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Updated: 18.12.2012 15:51
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Die Karawane zog weiter... und verlief sich

Stellungnahme der Gruppe "Rote Zone" (Bonn) zum "antikapitalistischen und sozialrevolutionären Block" auf der Demo am 3. April in Köln

"Weitergehen!" war das Motto des "antikapitalistischen und sozialrevolutionären Blocks" auf der Großdemo am 3. April 2004 in Köln. Und es war - als Wortspiel - tatsächlich gewitzt gewählt: Dort, wo der DGB "rechts abbiegt", geht man weiter, in Bezug auf die Demo hieß das: nach der Deutzer Brücke. Dort machte der linke Block mit dem Transparent "Weitergehen!" (mit rotem Pfeil nach
links) unübersehbar auf sich aufmerksam und versuchte auch über Lautsprecher zu agitieren.
Auf dem Weg zum Zülpicher Platz war man dann dennoch unter sich. Die Stimmung war wenig kämpferisch, und so war am Rande genug Zeit zu diskutieren, ob die Sache denn tatsächlich so glücklich war, ob man womöglich nicht zugleich weiter- und weggegangen war. Tragen wir zusammen:

  • In kaum einem linken Flugblatt fehlte die richtige Stoßrichtung gegen den DGB, der immer schon Teil des Problems statt der Lösung war. Faktisch ist die Gewerkschaftsführung am Sozialkahlschlag selbst mit beteiligt. Die Mobilisierung am 3. April diente dazu, die Proteste zu kanalisieren / kontrollieren, nachdem der DGB am 1. November 2003 kalte Füße bekommen hatte.
  • Gut 0,5% der Demo folgte denn auch der Losung weiterzugehen. Die linke Family blieb so unter sich, hatte zweifellos die bessere Musik und die überzeugenderen Inhalte: Nicht nur die Agenda 2010 ist faul, sondern das ganze System gehört über Bord. Richtig, nur: reicht es, selbst davon überzeugt zu sein oder will man nicht auch andere darauf bringen?
  • Eine Entscheidung, zwar inhaltlich, aber nicht von der Route her weiterzugehen, hätte sicherlich eine bescheidene Chance geboten, richtige Inhalte präsenter zu machen. Sie hätte nicht bedeutet, den Gewerkschaften zu folgen, sondern dort zu sein, wo massenhaft Leute sind. Leute, die - zumindest irgendwie - keinen Bock mehr auf die (derzeit) herrschende Politik haben, auch wenn sie nicht frei von Rassismus, Nationalismus, Sexismus usw. sind. Leute, bei
    denen es sich trotz allem lohnen könnte, sie mit richtigen Inhalten zu konfrontieren. "Nicht sich an den Massen orientieren, sondern die Massen auf sich" lautet ein oller Spruch dazu, der so ganz überholt nicht ist. Kurz: Man wäre nicht wegen, sondern trotz des DGB unter der Demo geblieben.
  • Auf der Demo einfach nur so mitzulatschen, danach wäre uns sicher nicht gewesen, auch wenn man sich immerhin einen etwas genaueren Eindruck von der Stimmung hätte verschaffen oder mit anderen Leuten mal hätte austauschen können. Aber gerade auch auf der Abschlusskundgebung hätte man womöglich die Chance gehabt, auf sich aufmerksam zu machen - große Transparente und Pfeifkonzerte vor der Bühne wären mindestens drin und leicht zu organisieren gewesen. Immerhin wurde Norbert Blüm ausgepfiffen, was wir übrigens aus dem Express wissen und nicht etwa, weil wir dort waren. Gegenüber Peer Steinbrück, der als Redner auf der 1. Mai-Demo in Köln angekündigt ist, ist der politisch abgehalfterte Blüm übrigens ein Leichtkaliber...
  • Die drei Großdemos in Berlin, Köln und Stuttgart waren sicherlich ein Zeichen dafür war, dass der Unmut sehr tief sitzt. Und wo Unmut wächst - und sich nicht tendenziell reaktionär äußert - muss da die Linke nicht intervenieren? Müssen wir nicht da sein, wo es brodelt? Wo aus Angst Wut wird, könnte es sich da nicht lohnen, mit dem alt bewährten "Wandelt Wut in Widerstand" aufzuwarten? Oder mit dem neueren "Unsere Agenda heißt Widerstand"? Zu sagen: Ja, es ist ok, für Zahnersatz, für Rente, für Kita-Plätze, für Kündigungsschutz zu
    kämpfen. Radikal für Verbesserungen kämpfen - ok. Aber wir legen noch eine Schippe drauf: Wir wollen alles! Die ganze Bäckerei! Alles für alle! Todo para todos! Wir gehen weiter - und wenn es fragend ist.
  • Die Diskussion um das sinnbildliche Weitergehen vom 3. April muss mit Hinblick auf mögliche weitere Demos geführt werden. Letztlich ist es aber nicht die entscheidende Diskussion. Entscheidend ist vielmehr, wie sich ein möglicher Aufbruch im Alltag äußert, in den Stadtteilen, an den Schulen, an den Unis, in den Betrieben, auf den Ämtern etc. Gelingt es dort, an Leute mit Inhalten heranzutreten, die wir als antikapitalistisch, sozialrevolutionär o.ä. beschreiben, dann sind wir auf dem richtigen Weg. Mit Inhalten, die gegen das Kapital, die herrschende Politik und auch gegen die DGB-Führung gerichtet sind - ob wir dabei innerhalb oder außerhalb von Gewerkschaften agieren, ist dafür erst einmal zweitrangig. Ob der 3. April ein Signal zum Aufbruch war, muss sich zeigen. Unbenommen ist jedenfalls, dass es weitergehen muss.

Rote Zone, Bonn

PS: Auch mit der Kritik an der Bierseligkeit der DGB-Demo sollte man vorsichtig sein: Auf welcher Demo der Pro-Kopf-Verbrauch höher lag, konnte noch nicht abschließend ermittelt werden...


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