Die Karawane zog weiter... und verlief sich
Stellungnahme der Gruppe "Rote Zone" (Bonn)
zum "antikapitalistischen und sozialrevolutionären Block"
auf der Demo am 3. April in Köln
"Weitergehen!" war das Motto des "antikapitalistischen
und sozialrevolutionären Blocks" auf der Großdemo am 3.
April 2004 in Köln. Und es war - als Wortspiel - tatsächlich
gewitzt gewählt: Dort, wo der DGB "rechts abbiegt", geht
man weiter, in Bezug auf die Demo hieß das: nach der Deutzer Brücke.
Dort machte der linke Block mit dem Transparent "Weitergehen!"
(mit rotem Pfeil nach
links) unübersehbar auf sich aufmerksam und versuchte auch über
Lautsprecher zu agitieren.
Auf dem Weg zum Zülpicher Platz war man dann dennoch unter sich.
Die Stimmung war wenig kämpferisch, und so war am Rande genug Zeit
zu diskutieren, ob die Sache denn tatsächlich so glücklich war,
ob man womöglich nicht zugleich weiter- und weggegangen war. Tragen
wir zusammen:
- In kaum einem linken Flugblatt fehlte die richtige Stoßrichtung
gegen den DGB, der immer schon Teil des Problems statt der Lösung
war. Faktisch ist die Gewerkschaftsführung am Sozialkahlschlag
selbst mit beteiligt. Die Mobilisierung am 3. April diente dazu, die
Proteste zu kanalisieren / kontrollieren, nachdem der DGB am 1. November
2003 kalte Füße bekommen hatte.
- Gut 0,5% der Demo folgte denn auch der Losung weiterzugehen.
Die linke Family blieb so unter sich, hatte zweifellos die bessere Musik
und die überzeugenderen Inhalte: Nicht nur die Agenda 2010 ist
faul, sondern das ganze System gehört über Bord. Richtig,
nur: reicht es, selbst davon überzeugt zu sein oder will man nicht
auch andere darauf bringen?
- Eine Entscheidung, zwar inhaltlich, aber nicht von der
Route her weiterzugehen, hätte sicherlich eine bescheidene Chance
geboten, richtige Inhalte präsenter zu machen. Sie hätte nicht
bedeutet, den Gewerkschaften zu folgen, sondern dort zu sein, wo massenhaft
Leute sind. Leute, die - zumindest irgendwie - keinen Bock mehr auf
die (derzeit) herrschende Politik haben, auch wenn sie nicht frei von
Rassismus, Nationalismus, Sexismus usw. sind. Leute, bei
denen es sich trotz allem lohnen könnte, sie mit richtigen Inhalten
zu konfrontieren. "Nicht sich an den Massen orientieren, sondern
die Massen auf sich" lautet ein oller Spruch dazu, der so ganz
überholt nicht ist. Kurz: Man wäre nicht wegen, sondern trotz
des DGB unter der Demo geblieben.
- Auf der Demo einfach nur so mitzulatschen, danach wäre
uns sicher nicht gewesen, auch wenn man sich immerhin einen etwas genaueren
Eindruck von der Stimmung hätte verschaffen oder mit anderen Leuten
mal hätte austauschen können. Aber gerade auch auf der Abschlusskundgebung
hätte man womöglich die Chance gehabt, auf sich aufmerksam
zu machen - große Transparente und Pfeifkonzerte vor der Bühne
wären mindestens drin und leicht zu organisieren gewesen. Immerhin
wurde Norbert Blüm ausgepfiffen, was wir übrigens aus dem
Express wissen und nicht etwa, weil wir dort waren. Gegenüber Peer
Steinbrück, der als Redner auf der 1. Mai-Demo in Köln angekündigt
ist, ist der politisch abgehalfterte Blüm übrigens ein Leichtkaliber...
- Die drei Großdemos in Berlin, Köln und Stuttgart
waren sicherlich ein Zeichen dafür war, dass der Unmut sehr tief
sitzt. Und wo Unmut wächst - und sich nicht tendenziell reaktionär
äußert - muss da die Linke nicht intervenieren? Müssen
wir nicht da sein, wo es brodelt? Wo aus Angst Wut wird, könnte
es sich da nicht lohnen, mit dem alt bewährten "Wandelt Wut
in Widerstand" aufzuwarten? Oder mit dem neueren "Unsere Agenda
heißt Widerstand"? Zu sagen: Ja, es ist ok, für Zahnersatz,
für Rente, für Kita-Plätze, für Kündigungsschutz
zu
kämpfen. Radikal für Verbesserungen kämpfen - ok. Aber
wir legen noch eine Schippe drauf: Wir wollen alles! Die ganze Bäckerei!
Alles für alle! Todo para todos! Wir gehen weiter - und wenn es
fragend ist.
- Die Diskussion um das sinnbildliche Weitergehen vom 3.
April muss mit Hinblick auf mögliche weitere Demos geführt
werden. Letztlich ist es aber nicht die entscheidende Diskussion. Entscheidend
ist vielmehr, wie sich ein möglicher Aufbruch im Alltag äußert,
in den Stadtteilen, an den Schulen, an den Unis, in den Betrieben, auf
den Ämtern etc. Gelingt es dort, an Leute mit Inhalten heranzutreten,
die wir als antikapitalistisch, sozialrevolutionär o.ä. beschreiben,
dann sind wir auf dem richtigen Weg. Mit Inhalten, die gegen das Kapital,
die herrschende Politik und auch gegen die DGB-Führung gerichtet
sind - ob wir dabei innerhalb oder außerhalb von Gewerkschaften
agieren, ist dafür erst einmal zweitrangig. Ob der 3. April ein
Signal zum Aufbruch war, muss sich zeigen. Unbenommen ist jedenfalls,
dass es weitergehen muss.
Rote Zone, Bonn
PS: Auch mit der Kritik an der Bierseligkeit der DGB-Demo
sollte man vorsichtig sein: Auf welcher Demo der Pro-Kopf-Verbrauch höher
lag, konnte noch nicht abschließend ermittelt werden...
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