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Updated: 18.12.2012 15:51
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Wie man mit Büchern an die Wand fährt

Welche Eltern kennen nicht Janosch? Der Beltz&Gelberg-Verlag ist für gute Kinderbücher bekannt. Er gehört zur Beltz-Gruppe (Weinheim/Bergstraße), die mit Titeln wie "Psychologie heute" anerkannte Fachzeitschriften und Bücher produziert. Weniger bekannt ist, daß dies unter Bedingungen geschieht, die nicht ins 21. Jahrhundert passen.

Seit dem 2. Februar 2006 steht das Druckhaus Beltz in Hemsbach unter Insolvenzverwaltung. Alle 65 Mitarbeiter wurden entlassen. Die Belegschaftsmitglieder sind der Meinung, dass dies von den Eigentümern, der Familie Rübelmann, systematisch vorbereitet wurde.

In den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts war Manfred Beltz Rübelmann Vorsitzender des Verbandes der Druckunternehmer (BVDM). Seine Führung bei Tarifverhandlungen mit der IG Druck&Papier war so hart, dass damit selbst seine Unternehmer-Kollegen nicht einverstanden waren. Er musste als Vorsitzender zurücktreten und kam dem Ausschluß aus seinem Verband nur durch Austritt zuvor. Die Beltz-Druck- und Verlagsgruppe wurde daraufhin in ein Geflecht vieler Einzelfirmen aufgesplittet, zu deren Geschäftsführern Manfred Beltz Rübelmann seine Kinder einsetzte. Sein Sohn Matthias Rübelmann wurde Geschäftsführer des Druckhauses in Hemsbach.

Mit der Gründung der Firma "Druckpartner Rübelmann" 1986 holte sich Matthias Rübelmann die Konkurrenz ins eigene Haus. Hier wurde bei bis zu 30% unter Tariflohn und schlechteren Arbeitsbedingungen produziert.

Ab 2002 entstand der Eindruck, daß das Stammhaus "Druckhaus Beltz" zielstrebig in den Ruin getrieben werden sollte. Ständigen Forderungen nach schlechteren Arbeitsbedingungen begegnete der Betriebsrat mit Zugeständnissen, die der Geschäftsleitung jedoch nicht weit genug gingen. Bereits 2005 gab es elf Entlassungen. Dennoch wurden Bücher und Zeitschriften mit Verlust in großem Umfang produziert - bewußt, wie Beschäftigte vermuten. Mit über 900.000 Euro Zuschuss allein im Jahr 2005 wurden alle Reserven des Druckhauses Beltz aufgezehrt. Selbst die vertraglich zugesicherten Abfindungen für die entlassenen Kolleginnen und Kollegen wurden mangels Masse nicht gezahlt. Der Verdacht liegt nahe, dass Matthias Rübelmann bereits bei der Unterschrift unter den Sozialplan im Frühjahr 2005 wusste, dass er diesen nicht würde erfüllen können.

Bis zuletzt hielten Matthias Rübelmann und die Geschäftsleitung vor der Belegschaft und dem Betriebsrat Informationen über den Umfang der Krise zurück, bis es nicht mehr zu verheimlichen war: Am 18. November 2005 stellte Matthias Rübelmann Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit.

Den alten Traditionsbetrieb Beltz (Gründung: 1841) gibt es nicht mehr. 42 Beschäftigte stehen auf der Straße. Weitere 23 Mitarbeiter wurden von der Billig-Konkurrenz im eigenen Haus zu weitaus schlechteren Arbeitsbedingungen - nein, nicht übernommen, sondern neu eingestellt. Für die teilweise seit Jahrzehnten in den selben Hallen tätigen Beschäftigten gelten nun Probezeiten, Betriebszugehörigkeit wird nicht angerechnet. Auch die Geschäftsführung ist die gleiche geblieben. Die "Druckpartner Rübelmann GmbH" unter dem Dach der "Beltz Rübelmann Holding GmbH & Co." gehört zu 100% den Geschwistern Matthias, Hilde und Ulrich Rübelmann. Insider prophezeien der Übernahme-Firma jedoch kein langes Überleben, da es an qualifizierten Fachkräften mangele.

Gerd Vohs, zuständiger Fachbereichs-Sekretär der Gewerkschaft ver.di: "Natürlich haben wir Jahre schlechter Ertragslage in der Druckindustrie hinter uns. Doch der Zusammenbruch des Druckhauses Beltz erfolgte zu einer Zeit, als es wieder aufwärts ging. Der Grund dafür ist eine Mischung aus unternehmerischer Unfähigkeit und irrationaler Abneigung der Familie Rübelmann gegen alles, was für die Rechte der arbeitenden Menschen eintritt - seien es Betriebsrat oder Gewerkschaft." Immer wieder hatte die Geschäftsleitung in den vergangenen Jahren Betriebsräte zu kündigen versucht. Die jeweils abenteuerlichen Begründungen hatten jedoch nie Bestand vor Gericht. Noch kurz nach Toresschluss erhielten drei Beltz-Betriebsratsmitglieder Hausverbot, das erst nach anwaltlichem Einsatz zurückgenommen wurde.

Mit Blick auf die hochwertigen Produkte des Hauses erklärt ein Kollege voller Zorn: "Es ist wohl eine Sache, mit sozialer Literatur Geld zu scheffeln, eine andere aber, selbst nicht danach zu handeln." In einem Flugblatt melden sich die ehemaligen Beschäftigten zu Wort: "Wenn Sie weiter gute Bücher lesen wollen, so bitten wir Sie: Fordern Sie, daß diese Bücher auch zu fairen Bedingungen gedruckt werden!"

Hans Dölzer


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