ganzes Volk in den Abgrund gestürzt? „Wenn wir heute in Europa von neuem Grund und Boden reden“, so Hitler, „können wir in erster Linie nur an Russland und die ihm untertanen Randstaaten denken.“[17]

Wenn diese Wahrheit in deutschen Köpfen verankert ist, ist Deutschlands Zukunft sicher?! Sind die PISA-Ergebnisse also dafür ausreichend? „Die weltweiten PISA-Tests haben gezeigt, dass der Bildungserfolg eines Kindes in keinem anderen vergleichbaren Industriestaat so abhängig von der sozialen Herkunft ist wie in Deutschland. Nach der innerdeutschen PISA-Auswertung haben 15jährige Kinder von Akademikern oder Führungskräften selbst bei gleich gemessenen Fähigkeiten in den Basiskompetenzen Lesen/Textverständnis und Mathematik bundesweit eine 4,01 mal größere Chance, aufs Gymnasium zu gehen, als gleichaltrige Facharbeiterkinder.“[18] Es leben Deutschlands Hauptschulen!!! Ihre Abschaffung lehnt der Handelskammerpräsident Ludwig Georg Braun ab: „Damit würden die Probleme schwächerer Schüler nicht gelöst. Der Schlüssel liege vielmehr in der individuellen Förderung der einzelnen Kinder.“[19]

Wenn das Gemeinwesen Bundesrepublik Deutschland nach und nach spürbar geistig verarmt, wenn eine Regierung nach und nach spürbar den Geldhahn für die allgemeine Bildung seiner Kinder zudreht, welche Zukunft steht ihnen dann offen? Von einer Verletzung der Menschenrechte ist hier die Rede.

Hans Horn

Anmerkungen

1)„Die Welt“ – 05.02.2006: UN-Menschenrechtskommission untersucht deutsche Schulen.

2) ebenda

3) Adolf Hitler: Mein Kampf. Zentralverlag der NSDAP, Franz Eher Nachf. GmbH. München; 876. - 880. Auflage dieser Ausgabe; 1943; S. 10.

4) ebenda: S. 452.

5) Arbeitsgruppe Pädagogisches Museum in: Heil Hitler, Herr Lehrer. Rowohlt Verlag GmbH; Reinbeck bei Hamburg; 1983; S. 221.

6) Adolf Hitler: Mein Kampf. Zentralverlag der NSDAP, Franz Eher Nachf. GmbH. München; 876. - 880. Auflage dieser Ausgabe; 1943; S. 10.

7) Zeitschrift. Unser Lager. Verantwortlich: Bannführer Gerhard Dabel. Druck: Otto Hellwig & Co., Bln.-Wilmersdorf, Uhlandstr. 61; Heft 2; S. 33.

8) Arbeitsgruppe Pädagogisches Museum: Heil Hitler, Herr Lehrer. Rowohlt Verlag GmbH.; Hamburg; 1983; S. 136.

9) Walther Gehl: Geschichte für höhere Schulen. Mittelstufe Heft 4,; Ferdinand Hirt in Breslau; 1936, S. 143.

10) Josef Orlopp: Zusammenbruch und Aufbau Berlins 1945/1946; S. 88.

11) ebenda

12) Verordnungsblatt der Stadt Berlin.; 1. Jg, Nr. 3; 25.07.1945; S. 32.

13) ebenda

14) Stefan Bollinger/Fritz Vilmar: Die DDR war anders. S. 78.

15) Unser Staat – DDR-Zeittafel 1949-1983; S. 86.

16) Text aus dem Koalitionsvertran vom11.11.2005.

17) Adolf Hitler: Mein Kampf. Zentralverlag der NSDAP, Franz Eher Nachf. GmbH. München; 876. - 880. Auflage dieser Ausgabe; 1943; S. 742.

18) „Die Welt“ – 05.02.2006: UN-Menschenrechtskommission untersucht deutsche Schulen.

19) In: Initiative – Neue soziale Marktwirtschaft; Hauptschule in der Kritik; 09.12.2004.


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