Home > Diskussion > Realpolitik > Hilfe > eurotueb
Updated: 18.12.2012 15:51
Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

Tübinger Aufruf gegen Ein-Euro-Jobs

vom Tübinger Initiativkreis gegen Eineurojobs

Die Bundesregierung bietet Wohlfahrtsverbänden, Sozialvereinen, Kirchen und Kommunen an, so
genannte Ein-Euro-Jobs einzurichten. Damit sollen - so das offizielle Ziel - mehrere hunderttausend
Langzeitarbeitslose wieder an reguläre Arbeitsplätze heran geführt werden. Wir wissen: Im Einzelfall können solche Arbeitsgelegenheiten – angesichts der massenhaften Langzeitarbeitslosigkeit – für die Betroffenen persönliche Krisen und finanzielle Notlagen abmildern und gesellschaftliche Einbindung fördern.

Je Ein-Euro-Jobber stehen monatlich bis zu 500 Euro bereit, von denen etwa 150 Euro für die geleisteten Stunden an den ALG2-Bezieher weiter gegeben werden. Das restliche Geld verbleibt beim Träger bzw. beim Vermittler für Verwaltung und Begleitung.

Gleichzeitig stehen gemeinnützige Träger vor dem Problem, wie sie ihre Aufgaben im sozialen Bereich weiterhin finanzieren sollen. Vor dem Hintergrund leerer Kassen ist es verlockend, solche "Zusatzjobs" zu schaffen. Damit, so hoffen manche Träger, können sie ihre Finanzkrise abfedern und ihre Arbeit dauerhaft sichern.

Trotzdem: Wir werden uns unter den gegebenen Bedingungen nicht daran beteiligen, Ein-Euro-Jobs zu schaffen!

  • Ein-Euro-Jobs sind "Angebote, die man nicht ablehnen kann". Wer einen solchen Job ablehnt, dem kann die Sozialhilfe/das ALG2 um 30 Prozent gekürzt, im Wiederholungsfall sogar ganz gestrichen werden.
  • Solche Zwangsmaßnahmen sind ungeeignet zur Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit. Es fehlt vor allem an regulären, existenzsichernden Arbeitsplätzen, nicht am Willen zur Arbeit. Arbeitszwang ist laut Grundgesetz (Art. 12) verboten.
  • Wir befürchten, dass mit dem Rückgriff auf Ein-Euro- Jobs im Sozial- und Bildungsbereich reguläre und qualifizierte Arbeitsplätze dauerhaft abgebaut werden. Mit der weiteren Abwertung der Arbeit in diesen Bereichen wird die Qualität der sozialen und pädagogischen
    Dienstleistungen abnehmen.
  • Schon jetzt werden ehemals reguläre Arbeitsplätze mit Ein-Euro-Jobbern besetzt. Die geforderte "Zusätzlichkeit" dieser Arbeitsplätze ist fragwürdig. In vielen sozialen Bereichen werden schon seit Jahren reguläre Stellen abgebaut. Diese Aufgaben heute als "zusätzlich" zu
    bezeichnen, zeugt vom schlechten Gedächtnis der Institutionen.
  • Mit den Ein-Euro-Jobs wird flächendeckend ein dritter Arbeitsmarkt etabliert und ein Niedrigstlohnbereich mit weitgehend rechtlosen Beschäftigten geschaffen. Die Maßnahmen werden in der Regel nicht qualifizierend sein und werden nicht als Sprungbrett für den ersten Arbeitsmarkt dienen. "Integration in den Arbeitsmarkt" heißt zukünftig für die meisten ALG2/Sozialhilfebezieher: Einmal Ein-Euro-Job, immer Ein-Euro-Job.
  • Wir befürchten, dass Ein-Euro-Jobs auf die Arbeits- und Entlohnungsbedingungen der regulär Beschäftigten einen enormen Druck erzeugen. Um ihre Lohnkosten weiter zu senken, zeigen bereits die Unternehmerverbände Interesse an Ein-Euro-Jobs auch im privaten Sektor.

Wir sind überzeugt: Die zwangsweise Einführung eines Billigarbeitsdienstes ist nicht vereinbar mit
einer solidarischen Gesellschaft. Das soziale Klima wird sich weiter verschlechtern. Das wollen wir
verhindern!

Es gibt Alternativen:

Nach Berechnungen des Diakonischen Werkes Württemberg würde das gesamte Geld, das für Ein-Euro- Jobs zur Verfügung steht (ALG2, Miete, Sozialversicherung und Verwaltungskosten) ausreichen, den Betroffenen reguläre sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze anzubieten.

Als Verein oder Einrichtung lehnen wir die Einführung von Ein-Euro-Jobs ab und werden solche
Arbeitsgelegenheiten unter den gegebenen Bedingungen nicht einrichten.


Als Mitarbeitervertretung oder Personal- und Betriebsräte werden wir deren Einrichtung nicht
zustimmen.

Erstunterzeichner:

Tübinger Arbeitslosentreff TAT, Personalrat des Uniklinikums, Frauenkrisenhaus e.V., Kinderladen Villa Kunterbunt, Kulturverein Nepomuk (Reutlingen).

Tübinger Initiativkreis gegen Eineurojobs
c/o ZAK, Belthlestr. 40, 72070 Tübingen
e-mail: anfoitzik@aol.com


Home | Impressum | Über uns | Kontakt | Fördermitgliedschaft | Newsletter | Volltextsuche
Branchennachrichten | Diskussion | Internationales | Solidarität gefragt!
Termine und Veranstaltungen | Kriege | Galerie | Kooperationspartner
AK Internationalismus IG Metall Berlin | express | Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken
zum Seitenanfang