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Updated: 18.12.2012 15:51
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Demo 3.4. Einschätzung von Werner Rätz in der Informationaliste der attac-Kampagne „Soziale Sicherung“ vom 7.4.04

Liebe Freundinnen und Freunde,

die Demonstrationen am 3. April in Berlin, Köln und Stuttgart waren ein großer Erfolg für die Bewegung gegen den Sozialkahlschlag und auch für attac. Viele Attacies waren daran beteiligt, einige haben besonders viel gemacht: Die lokalen Gruppen in den Demonstrationsorten, die drei Rednerinnen, die Zeitungsverteilerinnen, und und und. Ihnen allen ist zu danken.

Peter Wahl hat in einer ersten Einschätzung ein paar Punkte angesprochen, über die weiter nachzudenken und zu reden sein wird. Vielem stimme ich zu, eine auch von ihm angesprochene Widersprüchlichkeit möchte ich ein wenig genauer anschauen:

Ende Mai vergangenen Jahres brach der DGB eine ohnehin nur halbherzig betriebene Mobilisierung gegen die Agenda 2010 ab und verkündete eine "Sommerpause". Zur gleichen Zeit begannen in Attac die Bemühungen um den Aufbau eines neuen Schwerpunktes gegen den Sozialabbau unter dem Motto "Es ist genug für alle da". Das bedeutete nach innen Klärung der Relevanz und des gloabailsierungskritischen Bezugs des Themas, nach außen Aufbau von Bündnissen, da wir alleine das nie würden schultern können. Diese Versuche mündeten schließlich in der Initiative beim Europäischen Sozialforum zu einem europäischen Aktionstag gegen Sozialabbau. Vor allem aus der innergewerkschaftlichen Linken entstand parallel ein Vorstoß, der zur äußerst erfolgreichen Demonstration vom 1.11.2003 führte. Beides, die ESF Diskussion für einen Aktionstag und der 1.11., brachten die Gewerkschaften auch offiziell zurück auf Protestkurs.

Dabei war die anfänglich vom DGB eingenommene Haltung eine des "Das ist unser Ding". Darin drückt sich schon die ganze Widersprüchlichkeit aus: Mehr zum Protest getragen als selbst gegangen, wuchs zwar in den Gewerkschaften die Einsicht, dass Protest und Widerspruch möglich und nötig sind, gleichzeitig damit stieg aber auch das Bedürfnis diese zu kontrollieren.

Im Laufe der Vorbereitungen des 3.4. gab es durchaus positive Entwicklungen: Die ursprünglich von vielen im DGB gewollte Beschränkung der Redelisten auf den Demos ließ sich nicht halten, es gab eine Öffnung für Sozialverbände, Globalsisierungskritik, Studierende, Erwerbslose, Kirchen. So positiv das ist, so sehr waren die ausgewählten RednerInnen manchmal auch Ausdruck ängstlichen Festhaltens an alten Bindungen. Es gab viele Gespräche zwischen Gewerkschaften und sozialer Bewegung, vor Ort, in einer wachsenden Zahl von regionalen Bündnissen, auf Bundesebene. Es gab auch eine Einladung an alle Strömungen, die den Aktionstag unterstützten, zu einem gemeinsamen Termin - eine Initiative des Beauftragten der IG Metall für den Kontakt zu den sozialen Bewegungen, Horst Schmitthenner, die fortgesetzt wird. Aber es gab kein auch nur annähernd gleichberechtigtes Bündnis.

Auch bei den Kundgebungen am 3. April selbst setzte sich diese Ambivalenz fort: Die drei gwerkschaftlichen Hauptredner fanden durchaus harte Worte über die Politik der Bundesregierung und deutliche Bekenntnisse zum sozialen Protestbündnis. Aber gleichzeitig gab es ein ängstliches Bemühen, zu betonen, dies sei keine Aktion gegen die rot-grüne Regierung sondern für eine andere Politik. Von Ursula Engelen-Kefer Sonntag Abend bei Christiansen bis in die Initiative für eine neue Linkspartei hinein hieß es, wenn die SPD ihre Politik ändere, dann sei alles wieder gut. Als wenn das eine in irgendeiner Weise realistische Option wäre!

Es scheint mir offensichtlich, dass die SPD der bisherigen Arbeitsteilung mit den Gewerkschaften (Umsetzung gewerkschaftlicher Positionen in Politik gegen Engagement für den sozialen Frieden) dauerhaft die Basis entzogen hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob GewerkschafterInnen dieser Partnerschaft nachtrauern oder ihr Ende begrüßen, zu Ende ist sie so oder so. Gewerkschaften werden lernen müssen, gemeinsam mit sozialer Bewegung kämpferisch und selbstbewusst für ihre Interessen einzustehen und dabei auch (und aktuell gerade) die Sozialdemokratie gegen sich zu haben. Das ist vielen unter ihnen durchaus bewusst. Aber selbst von diesen bekommen einige regelmäßig Heimweh, wenn die Distanz zur SPD zu groß wird. Kaum wird von dort mit netten Gesten und freundlichen Formulierungen gewunken, setzen manche auf die völlig irrationale Hoffnung, in der SPD könne sich doch noch etwas verändern. Das gilt übrigens durch die ganze Organisation hindurch, vom einfachsten Mitglied bis zur Spitze und wieder zurück.

Ich sehe keine Alternative dazu - und da stimme ich Peter Wahl ausdrücklich zu - als sich auf diesen widersprüchlichen und konfliktiven Prozess innerhalb der Gewerkschaften einzlassen. Wie die letzten Monate zeigen, können dabei wichtige Veränderugnen unterstützt werden. Dabei kommt es für uns darauf an, den veränderungsbereiten Kräften ein zuverlässiger Partner zu sein, der ihnen Lust und Mut auf mehr macht.

Freundliche Grüße
Werner Rätz


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