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Updated: 18.12.2012 15:51
Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

Heute ist Tag 66 im CNH-Streik. Das ist Grund genug über die Geschichte der Firma und die Ereignisse der letzten Wochen zu berichten.

Benno Orenstein und Arthur Koppel gründeten am 1. April 1876 die "Orenstein & Koppel OHG". Ein Unternehmen das "deutsche" Industriegeschichte schrieb, besonders im Krieg. Nach den Kriegsjahren wurden in Spandauer Orenstein und Koppel Werk Eisenbahnzüge (Rheingold, Persischer Staatszug usw), Rolltreppen, Bagger und Grader hergestellt.

Zwischen 1963 und 67 versuchten Anarchisten eine Antiautoritäre Strömung im Betrieb zu etablieren. Unter den damals über 2.500 Arbeiter_Innen waren die meisten, die ca 40 Jahre alt waren in der Wehrmacht gewesen und waren diesen Versuchen total feindlich gesinnt. Es wurden letztlich alle Antiautoritären entlassen. Einige noch lebende Kollegen aus der Zeit sind ehemalige 68er-Linke. Heute sind Kollegen aus den 60ern kaum noch im Betrieb vorhanden und aus 2500 ArbeiterInnen sind 500 geworden. Die meisten sind so 25 bis 30 Jahre im Betrieb. Eisenbahnzüge und Rolltreppen werden nun nicht mehr in Spandau produziert und O&K (Orenstein & Koppel) wurde an die FIAT-Tochter Case New Holland verkauft, die wiederum das Werk schliesst. So sind wir nun schon bei Tag 66 des Streiks und es scheint kein Ende zu nehmen.

Es wurde ja schon einiges über den Streik berichtet. Ich will einiges über die letzten Aktionen schreiben...

Am besten setzen wir bei der Transparent-Aktion am Reichstag ein, wo ein über 1,2 km langes Transparent um den Platz der Republik gespannt wurde. Es wird behauptet das es das längste Transparent ist was Berlin je gesehen hat.
Auch wurde schon von dem türkischen Fest berichtet was es dann gab. Das ist mittlerweile schon wieder 2 einhalb Wochen her. CNHler ließen es sich selbstverständlich auch nicht nehmen auf Einladung hin im Berliner Ensemble vorbeizukucken und sich mit einem Transparent vor Brechts "Die Mutter" fotografieren lassen, wo draufsteht: "CNH Streikende singen seit dem 21.2. Das Lied vom Ausweg: Wenn für dich keine Arbeit zu finden ist DA mußt du dich doch wehren!"

Jaja, einiges hat sich seit dem 21.2.2006 geändert.

Damals waren es Minus-Grade und die Feuertonnen und Holz waren unabdingbar zum führen des Streiks. Es war glatt, eisig und sehr oft unter Minus 10 Grad Celsius. Es war oft weiß und kalt, ein Hund bellte immer vor Kälte. Auf dem Weg zum Streikzelt ist mensch fast immer einen Kälte-Tod gestorben.

Nun sind es Plus-Grade in der Nacht (+13 Grad Celsius) und trotz anhaltenden Regen friert mensch nicht. Alles erblüht und überall ist grüner Rasen. Es quacken die Frösche in dem Feuerwehrteich auf dem Betriebsgelände.

Neulich sollen gar munkelnderweise Wildschweine im Feuerwehrteich aufm bestreikten Betriebsgelände gebadet haben. Haben diese Schweine damit Streik gebrochen? Andere haben das auf Jeden Fall!

Ganze Volkscharen von Politiker haben ja schon mittlerweile das Streikzelt während der Streikversammlung besucht.

Bei der gesamten Politikerkaste gehört es schon zum guten Ton mal "vorbeizuschauen". Doch dazu sagen die Kollegen einfach: So ein Quatsch. Was hat denn das bisher gebracht. Da kommen sie alle hier her labern uns voll und hauen wieder ab. Aber getan haben sie bisher nichts für uns!

So war zum Beispiel am 51. Streiktag der Fraktionsvorsitzende der Linkspartei ausm Bundestag da: Gregor Gysi.

Wahrscheinlich aus Angst vor Antisemitischen Übergriffen oder so etwas waren da sehr viele Bodyguards unterwegs."Worunter eine Belegschaft leidet, sind Fehler, die das Management macht." wusste er zu erzählen. Er meinte auch das die Chefs vor Ort keine "Entscheidungskompetenz" mehr haben. "Der Staat betreibt Ausverkauf und stellt sich dann vor die Arbeitslosen, Kranken und Rentner hin und sagt, es sei kein Geld mehr da. So machen wir unsere soziale Demokratie kaputt!" Er kritisierte Steuererleichterung für Reiche, niedrige Löhne und die Aufhebung des Kündigungsschutzes... dem will er nicht den Kommunismus gegenüberstellen (Wie ihm oft vorgeworfen oder unterstellt wird), sondern eine soziale und integrative Politik. Naja Phrasen kann ja jeder dreschen. Er unterstützt die Mindestlohnkampagne des DGB und meinte der KAmpf gegen die Aufhebung des Kündigungsschutzes in Frankreich und der Europaweite Protest gegen Bolkestein seien beispielhaft...

Auch Gesine Lötsch, seine stellvertreterin in derselben Fraktion kam mal vorbei...

Am 53. Streiktag, war ein Betriebsrat von Iveco beim Streik und meinte das man sich gegenseitig im Kampf gegen FIAT unterstützen müsse um den Konzern, dessen Chef Sergio Marchionne ist, "flächendeckend" anzugreifen. Am 15. April, dem Ostersonntag war dann auch um 11 Uhr ein großes Bürgerfest aufm Spandauer Markt den die CNHler Kollegen ausgerichtet hatten: "Ein kleines Dankeschön für eure Unterstützung!" wollten sie den Spandauer_Innen signalisieren. Es war sehr sonniges Wetter und es trat die Rockband "Mercedes and the Kit-Kat-Club" auf.

Der Streikleiter Luis Sergio berichtete dort von einem Schreiben, das die Geschäftsleitung an die Streikende Belegschaft verschickt hatte. darin werde mit arbeitsrechtlichen Maßnahmen bis hin zu fristloser Kündigung gedroht.

Das sei einfach nur eine psychlogische Vorbereitung für einen Versuch die Maschinen abzutransportieren, meinte er. Es gab eine besondere Show-Einlage. Kollegen zertrümmerten nämlich mit Vorschlaghämmern einen FIAT.

Um 18:00 Uhr fand dann das Osterfeuer am Haupttor bei CNH statt.

Am 58. Streiktag lief einiges nicht im Interesse der Werksleitung. Es wurden Betriebsratswahlen gemacht. 70 Kolleg_Innen wollten durch das Haupttor zur Kantine um ihre Stimme abzugeben. Dann sollten plötzlich alle über das Feuerwehrtor gehen. Angeblich hätten sich dann nach der Abstimmung Kollegen aufm Betriebsgelände verlaufen (was passieren kann, wenn solange gestreikt wird) und die Security hatte diese Situation nicht mehr unter Kontrolle.

Gleichzeitig kamen immerwieder Wähler_Innen nach. Nun wurde wieder auf das Haupttor umdisponiert. Dann fiel den Chefs noch schnell ein, daß sie Zugänge zuschließen müssten. Die Kolleg_Innen freuten sich nach langer Abwesenheit mal wieder ihren Arbeitsplatz gesehen zu haben.

Ausserdem wurde den Chefs der Spiegel vorgehalten. Die Einfahrt wurde mit den Ostersonntag schon erwähnten Schreiben gepflastert und die Kolleg_Innen setzten sich die Masken (Gesichter der Chefs) auf. Es ist schon komisch, wenn dutzende Leute mit dem eigenen Gesicht da rum stehen.

Ausserdem demonstrieren auch schon Fußballer, wie die des NSC Marathon 02 für den Erhalt der Arbeitsplätze von CNH....

In der "CNH-Streikzeitung" Nummer 38 vom 24. April 2006 wird geschrieben: "Nachdem auch die IG-Metall-Bezirksleitung einen ...-Brief [vom CNH-Betriebs-Chef] erhielt, in dem sie aufgefordert wird, 700.000 Euro Vertragsstrafe zu zahlen, hat die CNH-Geschäftsleitung nun Höchstsätze an Ordnungsgeldern oder Ordnungshaft beim Arbeitsgericht beantragt..." und weiter "...[des Chefs] Doppelzüngigkeit ist offenkundig: Einerseits wird die Betriebsratswahl gesetzeswidrig behindert, auf der anderen Seite Gericht und Polizei gerufen, wenn es um die Durchsetzung der eigenen Interessen geht. Das sind Klassenkampf-Methoden wie aus dem 19. Jahrhundert."

Das nahm dann der Streikleiter zum Anlass im Knast-Look bei der Streikversammlung aufzutreten.

Nach dem KollegInnen schon am Berliner Ensemble eingeladen wurden, hatte diesmal das Grips-Theater Kollegen gebeten mal vorbeizuschauen und es gingen CNH-Kollegen nun zum Grips-Theater am Hansa-Platz um sich dort "Eine ganz linke Geschichte!" anzukucken.

Kollegen erzählten mir auch von tollen Auftritten von Rolf Becker beim Streik.

Ausserdem gab es laut IG Metall einen Bestechungsversuch vom Chef gegenüber dem Sieger der Betriebsratswahlen. Er bot ihm an, für die Herausgabe je eines Graders zahle CNH je zwei Familien zwei Wochen Urlaub in Ungarn (am Balaton?). Ein Kollege soll gerufen haben "Wir sind doch keine kriechenden Kröten" und die streikende Belegschaft soll verlautbart haben, das sie lieber nach Paris zur Baumaschinenmesse INTERMAT fährt. Nun kam sogar Heinz Stehr der Vorsitzende der DKP (Deutsche Kommunistische Partei) zum Streik vorbei. Die "antikommunistische" deutsche Bundesbahn verhinderte jedoch das er vor den streikenden Massen seine Reden halten konnte und so kam er mit in "den Streikleiterkontainer".

Nun haben sich am Samstag den 22. April 2006 die Tarifparteien in der Branche Metall in NRW geeinigt, und andere haben den Abschluß übernommen, womit der Branchenweite IG Metall-Streik abgewendet wurde!

Aber wenn in der Branche Metall nicht gestreikt wird, so wird doch bei CNH in Berlin Spandau gestreikt.

So auch am 64. Streiktag. Am 25. April tauchten ca 30 Kolleg_Innen auf der INTERMAT, der Internationalen Baumaschinenmesse in Paris auf. Sie hatten Postkarten mit einem Informationstext auf Französisch dabei. Die Security haben aber sehr gelassen reagiert und es gab Beifall der Messebesucher für die Aktion und eine sehr große Zustimmung. Es wurden Transparente auf italienisch hochgehalten und die (große kommunistische Tageszeitung) "l´Humanite´" und die (ehemals syndikalistische) CGT, ebenfalls kommunistisch, machten auch Öffentlichkeitsarbeit. Die Bosse sollen sich richtig geärgert haben, zumal sie keine "krassen" Maschinen vorzuweisen hatten. Die stehen nähmlich noch in Spandau.

Die Bosse hatten ja versucht mit dem Linsengericht von Balatonreisen die Streikenden dazu zu bewegen die Bagger und Grader rauszurücken. Nun wurde am 65. Streiktag der Balaton zum Haupttor geholt. Sand, Planschbecken, Liegestühle unter Sonnenschirmen, Federballspielende Kollegen zeigten, dass sie sich nicht einlullen lassen.

Ausserdem schauten ukrainische und Weißrussische Kollegen mal vorbei.

Mittlerweile ist der ökonomische Druck auf CNH so groß, daß sie sich angeblich... aber aber ein Streik tut nunmal dem Kapital weh!

Der 1.Mai ist der Kampftag der Arbeiterklasse! "Berlin-Paris-Turin unser Kampf ist international" titelte die CNH-Streikzeitung nr39. Am 1.Mai werden CNHler von italienischen Gewerkschaftern in Turin empfangen, so dieselbe Streikzeitung.

Aber auch in Berlin wird CNH das Hauptthema des diesjährigen 1. Mai sein! Dafür probt sogar schon ein eigens dafür aufgestelltes CNH-Streikorchester.

In den letzten Tagen schauten BMW- und FIAT-Betriebsräte vorbei.

Tun die PolitikerInnen jetzt wirklich etwas für die Streikenden? Aus Streikleiter-Kreisen heisst es dazu das Gysi sich mit dem Italienischen Botschafter getroffen hätte. Andrea Nahles hat den Leiter des Hauptstadtstudios des ZDF höchstpersönlich darum gebeten mehr über den CNH-Streik zu senden. Monika Wulf-Mathies ehemals Vorsitzende der Gewerkschaft Öffentliche Transporte und Verkehr (ÖTV) und auch ehemalige EU-Kommissarin hat den neuen italienischen Ministerpräsidenten Romano Prodi darum gebeten das er auf den FIAT Konzern Einfluß nimmt um eine Schließung in Berlin zu verhindern.

Und schon haben wir heute den 66. Streiktag und am 70. Streiktag da ist der Erste Mai!


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