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Updated: 18.12.2012 15:51
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OPEL hat Zukunft – in Arbeiterhand!

Ein Plädoyer für Gemeineigentum und Arbeiterkontrolle

Auch nach dem Abbruch des spontanen Arbeitskampfes in Bochum ist nichts gelöst. Es drohen Arbeitsplatzabbau, Einkommensverluste und die Schließung ganzer Standorte. Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Klaus Franz hält schmerzhafte Eingriffe für unumgänglich. Sind die Opelaner jetzt schutzlos dem Schicksal ausgeliefert? Gibt es denn gar keine Alternativen als noch weiter an der „Kostenspirale“ zu drehen und die Arbeitskraft gnadenlos auszupressen?

Nicht nur Gewerkschafter, sondern auch viele Bürgerliche haben immer wiederholt: Das Management hat versagt. Warum, fragt sich da ein lesender Arbeiter, sollen dann jetzt wieder die Arbeiter und Angestellten dafür bluten? Lassen wir uns nicht einzeln zur Schlachtbank führen und gegeneinander ausspielen. Viele Erfahrungen der letzten Jahre zeigen: Selbst wenn Belegschaft, Betriebsrat und Gewerkschaft in Vereinbarungen über „Standortsicherung“ durch Arbeitsplatzabbau und Lohnverzicht den Unternehmern alle Forderungen zugestehen, lassen uns die Arbeitgeber keine Ruhe und machen immer weiter. Solche Abstriche an den Tarifverträgen und Kostensenkungsmaßnahmen sind in aller Regel nicht das Ende der Probleme, sondern der Beginn einer Spirale nach unten. Solange Arbeiter in Polen, Tschechien oder noch weiter östlich nur einen Bruchteil der in Westdeutschland üblichen Löhne verdienen, werden die Konzernlenker hartnäckig auch eine radikale Angleichung der Löhne und Arbeitsbedingungen nach unten drängen. „Wir werden uns in 15-20 Jahren kaum wundern, wenn Leiharbeiter am Bahnhof Schlange stehen um als Tagelöhner abgeholt zu werden“, sagte uns ein Opel-Arbeiter. So weit darf es nicht kommen.
Daher: Keine einzige betriebsbedingte Kündigung! Kein Personalabbau! Keine Betriebsschließung! Keine Einkommenskürzung! Die Belegschaft darf nicht für offenkundige Managementfehler und finanzielle Krisen bestraft werden, die sie nicht zu verantworten hat.

Überkapazitäten

Aber haben wir nicht sowieso große Überkapazitäten in der Automobilindustrie? Vom Standpunkt eines Betriebs- oder Konzernmanagers gibt es im Interesse der Aktionäre nur eines: Rendite erhöhen und Lohnkosten senken „ohne Rücksicht auf Verluste“. Europaweit sind derzeit die Kapazitäten der europäischen Autoindustrie nur zu 80 Prozent ausgelastet, das Rüsselsheimer Opelwerk nur zu 60 Prozent, und auch im hochmodernen Eisenacher Werk sieht es nicht viel besser aus. Ein Betrieb, der über längere Zeit nicht voll ausgelastet ist, ist für sie ein „Klotz am Bein“, den es abzuschnallen gilt. Dazu sind sie auch bereit, komplette Standorte plattzumachen und durch Kahlschlag den Niedergang ganzer Regionen einzuleiten. Städte wie Bochum, Rüsselsheim, Kaiserslautern oder Eisenach könnten sich heutzutage von Massenentlassungen und einer Schließung auf Raten kaum erholen.
Mit solchen Managern, Eigentümern und Machtverhältnissen gibt es für die Opel-Arbeiter und die betroffenen Regionen keine sichere Zukunft. Diese „Nieten in Nadelstreifen“ haben den Karren an die Wand gefahren und lassen sich ihr Ausscheiden noch vergolden. Und normal Sterbliche sollen nach einem Jahr Arbeitslosigkeit unter den Bedingungen von Hartz IV überleben! Daher: Nehmt ihnen die Herrschaft über die Betriebe aus der Hand. Setzt sie frei – aber bitte ohne Entschädigung. Die Betriebe gehören unter die Kontrolle der Beschäftigten und ihre Verwaltung in die Hände von Belegschaft, Gewerkschaften und einer breiteren Allgemeinheit.
Unsere Interessen sind ganz bescheiden: Wir wollen Arbeit, angemessene Einkommen und eine sichere Zukunft. Wir wollen mit den vorhandenen Betrieben, Maschinen und Anlagen, dem Fachwissen und der Erfahrung aller Arbeiter und Angestellten, Techniker und Ingenieure Güter produzieren, die unser Leben leichter und lebenswerter machen und dem Wohlergehen der ganzen Menschheit dienen. Darum ist es verbrecherisch, auch nur einen Arbeiter oder Angestellten in die Arbeitslosigkeit zu schicken und teure Produktionsanlagen brachliegen zu lassen oder gar zu demontieren. Dies mag die Dividenden der Aktionäre steigern, aber gesamtgesellschaftlich ist es ein Wahnsinn.
Also sollen wir noch mehr Autos auf Halde produzieren und darauf sitzen bleiben? War es nicht zwangsläufig, dass es eben irgendwann mal einen Konzern treffen muss?
Selbst wenn es in Mitteleuropa in gewisser Weise „zu viele“ Autos geben mag – in weiten Teilen der so genannten „3. Welt“ könnte der Alltag der Menschen wesentlich lebenswerter werden, wenn sie und sich überhaupt Straßenfahrzeuge für den Personen- und Gütertransport leisten könnten. Und wenn die Arbeiter, Techniker und Ingenieure ungehindert und ohne Bevormundung von oben ihre Ideen umsetzen können, warum könnten dann nicht noch bessere, langlebigere und umweltschonendere Autos oder andere Transportsysteme hergestellt werden?

Warum denn nur Autos produzieren?

Wer sagt denn, dass Opel mit den vorhandenen Menschen und Maschinen nur Autos und nicht auch andere gesellschaftlich nützlichere Produkte herstellen könnte? Die Firma Opel fing im 19. Jahrhundert mit der Produktion von Nähmaschinen und Fahrrädern an, erst später wurden Autos und Flugzeugmotoren gefertigt. Im 2. Weltkrieg wurden viele europäische Autowerke in kurzer Zeit auf die Produktion von Kriegsgerät umgestellt. Ebenso rasch könnte heute in supermodernen Betrieben auch auf die Produktion ziviler Güter umgestellt werden.
Wie so etwas funktionieren kann, das zeigen die alternativen Produktionspläne der Belegschaft des britischen Autozulieferers und Rüstungskonzerns Lucas Aerospace in den 1970er Jahren. Die von Arbeitslosigkeit bedrohte Belegschaft stand mit dem Rücken zur Wand und hat daher in eigener Regie und ohne Bevormundung eigene Pläne für die Umstellung der vorhandenen Produktionsanlagen auf zivile Produkte entwickelt.

Das Vorbild Lucas Aerospace …

„In kurzer Zeit lagen 150 Produktideen vor, die mit den im Unternehmen vorhandenen Geräten und Qualifikationen hätten hergestellt werden können. Bessere, billigere medizinische Geräte, verbesserte und billigere künstliche Nieren waren genauso darunter wie verbrauchsgünstige Automotoren, neue Heizsysteme oder der berühmt gewordene Straßen-Schienen-Bus. Unter den gesellschaftlich nützlichen Produktionsvorschlägen befinden sich neuartige Energiespeicher, Wärmepumpen mit einem hohen Wirkungsgrad, ein Universal-Antriebsaggregat für verschiedene Fahrzeugtypen mit 50 Prozent verringertem Treibstoffverbrauch und erheblich geringerer Lärmentwicklung, ferngesteuerte Roboter und Tiefseeforschungsgeräte. Die Gewerkschafter trennten die Produktvorschläge in sechs größere Produktionsbereiche, die jetzt in sechs Bänden zusammen gefasst sind, jeder mit ungefähr 200 Seiten. Sie enthalten spezifische Details, wirtschaftliche Berechnungen und sogar Entwurfszeichnungen“, erläuterte Anne Rieger, zweite Bevollmächtigte der IG Metall in Waiblingen in einem Vortrag auf Burg Duddeldorf am 20. Juni 2004 (siehe www.friedensratschlag.de):
„Wer die Pläne der Lucas-Beschäftigten studiert, wer die Geschichte ihrer Entstehung kennt, wer weiß, dass die meisten Ideen von einfachen ArbeiterInnen unter Beratung einiger Ingenieure entwickelt wurden - der kommt nicht umhin: Die Umstellung von Rüstungsproduktion auf zivile Güter ist möglich. Demokratische Kontrolle - und die Produktion kann um ein Vielfaches effektiver, nützlicher, billiger, menschen- und umweltfreundlicher gemacht werden. Da die Unternehmensleitung jegliche Zusammenarbeit verweigerte, stellten engagierte Arbeitnehmer Prototypen einiger Alternativprodukte in Eigenarbeit her.
Trotz der Aktivitäten konnte die Blockadepolitik der Geschäftsleitung nicht durchbrochen werden. Keines der vorgeschlagenen Produkte ist auf den Markt gekommen. Doch der Maßstab des Erfolges muss vorrangig an der Ausgangsforderung selbst angelegt werden und die bestand in der Verteidigung der Arbeitsplätze. Tatsächlich wurde von 1975 - 1981 keine einzige Entlassung ausgesprochen. ("Produkte für das Leben statt Waffen für den Tod", Hrsg: Freimut Duve, rororo aktuell, Hamburg 1982). Der Lucas-Plan wurde zu einem Beispiel dafür, dass Alternativen zur Rüstungsproduktion möglich sind und hatte Signalwirkung für die Gründung von Arbeitskreisen zur Alternativer Produktion.“

... ist in Vergessenheit geraten

Damit hat die Gewerkschafterin Anne Rieger angesprochen, was in den 80er Jahren auch in der westdeutschen IG Metall auch von Rüstungs- und Werftarbeitern breit diskutiert wurde. Leider sind solche Ideen in den letzten Jahren weitgehend in Vergessenheit geraten, obwohl die aktueller denn je sind.
Harte Zeiten erfordern harte Maßnahmen. Wenn die Konzernleitung von GM in Detroit und Zürich kein Gespür für den europäischen Markt und auch den Bestand aller Auto-Werke und aller Arbeitsplätze zu menschenwürdigen Bedingungen nicht mehr garantieren kann, dann gehören ihr die Betriebe aus der Hand genommen und in Gemeineigentum überführt. Utopisch? Nicht realisierbar? Illegal? Verfassungsfeindlich?

Gemeineigentum ist dringend geboten

„Die Wirtschaft des Landes hat die Aufgabe, dem Wohle des ganzen Volkes und der Befriedigung seines Bedarfs zu dienen. (...) Jeder Mißbrauch der wirtschaftlichen Freiheit (...) ist untersagt. Vermögen, das die Gefahr solchen Mißbrauchs wirtschaftlicher Freiheit in sich birgt, ist auf Grund gesetzlicher Bestimmungen in Gemeineigentum zu überführen. (...) Bei festgestelltem Mißbrauch wirtschaftlicher Macht ist in der Regel die Entschädigung zu versagen. (...) Gemeineigentum ist Eigentum des Volkes. (...) Die Verfügung über dieses Eigentum (...) soll (...) Gewähr dafür bieten, daß das Eigentum ausschließlich dem Wohle des ganzen Volkes dient und Machtzusammenballungen vermieden werden.“ (aus der Verfassung des Landes Hessen, Artikel 38, 39 und 40).
Es kann kein Zweifel bestehen: Der GM-Konzern hat seine wirtschaftliche Freiheit zu unserem Schaden mißbraucht. Seine Betriebe gehören daher entschädigungslos in Gemeineigentum überführt.
„Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung (...) in Gemeineigentum überführt werden. (...) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig“, sagt auch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (Artikel 14 und 15). „Großbetriebe der Grundstoffindustrie und Unternehmen, die wegen ihrer monopolartigen Stellung besondere Bedeutung haben, sollen in Gemeineigentum überführt werden“, fordert Artikel 27 der Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen.
Wir erwarten allerdings nicht, dass die Ministerpräsidenten Koch (Hessen, CDU) und Steinbrück (Nordrhein-Westfalen, SPD) oder Bundeswirtschaftsminister Clement (gebürtiger Bochumer, SPD) diese Verfassungsgebote ernst nehmen. Sie verstecken sich hinter „europäischem Recht“ und der EU-Verfassung und setzen darauf, dass Betriebsrat und IG Metall dem GM-Diktat und damit massiven Lohnkürzungen zustimmen und „Ruhe in die Bude“ kriegen. Auf diesem Weg können wir alle aber nur verlieren.

Gemeineigentum oder verschärfter Wirtschaftskrieg

Tatsache ist: General Motors hat über viele Jahre Milliarden aus den deutschen und europäischen Werken üppige Profite abgeschöpft. Tatsache ist: Die verbuchten Verluste sind nicht von der Belegschaft, sondern von den „Nieten im Nadelstreifen“ im Management verursacht worden. Warum also sollte die Belegschaft jetzt Sonderopfer bringen und damit wahrscheinlich bald eine schrittweise Schließung ganzer Werke über sich ergehen lassen? Warum sollen wir eine Verschärfung des Wirtschaftskrieges zwischen Standorten, Konzernen und Ländern mit verantworten? Würde dies nicht wieder voll auf dem Rücken aller Arbeitenden ausgetragen werden?
Also worauf warten? Wenn die Opel-Belegschaften mit Unterstützung der IG Metall und Rückendeckung durch eine breite Solidaritätsbewegung die Produktion in die eigene Hand nehmen und eine Überführung ihrer Werke in Gemeineigentum erzwingen würden, hätte dies bundesweit und europaweit Signalwirkung. Dann wäre es – nebenbei gesagt – auch ohne weiteres möglich, Produktivitätsfortschritte in Form von Arbeitszeitverkürzung an die Beschäftigten weiterzugeben und rasch die 30-Stunden-Woche ohne Lohnverlust einzuführen. Ein solches Beispiel würde rasch Schule machen und uns den Weg in eine bessere und gesicherte Zukunft weisen.

Hans-Gerd Öfinger


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