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Updated: 18.12.2012 15:51
Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

Neues Selbstbewusstsein

Mag Wompel spricht über den Krieg der Regierung nach innen, über die Gewerkschaften und Ansätze, Spaltungen im Widerstand zu überwinden. Dokumentation der Rede bei der Rosa-Luxemburg-Konferenz 2005 am 8. Januar in Berlin *

Liebe Freunde, liebe Kolleginnen und Kollegen,

so viel Lob läßt mich zusätzlich außer Atem kommen, aber eigentlich ist es schön, wenn man seiner Zeit voraus ist, ausnahmsweise. Und bei meinem Thema, bei den Kämpfen gegen Sozialabbau hecheln wir leider den Angriffen der Parteien und des Kapitals hinterher. Schön, mal in die Offensive zu kommen, wenigstens wenn's um die Zeit geht. **

Zunächst will ich zusammenfassend vorwegnehmen (wahrscheinlich höchstens für unsere ausländischen Gäste interessant, euch allen bekannt): Wir erleben gerade die größten Angriffe gegen die Lohnabhängigen seit Bestehen der Bundesrepublik. Zwei Sachen sind dabei wichtig: Erstens nicht zu vergessen, daß es nicht die ersten Angriffe sind, die wir erleben, interessanterweise haben sozialdemokratische Regierungen damit begonnen, bereits Willy Brandt, der heute - von vielen in Vergessenheit geraten mit seinem Sozialabbau - als noch wahrer Sozialdemokrat gefeiert wird. Es sind also nicht die ersten, aber die umfassendsten Angriffe. Und dies wird wichtig sein für die Frage, der ich mich widmen werde, nämlich wie wir dagegen vorgehen können.

Was ebenfalls wichtig ist zu betonen, das habe ich gelernt bei vielen internationalen Gesprächen: es ist wahr, daß es uns in Deutschland relativ gut geht – daß wir im Gegensatz zu Ländern wie Spanien zum Beispiel, um in Europa zu bleiben, so was erlebt haben wie einen Rheinischen Kapitalismus, der uns relativ komfortable Löhne und Arbeitsbedingungen eingebrockt hat bzw. ermöglichte, aber eben auch eine relativ komfortable Absicherung. Es ist wahr, es war nicht nur der Kampfkraft der Gewerkschaften, sondern vor allem der bestehenden Systemkonkurrenz und dem stabilen Wirtschaftswachstum damals geschuldet. Das heißt aber noch lange nicht, und das habe ich auch bei diesen internationalen Debatten gelernt, daß wir uns schämen sollten, diese Privilegien zu haben. Dieser Begriff `Privilegien` stört mich auch schon in der nationalen Debatte, wenn es heißt, diese oder jene Belegschaft, zum Beispiel von Porsche, sein eine privilegierte und ihr Kampf sei nicht wichtig. Ich glaub', daß der erste Fehler, den die deutsche Gewerkschaftsbewegung gemacht hat, schon in den 70er Jahren war, diese Privilegien nicht genügend zu verteidigen und sich nicht genügend zu bemühen, diese „Privilegien“ zu exportieren. Statt dessen haben sich die Gewerkschaftsspitzen (und das finde ich immer sehr wichtig, daß wir unterscheiden zwischen den Gewerkschaften oder gar der Gewerkschaftsbewegung und der Gewerkschaftsbürokratie und ihren Vorständen. Diese Unterscheidung wird im weiteren Verlauf immer wieder wichtig sein) - statt dessen haben sich die Gewerkschaftsspitzen also mit viel Aufwand darauf beschränkt, das Mitbestimmungsmodell, das deutsche, zum Exportschlager werden zu lassen. Dieses Mitbestimmungsmodell der Sozialpartnerschaft erweist sich aber jetzt gerade als unser Problem, weswegen mitbestimmt, sozialverträglich und partnerschaftlich wir diese Privilegien nach und nach verloren haben und damit keinesfalls uns einfach nur angleichen an die Lebens- und Arbeitsbedingungen in anderen Ländern weltweit, sondern diesen KollegInnen international in den Rücken fallen.

Also, erstens, viele der Gewerkschaften, Gewerkschaftsspitzen wie gesagt, haben es bevorzugt, die Mitbestimmung des sozialpartnerschaftlichen Modells zu exportieren, anstatt unsere Standards hochzuhalten und zu verbreiten - weltweit. Dies vorweg.

Das zweite, was ebenfalls wichtig ist zum Verstehen der aktuellen Angriffe - wie gesagt, es sind nicht die ersten, das darf nicht vergessen werden - seit den 70er Jahren wurden die Lohnersatzleistungen für Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger nach und nach gekürzt, aber unbemerkt. Ich erinnere zum Beispiel, das ist mein Lieblingsbeispiel, an das 50-Punkte-Programm der Kohlregierung, noch kurz vor ihrem Ausscheiden aus dem Amt. Vielen von euch ist das 50-Punkte Sparprogramm wahrscheinlich nur bekannt, weil es damals zu großen spontanen Arbeitsniederlegungen kam, weil einer dieser Punkte die Kürzung der Lohnfortzahlung beinhaltete. Und das ist eine sehr symbolische Errungenschaft der deutschen Gewerkschaftsbewegung. Es gab spontanen Aufstand. Von den verbleibenden 49 Punkten bezogen sich zirka 45 auf zunehmende verschlechterte Zumutbarkeiten für Langzeitarbeitslose, auf Kürzungen, auf Schikanen und Sanktionen gegenüber Erwerbslosen, auf Kürzung der Altersabsicherung für Erwerbslose und so weiter. Dagegen gab es keinen Proteststurm.

Damit sind wir beim zweiten Fehler der Gewerkschaftsbewegung – ihre sehr begrenzte Klientel, nämlich die Noch-Beschäftigten, und mittlerweile wissen wir, noch nicht da alle, sondern die Stammbelegschaften, die Facharbeiter, nicht die Prekären, nicht die Menschen mit befristeten Arbeitsverträgen, schon gar nicht Erwerbslose oder MigrantInnen. Das ist der zweite Fehler.

Kommen wir zu dem dritten, der hat nämlich vieles von diesem Sozialabbau ermöglicht – das ist die Leistungsorientierung. Diese Leistungsorientierung hat ermöglicht, daß der Sozialstaat, wie bereits gesagt, seit den 70er Jahren nach und nach abgebröckelt ist, daß er aber schon damals - und das ist mir sehr wichtig, daß wir das nicht vergessen - schon damals repressiven Charakter hatte. Auf Grund dieser Leistungsorientierung (wer was leistet, hat Fürsorge verdient, hat unsere Solidarität verdient, wer etwas nicht leistet, und damals hieß es noch, wer erwerbslos ist, ist selber schuld, der hat keinen „Luxus“ verdient) wurde der repressive Sozialstaat, und das war er schon damals, hingenommen. Das sind aber in diesem Falle nicht nur Gewerkschaftsspitzen, das ist leider die Mehrheit der Belegschaften bis heute, die sich gerne abgrenzt von Langzeitarbeitslosen oder gar Sozialhilfeempfängern.

Meine Sorge ist, daß diese Abgrenzung so weit geht, daß es uns nicht gelingen könnte, eine breite Solidarisierung aller Lohnabhängigen, also sprich derjenigen, die noch in Beschäftigung sind, mit denen, die erwerbslos sind oder gar denjenigen, die Sozialhilfeempfänger sind, und noch nie in die Sozialkassen einbezahlt haben, einzahlen konnten. Denn meine Beobachtung ist, und das sage ich ungern, aber ich denke mal, wir können nicht weiterkommen, wenn wir uns manchen Realitäten nicht stellen, meine Beobachtung ist, daß viele derjenigen, die im Sommer und Herbst zu Montagsdemos gegangen sind, es nicht wegen der Schikanen gegenüber den Langzeiterwerbslosen getan haben, denn die gleiche Zumutbarkeit, die Hartz IV für Menschen nach einem Jahr Erwerbslosigkeit bringt, gibt's für Sozialhilfeempfänger schon seit Jahren – ohne daß sich darüber jemand beschwert hat.

Das heißt, daß dieser Leistungsbegriff im Kopf, von uns allen, nicht nur Gewerkschaftsspitzen, ein Stück weit zur Spaltung, die wir leider untereinander haben, beiträgt. Ganz nach dem Motto „Ich hab' aber nun mal 30 Jahre eingezahlt in die Sozialkassen, ich hab' mir jeden Morgen den Arsch aufgerissen, ich bin selbst krank zur Arbeit gegangen, und nach einem Jahr droht mir Hartz IV“. Diese `Leistung` (wobei wir jetzt nicht den Raum haben, darüber zu streiten, ob das wirklich eine ist) wird den Sozialhilfeempfängern abgesprochen. Dieser an Verwertungskriterien des Kapitals orientierte Leistungsbegriff, den wir im Kopf haben, führt zu einem falschen Gerechtigkeitsbegriff, über den wir nachdenken müssen – was ist gerecht und was ist ungerecht?

Und der letzte Punkt - aber ich glaube, das ist mit der Wichtigste - das ist die nach wie vor bestehende Fixierung auf Lohnarbeit, und Anerkennung durch Arbeit, auch gesellschaftliche Anerkennung, aber auch Selbstbewußtsein durch Arbeit. Auch über den Arbeitsbegriff können wir uns heute nicht genug streiten – gemeint ist hier Arbeit immer als Lohnarbeit. sprich, daß Lohnabhängigkeit, Lohnarbeit nach wie vor als alternativlose Form der Existenzsicherung angesehen wird.

Dies bringt uns die schlimmsten Probleme, angefangen bei eben dem sozialpartnerschaftlichen Modell. Denn wenn ich keine Alternative zur Lohnarbeit sehe und nur darüber sowohl Existenzsicherung als auch Selbstbewußtsein, gesellschaftliche Anerkennung bekommen kann, wie es halt Gewerkschaftsspitzen, aber auch viele Belegschaftsmitglieder glauben, dann bin ich geradezu dazu verdammt, sozialpartnerschaftlich mit meinem Arbeitgeber für seine Wettbewerbsfähigkeit zu sorgen.

Das fängt damit an, daß man natürlich, gerade vor Angst vor Hartz IV, eher verzichtet als zu kämpfen - und das erleben wir gerade. Es ist ja nicht so, als ob die Belegschaften nicht aufgeklärt wären über den Sozialabbau, sie gehen mit der Angst aber anders um, als wir uns das für die Proteste gewünscht hätten. Gerade weil man glaubt, es gibt keine Alternative dazu, den Arbeitsplatz zu erhalten, den man „hat“, verzichtet man auf Lohn, auf Freizeit, auf die Qualität der Arbeitsbedingungen, zum Beispiel sehr gesundheitsrelevante Pausen und ähnliches - mit dem Effekt, daß damit die Belegschaften aus der Alternativlosigkeit heraus den Menschen, die auf Lohnersatzleistungen, die ja bekanntlich daran gekoppelt sind, nicht nur durch das Lohnabstandsgebot, diesen erwerbslosen Menschen in den Rücken fallen. Das ist die Konsequenz daraus, wenn man drüber redet, wie man jeden Arbeitsplatz erhält oder wie man gar Arbeit schafft – wir kennen ja alle diese Zitate von Gewerkschaftsfunktionären – Menschen in Arbeit zu bringen ist unser oberstes Ziel. Wenn man das tatsächlich so sieht und nicht nach Alternativen zu Lohnabhängigkeit sucht, sprich' mittelfristig bedingungsloses Grundeinkommen, Existenzgeld und langfristig Abschaffung der Lohnabhängigkeit selbst, gerät man in diese Falle, in der man wirklich nur verzichten kann und nichts anderes sieht. Wenn man unbedingt die Menschen in Ausbeutung bringen will, muss man die Hartz-Vorschläge gut finden.

Daraus ergibt sich, daß für uns mehrere Ziele im Prinzip auf der Agenda stehen. Auch wir sollten uns vielleicht einmal eine Agenda anschaffen, nämlich, diese Spaltung untereinander zu überwinden. Wie gesagt, das LabourNet Germany und viele andere Mitkämpfer haben sich seit Beginn der Hartz-Kommission überhaupt bemüht, aufzuklären, auch aufzuklären über die Bedingungen des Sozialstaats bisher, der uns gegeneinander spaltet: Rentner liegen den Erwerbstätigen auf der Tasche; Sozialhilfeempfänger sowieso, und anstatt man sich solidarisch miteinander erklärt und anstatt, daß man sich gegenseitig hilft, die Standards hoch zu halten, um aus dieser gegenseitigen Abhängigkeit und Unterbietungsspirale herauszukommen, bestehen diese Spaltungen leider nach wie vor. Und das wird unsere vorrangige Arbeit sein, diese zu überwinden.

Ich hoffe schwer, daß die einzelnen Elemente
a) Hinterfragung der Leistungsorientierung, die dahinter steckt, also der falschen Bilder von Gerechtigkeit oder der falschen Bilder von der Lohnarbeit als alternativlos und b) die Aufklärung über die Finanzierungswege des augenblicklichen Sozialstaats oder des bisherigen (z.B. die Lüge von den Lohnnebenkosten und der paritätischen Finanzierung) dazu beitragen können, daß alle erkennen, daß diese Spaltungen aller Lohnabhängigen untereinander künstlich geschaffen sind und nur dem Kapital zugute kommen und nicht uns. Daran müssen wir vorrangig arbeiten.

Der weitere Punkt ist, und der ist sehr wichtig, auch ein guter Ansatz, glaube ich, um überhaupt die Alternativlosigkeit der Lohnabhängigkeit in Frage zu stellen, die Frage der Grundsicherung. Wenn wir dabei ansprechen, daß diese Grundsicherung unbedingt bedingungslos sein muß, um eben Schikanen und Sanktionen zu entgehen, könnte alleine diese Debatte über eine solche bedingungslose Grundsicherung meines Achtens ein guter Ansatz sein, um auch aus der Arbeits- und Leistungsfixierung herauszukommen und über den Gerechtigkeitsbegriff nachzudenken.

Deswegen gehört beides, finde ich, unabdingbar zusammen. Ansonsten wird es nach wie vor Illusionen geben über paritätische Finanzierung, die noch nie eine war, über sogenannte Lohnnebenkosten und all diese Legenden des Kapitals, die tief in unseren Köpfen sitzen und dazu beitragen, die Spaltung, die eigentlich gar keiner will, zu vertiefen.

Was aber aus meiner persönlichen Sicht das allerwichtigste wäre und vielleicht die Grundvoraussetzung, um all die anderen Punkte anzugehen, wäre, daß wir alle darüber nachdenken, welche Ansprüche wir an das Leben überhaupt haben. Ich spreche ungern über Nationen, zumal ich selbst ein unglaublich genetischer Mischling bin, aber mir fällt schon auf, gerade wenn ich aus dem Ausland komme, wie genügsam die deutsche Bevölkerung ist. Und das ist nicht nur dieser Spruch, „man muß froh sein, wenn man Arbeit hat“, sondern absolute Genügsamkeit gegenüber, ja, der Qualität des Lebens, der Qualität der Arbeitsbedingungen, von den Produkten, für deren Produktion wir den größten Teil unseres Lebens verwenden, ganz zu schweigen. Man wird schnell, also gerade innerhalb der Linken, des Luxus' bezichtigt, wenn man gewisse Ansprüche ans Leben stellt. Und wenn wir das so weiterhin treiben, diese Genügsamkeit, dieses Spartanische, werden wir niemals die Ansprüche, noch nicht einmal annähernd, die Ansprüche selbstbewußt stellen, die das Kapital uns tagtäglich um die Ohren haut. Das ist nämlich - gierig und nie satt zu kriegen...

Und damit verbunden, also mit einem gewissen Selbstbewußtsein und Ansprüchen an das Leben, das ja bekanntlich verdammt kurz ist, ist auch die Frage bedingungsloser Rechte, die wir haben.
Viele von euch haben vielleicht schon öfter Vorträge von mir gehört und wissen, daß ich es gern wiederhole, wie die sans papièrs in Frankreich, also Menschen wirklich ohne geringste Absicherung (bekanntlich existiert, wer keine Papiere hat, ja gar nicht, weil, wenn die Bürokratie es nicht weiß, dann gibt's uns auch nicht), diese Menschen haben mit einer unglaublichen Selbstverständlichkeit und Selbstbewußtsein gesagt: „Ich bin ein Mensch, es ist mein Recht. Wie sie das finanzieren ist nicht mein Problem. Es ist mein Recht.“ Und dahin sollten wir vielleicht auch kommen.

Wir haben seit Beginn 2003, also seit Beginn des größten Angriffs der Nachkriegszeit, einen Krieg nach Innen, der unbedingt zum Krieg nach außen dazu gehört, von der Regierungsseite aus. Unsere Proteste gegen diesen Krieg haben seit dem mindestens zwei Höhepunkte gehabt, die - und jetzt will ich zur Hoffnung kommen -, die gute Ansatzpunkte darstellen konnten für genau diese Anforderungen an einen wirkungsvollen Kampf gegen diese Angriffe.

Ich nenne da nur zwei – wir können darüber streiten – für mich war es aber die Großdemonstration am 1. November 2003 und das war jetzt die Aktion AgenturSchluß, die ich mit koordiniert habe. Ich nenne deswegen die beiden, weil beide sich durch eines kennzeichnen: Beide gingen davon aus, daß wir nicht auf die Gewerkschaftsbürokratie warten sollen und es auch gar nicht müssen. Und das war eine unglaublich wichtige Erkenntnis...
Sie alle wissen ja alle, daß dieses Selbstbewußtsein „wir kriegen es auch von unten allein hin“ leider nicht lange angehalten hat und im Prinzip bereits beim Europäischen Sozialforum in Paris geknackt wurde, als sich die Gewerkschaften an die Spitze der sozialen Proteste gesetzt haben und uns die Regie aus der Hand genommen haben. Aber gerade noch mal nach dieser wiederholten Erfahrung, habe ich viel weniger Menschen davon reden hören, die Gewerkschaften sollten endlich aufwachen und mitbekommen, was hier läuft. Die schlafen doch gar nicht, die arbeiten gegen uns die ganze Zeit, und zwar massiv. Und daraus folgt, daß wir nicht auf Großorganisation, nicht auf Gewerkschaften warten sollen, sondern viel mehr noch genug Selbstbewußtsein haben sollten, in diesem Falle gegen sie zu arbeiten, weil sie ja in der Hartz-Kommission ja auch gegen uns gearbeitet haben.

Der zweite hoffnungsvolle Punkt: Selbstorganisierung muß aber nicht unbedingt bedeuten, daß man auf Organisierung in zentraler Form verzichtet. Nach all den Erfahrungen mit Parteigerangel, politischen Eitelkeiten und Machtspielchen würde ich allerdings hinzufügen, daß solche Organisierung unbedingt dezentral laufen soll, und zwar in vernetzten Strukturen. Wir brauchen keine Köpfe mehr und Zentralkomitees – die Menschen sind, glaube ich, reif genug, es auch selbst geregelt zu kriegen. Und ich finde, gerade die Aktion AgenturSchluß hat es gezeigt, daß es wunderbar funktionieren kann.

Die Idee zu Agenturschluss wurde geboren beim LabourNet-Kongreß zur Prekarisierung im Juni letzten Jahres, aber wir haben überhaupt nichts angestoßen im Sinne einer zentralen Organisierung, nur die Idee verbreitet. Es meldeten sich einfach immer mehr soziale Zusammenhänge aus den Städten, die das selbst übernommen haben. Und es lief. Vor allen Dingen, ich finde, es verlief verdammt gut wenn man bedenkt, daß es erstens zumindestens mir nie wichtig war, inwieweit die bürgerliche Presse uns wahrnimmt (viel mehr, wäre mir Lob der bürgerlichen Presse oder zu viel Beachtung suspekt gewesen) und zweitens hat es doch in durchaus vielen Städten geklappt, das, was das eigentliche Ziel von Agentur-Schluß war: Erwerbslose zur Selbstorganisierung zu bringen und eine Debatte mit denjenigen Lohnabhängigen, die gegen sie arbeiten, nämlich den Beschäftigten der Arbeitsagenturen, anzustoßen.

In diesem Sinne sehe ich durchaus viele Ansätze, demnächst besser den Strukturen, die gegen uns sprechen und gegen uns agieren - und das ist in diesem Falle ein großes Bündnis aus Kapital, Regierung, auch Oppositionsparteien, leider aber auch den Großgewerkschaften - diesem Bündnis selbstbewußter strotzen zu können. Wir haben zwar zwei Jahre gebraucht, aber ich finde, daß wir auf einem guten Weg sind, dezentrale, selbstbewußte und solidarische Strukturen aufzubauen, die alle Lohnabhängigen einbeziehen und keine Spaltung zulassen.

Anmerkungen

* Die Abschrift des frei gehaltenen Vortrags wurde – den leserInnen zu Liebe – sprachlich leicht ausgebügelt

** Der Vortrag von Mag Wompel wurde kurzfristig um eine Stunde vorgezogen


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