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Updated: 18.12.2012 15:51
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Immobilien-Deal bei KarstadtQuelle

Verkauf von Tafelsilber gefährdet weitere Arbeitsplätze

Die KarstadtQuelle AG wird auch in diesem Jahr weitere Arbeitsplätze abbauen. Das teilte der Handelsriese auf seiner Hauptversammlung am 8. Mai in Düsseldorf mit. Bereits im 1. Quartal 2006 wurden erneut 6.753 Arbeitsplätze im Konzern vernichtet. Der Zwischenbericht zum 31. März nennt unverhüllt die Gründe. "Ausschlaggebend für den Rückgang um 9,9 Prozent waren vor allem der Personalabbau infolge von Schließungen und Restrukturierungsmaßnahmen".

Mit dem Verkauf der letzten 85 Warenhaus-Immobilien im März an ein Investorenkonsortium, zu deren Whitehall Fund, ein Unternehmen der Investmentbank Goldmann Sachs gehört, ist weiterer Personalabbau zu befürchten. Der Deal spülte dem Warenhauskonzern 4,5 Milliarden Euro in die Kassen und machte ihn auf einen Schlag schuldenfrei. Da die Verkaufshäuser nunmehr von Karstadt gemietet werden, sind Schließungen und Ausgliederung schneller möglich. Die Mietverträge lassen Untervermietungen ausdrücklich zu.

Schon im letzten Jahr wurden durch den Verkauf der Bereiche Logistik an die Posttochter DHL, von 75 kleineren Karstadt-Warenhäusern an eine Gruppe britischer Investoren, die Personalkosten um 15,4 Prozent gesenkt. Getrennt wurde sich von SinnLevers, Wehmeyer, Runners Point und anderen Gesellschaften, Rund 25.000 Beschäftigte wurden an die neuen Investoren gleich mitverkauft. Mit diesem Kahlschlag will der Einzelhändler bis Ende 2007 die Personalkosten um 769 Millionen Euro verringern. Zur gleichen Zeit erhöhten sich die Vorstandsgehälter von 8 Millionen auf nunmehr 12 Millionen Euro.

Etwa 58.000 Beschäftigte zählt der Konzern zur Zeit. Sie verzichten seit dem Abschluss eines "Sanierungstarifvertrages" vor knapp zwei Jahren auf Weihnachts- und Urlaubsgeld und übertarifliche Zulagen. Der gültige Tarifvertrag des Einzelhandels wurde kurzerhand bis Ende 2007 außer Kraft gesetzt. Gebilligt und vereinbart wurde dies mit Hilfe der Gewerkschaft ver.di ohne große Gegenoffensive. Dafür gab es dann auch Lob von Thomas Middelhoff, Vorstandsvorsitzender der KarstadtQuelle AG, auf der Hauptversammlung. "Ich darf in diesem Zusammenhang hervorheben, dass wir bei den Verhandlungen die Arbeitnehmerseite als verantwortungsbewusste und faire Partner erlebt haben".

Ergebnis dieser Unternehmenspolitik der Profitmaximierung. Immer weniger Personal bedient immer mehr Verkaufsfläche. Die Arbeitsverdichtung nimmt unvorstellbare Ausmaße an. Unzählige Überstunden werden unentgeltlich gemacht, um das Arbeitsvolumen überhaupt noch zu schaffen. Ein Kleinaktionär brachte es auf den Punkt. "Wenn ich einkaufe, sehe ich nur noch Personal in den Warenhäusern, das an der Höchstgrenze der Belastung arbeitet. Unsere Kassiererinnen kassieren bis zum umfallen und müssen Ware einpacken. Da bleibt keine Zeit für Beratung. Sonst wird die Schlange an den Kassen noch länger". Zwar glänzte der Vorstand auch in diesem Jahr mit Versprechen, dies zu ändern. Wie dies jedoch mit immer weniger Personal funktionieren soll, ließ er unbeantwortet.

Aufmerksamkeit erregt das Handelsunternehmen aus Essen nicht nur durch seine Arbeitsbedingungen in Deutschland. So ist die Ausbeutung von Arbeitskräften in Billiglohnländern immer wieder Thema auf den Aktionärsversammlungen. Die Kampagne für "Saubere" Kleidung warf dem Vorstand vor, er habe über Jahrzehnte hinweg auf Kosten der Menschen in den ärmsten Ländern Profite gemacht. "Es ist an der Zeit, dass sie ihre soziale Verantwortung gegenüber den NäherInnen in ihren Zulieferbetrieben wahrnehmen", so Christiane Schnura vom Koordinierungsbüro. Wiederholt hat die Kampagne in der Vergangenheit auf die gravierenden Missstände in der Produktion von Textilien für KarstadtQuelle aufmerksam gemacht. Vor einem Jahr geriet das Unternehmen in die Kritik der Öffentlichkeit als am 11. April 2005 das Gebäude der Fabrik Spectrum Sweaters in Bangladesch einstürzte. Das Unglück forderte 64 Todesopfer und 74 Verletzte. Zwar habe Karstadt einen Hilfsfond angekündigt, so Evelyn Bahn, Koordinatorin von Eilaktionen der Kampagne für "Saubere" Kleidung, doch dieser beruhe auf freiwilliger Basis. "Der Konzern möchte offensichtlich keine Verantwortung für das Unglück übernehmen", so Bahn weiter. Im April hatte sich Karstadt bereit erklärt, eine Entschädigungssumme von 35.000 Euro an die Opfer und Angehörigen der Toten zu zahlen.

Herbert Schedlbauer, 28.05.2006


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