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Updated: 18.12.2012 15:51
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Aus-gebildet?

Zur Zukunft der politischen Bildung bei ver.di

Seit Herbst 2004 kursieren an den Bildungsstätten von ver.di Gerüchte über Etatkürzungen im Bildungsbereich in Höhe von 30-40 Prozent. Vor allem bei den TeamerInnen sollte gespart werden, so hieß es ursprünglich, doch der Bericht der Revisionskommission, die Ende 2004 die heterogene Honorarpraxis an allen Bildungsstätten überprüft hatte, liegt weder den Bildungsstätten noch den TeamerInnen vor. Teamer-Anfragen an die Abteilung Gewerkschaftliche Bildung im Vorstand, welche Konsequenzen und Planungen sich aus der Honorarprüfung ergeben würden, blieben unbeantwortet.

Unterdessen wurde bekannt, dass die gesamte ver.di-finanzierte Bildung, einschließlich der neu hinzukommenden Bildungsarbeit der Personengruppen auf Bundesebene, outgesourct wurde an den ehemaligen DAG-Verein »Gewerkschaftspolitische Bildung« und schon für das Jahr 2006 bei ver.di kein eigener Haushaltsposten mehr für die Bildung vorgesehen ist. Finanziert werden soll die Bildungsarbeit, indem von ver.di benannte Aufsichtsratsmitglieder künftig einen Teil ihrer Tantiemen, die bislang zu 100 Prozent an die Hans-Böckler-Stiftung fließen, an den Trägerverein abführen.

Wie wir von den Verantwortlichen im ver.di-Bundesvorstand erfahren haben, hatte der DGB-Bundesvor-stand bereits im Herbst letzten Jahres beschlossen zu prüfen, inwieweit die Aufsichtsratstantiemen auch für allgemeine, politische und kulturelle Bildungsangebote stärker als bisher genutzt werden könnten und dazu eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Diese Arbeitsgruppe wird, so unsere Informationen, in den nächsten Tagen dem DGB-Bundesvorstand den Vorschlag unterbreiten, 20 Prozent der abzuführenden Aufsichtsratstantieme für das o.g. Bildungsangebot zu verwenden. Auch der Bundesvorstand von ver.di hat sich für diesen Vorschlag ausgesprochen - wohl wissend, dass die »Verantwortlichen der HBS nicht glücklich über die zu erwartende Entscheidung des DGB« sein werden. Aber: es sei nun mal auch Tatsache, dass die Mittel der HBS gerade in den letzten Jahren aufgrund massiver Erhöhung der Aufsichtsratstantieme erheblich gestiegen seien. Die Arbeit der HBS sei dadurch also nicht gefährdet.

Diese Konstellation, verbunden mit den aktuellen und auch für 2006 geplanten drastischen Kürzungen im politischen Bildungsangebot, schien uns der Nachfrage wert. Im Folgenden dokumentieren wir die Fragen, die wir - mit dem Kenntnisstand von Ende Mai - Iris Todtenberg, der Verantwortlichen für den Bereich Gewerkschaftliche Bildung bei ver.di, geschickt haben und die Antwort der Pressestelle des Vorstands sowie die Antwort von Nick Simon von der Hans-Böckler-Stiftung auf eine entsprechende Anfrage.

Unsere Fragen an ver.di und an die Hans-Böckler-Stiftung

Im Rahmen der Planung des Bildungsprogramms für das nächste Jahr haben wir von der Bildungsstätte Saalfeld Informationen über eine Neuregelung der Finanzierung der politischen Bildung bei ver.di bekommen: Schon im laufenden Haushaltsjahr werde ver.di 20 Prozent der Zuweisungen von Aufsichtsratsgeldern, die bislang vollständig an die Hans-Böckler-Stiftung gingen, für die eigene gewerkschaftliche Bildungsarbeit verwenden; bereits für 2006 sei kein ver.di-eigener Haushaltstitel mehr für dieses Aufgabenfeld vorgesehen. Falls die »vereinnahmten Gelder« nicht ausreichen sollten, solle auf das ver.di-Vermögen zurück gegriffen werden. Kannst Du diese Information bestätigen? Ist diese Entscheidung definitiv? Und wann wird dieser Sachverhalt in der ver.di-Öffentlichkeit bekannt gemacht?

Was sagen die VertreterInnen der anderen Gewerkschaften im Kuratorium der Hans-Böckler-Stiftung und die HBS selbst dazu?

Nach Informationen der Verantwortlichen in Saalfeld soll künftig der Verein »Gewerkschaftspolitische Bildung«, ein ehemaliger Bildungsträger der DAG, die Mittel verwalten und auch über diese verfügen. Wer leitet diesen Verein, bzw. wer sind dessen Mitglieder? Welchen Einfluss wird ver.di bzw. werden andere Gewerkschaften in diesem Verein haben?

Gibt es bereits Planungen zum künftigen Prozedere der Entscheidungsfindung? Wie werden die in den vergangenen Jahren neu geschaffenen Strukturen im Bildungsbereich (»Kompetenzteams«, neue Schwerpunktbildung etc.) mit dem Verein »Gewerkschaftspolitische Bildung« zusammenarbeiten? Hat dies Auswirkungen auf die inhaltlichen Gestaltungsmöglichkeiten der Bildungsarbeit?

Ende letzten Jahres hieß es nach Informationen der Bildungsverantwortlichen in Saalfeld, dass ver.di 30-40 Prozent seiner Ausgaben im Bildungsbereich einsparen wolle. Ist die Überführung der Bildungsarbeit in den ehem. DAG-Verein als Konsequenz aus diesen Sparüberlegungen zu verstehen? Heißt dies, dass ver.di sich tendenziell aus der politischen Bildungsarbeit zurückziehen will? Wäre das nicht eine Grundsatzentscheidung, die in einer breiteren ver.di-Öffentlichkeit diskutiert werden müsste?

Die Antwort der Pressestelle von ver.di

Liebe Kollegin,

ver.di liegt die politische Bildung der Menschen - sowohl der Mitglieder als auch noch-nicht-Mitglieder - sehr am Herzen, vor allem in einer Zeit, in der öffentliche Mittel für Bildung immer weiter zurück gehen. Und gerade weil diese Mittel zurück gehen, will ver.di in mehr Bildung investieren. Um mehr und neue Bildungsangebote zu entwickeln und damit einer gewerkschaftlichen Kernaufgabe nachzukommen, wird der gemeinnützige ver.di-Verein Gewerkschaftspolitische Bildung (GPB) e.V. mit den dafür notwendigen finanziellen Mitteln ausgestattet.

ver.di wird mit der neuen ergänzenden Finanzierungsform das Bildungsangebot ausbauen oder zumindest auf dem jetzigen Niveau halten. ver.di vertritt die Auffassung, dass neben der beruflichen Weiterbildung auch ein ausreichendes Angebot in der allgemeinen, politischen und kulturellen Weiterbildung aufrecht erhalten werden muss. Auch die öffentlichen Mittel für diese Weiterbildungsbereiche sind hierzulande rückläufig oder stagnieren zumindest seit mehr als zehn Jahren. Die Folge ist, dass ganze Gruppen, vor allem Bildungsferne und finanziell Schwache, von der Teilnahme wegen hoher Teilnahmegebühren von Weiterbildungsmaßnahmen ausgeschlossen sind.

Weiterbildung, die über den unmittelbaren beruflichen Bezug hinaus auf allgemeine politische und kulturelle Inhalte und Ziele abstellt, muss als wichtige Voraussetzung betrachtet werden, dem gesellschaftlichen Wan-del auch in der privaten Lebenswelt konstruktiv zu begegnen und ihn mit gestalten zu können. Allgemeines, politisches und kulturelles Lernen heißt daher immer auch lernen in der und für die Gesellschaft.

Dies ist auch das Ziel der ver.di-Bildungsarbeit. ver.di engagiert sich für eine soziale Politik, die Arbeitsplätze schafft, umweltverträgliches Wirtschaftswachstum fördert, gesellschaftliche Teilhabe und Mitbestimmung der Menschen ausbaut, soziale Gerechtigkeit und Chancengleichheit für Männer und Frauen umsetzt, die den gesellschaftlichen Zusammenhang stärkt.

Die GPB ist ein gemeinnütziger Verein, der von der ehemaligen DAG gegründet wurde. Zweck der GPB ist laut Satzung die Durchführung von Bildungsmaßnahmen, insbesondere der politischen Bildung von Erwachsenen und Jugendlichen. Die Bildungsmaßnahmen, so steht es in § 2 der GPB-Satzung, sollen »insbesondere Arbeitnehmer in die Lage versetzen, ihre wirtschaftlichen, sozialen, beruflichen und kulturellen Interessen vertreten können.« Vorstandsvorsitzender der GPB ist Gerd Herzberg.

Die Mittel für den Ausbau der GPB-Angebote sollen sich aus 20 Prozent der Aufsichtsratstantiemen von ver.di-Aufsichtsräten speisen. ver.di setzt damit eine Tradition der Quellgewerkschaft DAG fort. An die HBS fließen die restlichen 80 Prozent der Tantiemen - was angesichts stetig steigender Aufsichtsratstantiemen schon jetzt etwa 100 Prozent der Summe von vor einigen Jahren bedeutet. Die HBS wird dieses Geld nach wie vor in Forschung, Studienförderung und Stipendien investieren, was für die gewerkschaftliche Arbeit ebenfalls überhaupt nicht zu vernachlässigen ist. Mit der neuen Regelung ist es ver.di möglich, ver.di-spezifische Bildungsangebote zu entwickeln und damit das Programm der HBS optimal zu ergänzen, das Bildungsarbeit in der Form, wie sie die GPB anbietet, nicht vorsieht. Der HBS-Vorstand und das HBS-Kuratorium sind ebenso wie der DGB-Bundesvorstand über die Neuverteilung der Mittel informiert.

Cornelia Haß, ver.di-Bundesvorstand, Büro des Vorsitzenden, Pressestelle

Die Antwort der Hans-Böckler-Stiftung

Liebe Kollegin,

vielen Dank für die Anfrage. Die Form der Abführung von Vergütungen aus Aufsichtsratsmandaten bestimmt der DGB mit seinen Mitgliedsgewerkschaften durch DGB-Bundesausschussbeschlüsse. Die Mitgliedsgewerkschaften regeln ihrerseits alle Fragen zur Abführung mit dem jeweiligen Aufsichtsratsmitglied. Die Hans-Böckler-Stiftung und ihre Gremien sind an diesen Prozessen nicht beteiligt. Mit DGB und Gewerkschaften haben wir daher abgesprochen, dass alle Nachfragen zur Abführungsregelung nur von dort beantwortet werden. Dafür bitte ich um Verständnis und ich empfehle Euch, bei ver.di direkt nachzufragen.

Mit herzlichen und kollegialen Grüßen

Nikolaus Simon, Hans-Böckler-Stiftung, Sprecher der Geschäftsführung

Erschienen im express, Zeitschrift für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 6-7/05


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