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Updated: 18.12.2012 15:51
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5.000 Beschäftigte der Unikliniken Baden Württemberg im Streik - Solidarität notwendig

Bericht von Ursel Beck, 8. Oktober 2005

Kann in Krankenhäusern erfolgreich gestreikt werden? Nein, glauben die Arbeitgeber. Sie wiegen sich in Sicherheit vor einem Arbeitskampf und denken sie könnten in den Krankenhäusern die ohnehin harten Arbeitsbedingungen und niedrigen Löhne immer weiter nach unten schrauben. Im Jahr 2003 wurde für Neueingestellte an den baden württembergischen Unikliniken das Urlaubsgeld gestrichen und das Weihnachtsgeld gekürzt. Gleichzeitig wurden die Unikliniken in Anstalten des öffentlichen Rechts umgewandelt. Seit Mai 2004 müssen alle Neueingestellten 41 Wochenstunden arbeiten. Zum 31.01.05 kündigten die Klinkvorstände schließlich die Mitgliedschaft im öffentlichen Arbeitgeberverband. Sie wollen einen Haustarifvertrag mit 15 bis 20% Lohnabsenkung und der 40-Stunden-Woche für alle. Mehrere Warnstreiks wurden dagegen inzwischen organisiert. Doch ein Streik wurde bisher vermieden. Ein Faktor dabei war, dass selbst viele Gewerkschaftsfunktionäre glauben im Gesundheitswesen wäre man nicht streikfähig. Der Organisationsgrad sei zu niedrig, die Kampfbereitschaft nicht vorhanden. Die Streiks der Ärzte haben diese Position bereits in Frage gestellt. Der erste Erzwingsungsstreik an den Unikliniken beseitigt das Vorurteil über die mangelnde Kampfbereitschaft an den Krankenhäusern vollends.

92,5% der ver.di-Mitglieder haben sich für Streik ausgesprochen. Bei einem relativ niedrigen Organisationsgrad heißt das nicht viel, haben sich die Krankenhausmanager gesagt und gaben sich der Illussion hin, dass der Krankenhausbetrieb im Falle eines Streiks ohne große Störungen weiterlaufe. Deshalb weigerten sie sich zum Teil vor Streikbeginn Notdienstvereinbarungen abzuschließen. "Die setzten erneut auf die Aufopferung der Pflegekräfte für die Patienten. Aber da haben sie sich gründlich verkalkuliert", so Personalrätin Doris Gubler-Rehbock von der Uniklinik Ulm. "Florence Nightingale ist tot - wir wollen leben." Dieser Spruch steht auf einem großen Transparent an der Uniklinik in Tübingen. Damit bringen die Streikenden ihre klare Absage an unbezahlte Arbeit nach dem Beispiel von Florence Nightingale - einer Art Mutter Theresa der Krankenpflege zum Ausdruck. Die Wut unter den Beschäftigten sei enorm und nehme durch die Arroganz der Arbeitgeber weiter zu. So wird aus allen Unikliniken in Baden Württemberg berichtet.

Der erste Streiktag am 5.10. war ein "Paukenschlag" so die ver.di-Landesvorsitzende Sybille Stamm. An den Standorten in Freiburg, Ulm, Tübingen und Heidelberg legten 5.000 der 25.000 Beschäftigten die Arbeit nieder. In Tübingen nahmen an diesem Tag 1.200 Kolleginnen und Kollegen an einer Streikkundgebung teil. "Wir bekamen tausende von Anrufen von Kollegen, die sagten wir wollen auch streiken", berichteten Personalräte bei einer gemeinsamen Pressekonferenz am 6.10. 05 in Stuttgart. Ganze Schichten seien nicht zum Dienst erschienen. "Wir mussten Beschäftigte zurückhalten, damit überhaupt ein Notdienst aufrechterhalten werden konnte." Angela Hauser, Personalrätin an der Uniklinik Tübingen, spricht sogar von einem "Generalstreik" an der Uniklinik in Tübingen. Außer Notoperationen lief in allen Standorten nichts an Operationen. Auch Nichtorganisierte beteiligen sich am Streik. Viele Kolleginnen und Kollegen treten jetzt in die Gewerkschaft ein. Es gibt keine Probleme mit Streikbrechern.

Die Streikmoral wird unterstützt durch die Solidarität von Patienten und Bevölkerung. "Es gibt nur Zuspruch" berichten die Personalräte und ver.di-GewerkschafterInnen aus den Unikliniken. Nirgends sei bisher irgendwelcher Unmut aufgekommen. In Tübingen machen die Streikenden in der Innenstadt täglich einen Informationsstand. Auch hier komme nur Solidarität an.

Während auf Bundesebene die Ärzteorganisation Marburger Bund mit ver.di im Clinch liegt, zeigen sich die meisten Ärzte in den Kliniken solidarisch mit ihren KollegInnen auf den Stationen, in der Küche oder der Verwaltung. Ärzte, die im Marburger Bund organisiert sind, haben bei Streikversammlungen gesprochen und ihre Solidarität mit den Krankenschwestern, Pflegern und anderen Beschäftigten bekundet. Der Marburger Bund Baden Württemberg, erklärte am 28.9.05 in einem Mitgliederbrief, den Arbeitskampf "wohlwollend zu begleiten und den Streikenden keine Steine in den Weg zu legen ...Der Marburger Bund will die berechtigten Forderungen der Hochschulmediziner nicht zu Lasten der anderen Mitarbeiter, der Schwestern und Pfleger, der Küchenhilfen und Pförtner durchsetzen. Es muss möglich sein, notwendige Personalkosten im Krankenhaus ohne Budgetbegrenzungen zu finanzieren." Ver.di-Funktionärin Sybille Stamm wertete es als positiven Ansatz, dass der Marburger Bund ver.di einen gemeinsam gegen die Deckelung der finanziellen Mittel bei den Krankenhäusern angeboten habe.

Zum gemeinsamen Streik der Ärzte mit dem anderen Krankenhauspersonal wird es aber zumindest vorerst nicht kommen. Weder der Marburger Bund noch ver.di wollen die Ärzte zum Streik aufrufen. Die Ärzte sind im Gegensatz zum anderen Klinikpersonal direkt dem Land unterstellt und sowohl ver.di als auch der Marburger Bund sind der Ansicht, dass ein Streik die derzeit laufenden Verhandlungen gefährden könnte.

Der Streik an den Unikliniken in Baden Württemberg ist unbefristet. Ab nächste Woche soll laut Sybille Stamm aus Rücksicht auf die Patienten zu "flexiblen Wechselstreiks" übergegangen werden. Die Häuser sollen nicht mehr komplett, sondern gruppen- bzw. bereichsweise bestreikt werden. In Tübingen wollen die Beschäftigen allerdings bis Dienstag den gesamten Betrieb bestreiken.

Die Arbeitgeber haben inzwischen offensichtlich den Ernst der Lage begriffen. Spätestens seit dem Nachmittag des ersten Streiktags gibt es überall Notdienstvereinbarungen. Ein finanzieller Verlust von 1 Million Euro pro Standort und pro Streiktag hat sie außerdem gesprächsbereit gemacht. In der orthopädischen Uniklinik in Heidelberg wurde bereits ein Haustarifvertrag erreicht, der die Forderungen von ver.di weitgehend erfüllt. Ver.di hofft darauf, dass dieser Abschluss zum Pilotabschluss für die Unikliniken insgesamt wird. Am 11.10. sollen die Gespräche wieder aufgenommen werden.

Mail-Verbindungen für Solidaritätsadressen:

Ingo.busch@uniklinik-freiburg.de

Herbert.beck@med.uni-heidelberg.de

Johann.graf@med.uni-tuebingen.de

Doris.gubler-rehbock@uniklinik-ulm.de


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