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Updated: 18.12.2012 15:51
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Bericht über einen Einsatz in der Zeitarbeitsfirma A. in Hamburg in der Beseitigung von Asbest.

L. arbeitet am 7. September 05 den ganzen Tag und soll nach der Arbeit zum Büro der Zeitarbeitsfirma kommen. Dort wird ihm mitgeteilt, dass er und drei andere Kollegen in vier Stunden den Nachtzug (von Hamburg) nach München nehmen sollen, um dort für über zwei Wochen zu arbeiten.

Nach dem vollen Arbeitstag, schnell ein paar Sachen packen, duschen und essen gibt es im Nachtzug nach München dann nur einen Sitzplatz für jeden, nicht einmal einen Liegewagen. In München angekommen, sollen sie noch am selben Tag , inzwischen der 8.9., arbeiten. Wo und für wen, wurde L. vorher nicht gesagt. Er erfährt erst dort, dass die Arbeit bei Siemens ist, nämlich in der Innendemontage von zwei Häusern und der damit verbundenen Asbestarbeit und -entsorgung . Seine Firma A. ist offensichtlich von der Fa. SUT (Sicherheit, Umwelt, Technik) aus dem Harz als Unterfirma beauftragt worden.

Vom 8.9. bis 23.9.05 -16 Tage lang arbeiten sie durchgehend in diesen Siemens-Häusern, teilweise in Nachtschicht, jeden Tag 10 Stunden, einschließlich Samstag und Sonntag. Bei der Fa. SUT arbeiten u.a. Portugiesen, die für drei Monate angeheuert und gesondert untergebracht sind.

Auf der Baustelle bzw. in den Siemens-Häusern arbeiten nur Fremdfirmen , keine Festangestellten und offensichtlich auch nur Auswärtige. Die Beschäftigten der Fa. SUT sind mit Ganzkörperanzügen und einem Akku/Kompressor für frische Luft/Sauerstoff zum Atmen ausgestattet, während L. und seine Kollegen von der Hamburger Zeitarbeitsfirma nur eine Halbgesichtsmaske (f. Nase und Mund) haben, deren Filter außerdem nur 1 x nach 14 Tagen gewechselt wurde(!). Ansonsten hatten sie auch Ganzkörper-Anzüge an. Nach der Arbeit in Dreck und Staub müssen sie täglich durch zwei Duschabteilungen, bevor sie überhaupt das Haus verlassen dürfen.

Das Zimmer, das sie zu viert bewohnen, hat nur einen Wasserkocher und eine vom Hausmeister ausgeliehene Heizplatte. Die Dusche befindet sich im Keller, - das Zimmer im 7. Stock. Bei der Nachtarbeit müssen sie auf eigene Kosten mit dem Taxi nach Hause fahren.

Ein Sicherheitsingenieur oder Beauftragter (vom Arbeitsschutz München ?) kommt einmal die Woche zur Kontrollmessung. Da bekannt ist, wann er kommt, werden vorher die Wände abgesprüht, so dass das Staub-Asbest-Messergebnis geringer wird. Tagsüber wird der Asbestmüll in extra-Säcken verpackt. Nachts kann L. während einer Nachtschicht beobachten, dass der giftige Asbestmüll in die normalen Müllcontainer kommt(!).

16 Tage ununterbrochen im Asbest arbeiten, ohne freien Tag , ohne Arbeitsschutzrechte und zu einem Stundenlohn von 6.-€ brutto (allerdings mit Sonntags-u. Nachtzuschlag) -ein Skandal in jeder Hinsicht! Den Tagessatz von 16€, den sie scheinbar zusätzlich erhalten, wird ihnen in der nächsten Lohnabrechnung in Gänze wieder abgezogen! Die Überstunden (bis auf die Sonntagszuschläge) werden über ein vertraglich festgeschriebenes Zeitarbeitskonto einfach wieder ausgeglichen

L. wird krank, als er zurückkommt und ist eine gute Woche krankgeschrieben, Husten und Heiserkeit halten drei Wochen an. Zwei Ärzte, die er aufsucht, betreuen ihn sehr sorgfältig, einer will sogar die Berufsgenossenschaft anschreiben. Ebenfalls eine gute Beratung erhalten wir durch die Beratungsstelle ,Arbeit und Gesundheit' in Hamburg, besonders zu dem Punkt, dass nur extra zertifizierte Firmen (wie vermutlich die Firma SUT) in der Asbestentsorgung arbeiten dürfen.

Während L. krankgeschrieben ist, fahren die anderen Kollegen vier Tage später wieder genauso ungeschützt, genauso unaufgeklärt, genauso schlecht bezahlt in die Asbestentsorgungsarbeit des Siemens-Konzerns. Später, wieder gesund, trifft L. einige Kollegen, etliche haben verweigert, wieder dorthin zu fahren (werden gekündigt oder gehen selbst); viele müssen die Arbeit machen wegen Familie, Wohnung ua.m. .

Nicht aufgeschrieben sind noch dazu rassistische Äußerungen und Haltungen der deutschen Arbeiter sowie Versuche, auch hier noch zu hierarchisieren.

Fragen:

  • Gibt es keine Arbeitsschutzrechte mehr?
  • Gibt es in München keine Zeitarbeitsfirmen, deren Leute man einsetzt -oder wird dies bewusst nicht getan, weil die sich am Ort natürlich leichter wehren können (Gewerkschaft am Ort, Arbeitsschutzamt auch, evtl. Betriebsrat von Siemens ansprechbar) ?

L. arbeitet nach Ende seiner Krankschreibung weiter bei der Zeitarbeitsfirma A. Erneut in Staub und Dreck, aber nicht im Asbest. Einige Tage später wird er erneut ins Büro gebeten und gedrängt, wieder nach München zu fahren. Als er sagt, dass er das nicht machen will, dass die Firma A. nicht zertifiziert für diese Art Arbeit ist, wird trotzdem Druck ausgeübt. Wir bekommen abends einen längeren Anruf, dass er entweder nach München fährt oder sonst gehen muss. Die Firma habe nur noch diese Arbeit im Asbest bei Siemens in München anzubieten. Er soll am nächsten Tag ins Büro kommen. Als er endgültig mitteilt, dass er nicht nach München gehen wird, erhält er sofort die fristlose Kündigung -das heißt Sperre oder Absenkung beim Arbeitsamt.

Ein Widerspruch vorm Arbeitsgericht wäre sicher spannend gewesen und evtl. zu gewinnen, aber L. will sich lieber woanders bewerben.

Noch ganz nebenbei: die von der Firma gestellten Arbeitsschuhe durfte L. großzügig behalten -sie waren durch die Arbeit in München kontaminiert...

Oktober 2005


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