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Updated: 18.12.2012 15:51
Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

Wir werden sehen!

Werter Kollege Meinhardt,

vielen Dank für die Mühe, die du dir mit deiner langen Antwort gemacht hast. Zur Sache:

• Ich weiß nicht, wo du aus meinem Brief eine “Verratsthese” herausliest!?

• Ich messe den “Dammbruch”, den der Abschluss bei DC in der Metallindustrie
auslöste, an den vielen kleineren und mittleren Betrieben, die nachgezogen und ebenfalls die Arbeitszeit verlängert haben. Namentliche Aufzählungen von Betrieben sind in der bürgerlichen Presse veröffentlicht worden. Vielleicht kann ja mal jemand eine entsprechende Liste fürs labournet zusammenstellen bzw. die IG Metall ihre entsprechenden Informationen weiterreichen.

• Unsere hauptsächliche Differenz liegt in der unterschiedlichen Herangehensweise:
Du widersprichst meiner Behauptung, dass das Ergebnis bei DC “jede gesamtgesellschaftliche Verantwortung für die Aufrechterhaltung des Lebensstandards aller Arbeitnehmer und Beschäftigungsloser....ignoriert” und antwortest: “Dem kann ich nun überhaupt nicht zustimmen. Zum einen bedeutet Beschäftigungssicherung über siebeneinhalb Jahre für 160.000 Beschäftigte und ihre Familien Planungssicherheit für einen Zeitraum, der bislang in keiner anderen Vereinbarung erreicht wurde... Zum anderen wird kein Beschäftigter weniger Geld haben als heute, ...”

Ein offenere und klarere Argumentation vom Unternehmen und Konzern DaimlerChrysler aus d.h. aus der Sicht eines Standortes bzw. eines Konzerns als deine, wird man kaum finden können. Für dich heißt “gesamtgesellschaftlich” konzernweit. Ich verstehe aber “gesamtgesellschaftlich” nicht im Sinne einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung oder einer AG, sondern spreche von einer politisch-moralischen Verantwortung für alle Lohnabhängigen in der BRD. Den absehbaren Auswirkungen für die gesamte Gesellschaft, die der Abschluss bei DC haben kann, haben sich die verantwortlichen Betriebsräte/IGM nicht gestellt. Mit DC wurde eine neue Kostensenkungsrunde in der Konkurrenz der Autokonzerne u.a. Opel, VW ausgelöst, die weder auf die Autoindustrie noch auf die BRD beschränkt bleibt. Die Dummen sind die Lohnabhängigen, weil das Kapital immer einen Standort mit noch niedrigeren Löhnen finden wird bzw. eine Interessenvertretung, die zu Zugeständnissen bereit ist oder unter anderen politischen Verhältnissen ausgeschaltet wird.

• Immer und überall werden Betriebsräte und Gewerkschaftssekretäre Argumente
finden, um die Zugeständnisse in “ihrem” Betrieb und in “ihrem” Konzern zu rechtfertigen. Und das sind durchaus Argumente, die mit einer gewissen (betriebswirtschaftlichen) Logik nachvollziehbar und nicht völlig an den Haaren herbeigezogen sind. Aber entsprechend dieser Logik der kapitalistischen Konkurrenz muss dem Zugeständnis bei DC, das nächste bei Opel und VW, dann bei Ford und Porsche folgen.

Auch bei Babcock in Oberhausen, wo ich Betriebsrat war, folgte ein Zugeständnis an das Kapital nach dem anderen, weil der Konzern laufend rote Zahlen schrieb. Dann ging Babcock trotz allem Lohnverzicht und trotz aller Arbeitszeitverlängerung, denen Betriebsräte und der IG Metall zugestimmt hatten, pleite. Die Dummen waren die Beschäftigten. Wie soll in irgendeinem Metallbetrieb der Republik die Verlängerung der Arbeitszeit auf 40 Stunde verhindert werden, wenn dies schon nicht mehr beim profitablen Daimler möglich ist?

• Immerhin lieferst du dafür eine Erklärung:
Denn nach meinen Erfahrungen mit outsourcing in verschiedenen Unternehmen zeichnen sich diese Prozesse durch folgendes Muster aus: Erstens wird nicht die Kernbelegschaft angegriffen, sondern “Randbereiche” wie Kantine, Werkschutz, Liegenschaften, Logistikdienste usw., also Tätigkeiten, die häufig bei den Kernbelegschaften selbst kein allzu hohes Ansehen genießen” und “Wäre es so leicht, durch den Appell an eine abstrakte Klassensolidarität outsourcing zu verhindern, dann hätten in den letzten Jahren nicht hunderte von Firmen in den Bereichen catering, security-management, facility-management, event-management, logistic-management oder schlag- mich-tot-management aus dem Boden schiessen können”.

Folgt man deinem “Muster” dann genossen also bei DC die Kolleginnen und Kollegen in Kantine, Werkschutz, Liegenschaften, Logistikdienste usw. bei der Kernbelegschaft “kein allzu hohes Ansehen”. Die Kernbelegschaft war nicht bereit durch “den Appell an eine abstrakte Klassensolidarität” mit diesen “Randbereichen” ein “outsourcing zu verhindern”.

Das schreibt nicht irgendein Gewerkschaftskritiker vom Handelsblatt, sondern ein Insider – der zuständige Sekretär für Betriebsbetreuung von DaimlerChrysler AG Sindelfingen
bei der IGM-Ortsverwaltung Stuttgart. Und der muss es ja wissen. Erstens ließ also die Kernbelegschaft die Kolleginnen und Kollegen Dienstleister im Stich. Zweitens trauten weder IGM-Ortsverwaltung noch die Betriebsräte bei DC der dort organisierten Mitgliedschaft zu, ihre gemeinsamen Klasseninteressen zu verteidigen. So sieht es also mit der gewerkschaftlichen Kampffähigkeit im DC-Konzern mit seinen Großbetrieben in der IGM-Hochburg Stuttgart aus?! Und das war das Vorbild vieler Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter nicht nur in NRW, sondern in der ganzen BRD?!

Das Schlimmste an deiner Argumentation ist, dass sie die Verantwortung für die Niederlage auf die Malocher selbst abzuwälzen versucht. Zunächst einmal würde sich doch die Frage stellen: Warum die Verantwortlichen für die Gewerkschaftsarbeit der IG Metall bei DC nicht früher gemerkt haben, dass es keine Solidarität der “Kernbelegschaft” mit den “Randbereichen” gibt? Und warum haben sie nicht rechtzeitig Alarm geschlagen?

Beim Versuch, die Kritiker des DC-Abschlusses als “Arbeitertümler” zu entlarven, landet deine Argumentation ... bei der “Entlarvung” der IG Metall. Ich muss zugeben, dass ich die IG Metall zwar für in Teilen demoralisiert, aber längst nicht für so marode halte, wie du ihr mit deiner Argumentation unterstellst.

Außerdem: Deine ganze detaillierte Aufzählung, was alles bei DC erreicht wurde, ist in dem Tenor “Erfolg” gehalten. Das Mindeste, was man von Betriebsräten/IGM bei DC verlangen kann, ist, dass man sich nicht selbst belügt. Ein Zugeständnis ist ein Zugeständnis und eine Niederlage ist eine Niederlage. Wer ein Zugeständnis für einen Erfolg ausgibt und eine Niederlage für einen Sieg, sorgt nicht nur für Verwirrung. Der Zusammenbruch des “realen” Sozialismus zeigte, dass solche “Erfolgsmeldungen” nur demoralisierend wirken und die eigene Position untergraben können.

• Ist deine Kritik an Tom Adler der “Startschuss zum Ausschluss”?
Du weist “die Unterstellung, mein Schreiben sei die ideologische Vorbereitung eines
Gewerkschaftsausschlusses, ... zurück
”. Denn “(ich) nenne ... den Namen Tom Adler, weil ich mich auf seine Äußerungen auf der internet-Seite der Zeitschrift “Sozialismus” beziehe. Bei einer öffentlichen Kritik Ross und Reiter zu nennen, halte ich für durchaus seriös”.

Genau das macht mich stutzig. Ein Blick auf die internet-Seite zeigt, dass nicht Tom Adler den Kommentar auf der Sozialismus-homepage geschrieben und unterschrieben hat, sondern die Redaktion von “Sozialismus”. Also hätte sich deine Kritik nicht an Tom Adler und seine paar im Kommentar zitierten Sätze richten müssen, sondern an “Ross und Reiter” – die “Redaktion Sozialismus”. Das gehört nach meiner Ansicht zu den Grundregeln einer solidarischen Auseinandersetzung. Du hast dich gegenüber Tom Adler für einen anderen Weg entschieden. Du wirst wissen warum.

Warum rührt die Redaktion “Sozialismus” keinen Finger und keine Feder für Tom Adler, stellt deine Kritik auf die homepage aber antwortet ihr nicht? Der Grund wird doch nicht etwa in der Beilage der IG Metall für “Sozialismus” über DaimlerChrysler zu finden sein, die, wie man am Rande des letzten Arbeitsausschusses der Gewerkschaftslinken erfahren konnte, von der IG Metall bezahlt wurde? Wie auch immer.

Wir werden sehen, ob die IG Metall gegen Tom Adler mit einem Ausschluss- oder Maßregelungsverfahren vorgehen wird. Ich überlasse es dann dem Urteil der LeserInnen unseres Briefwechsels, was von deiner Kritik an Tom Adler zu halten ist. Überhaupt wäre es gut, wenn andere Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter in die Diskussion einsteigen und sie fortsetzen würden, soweit sie von allgemeinem gewerkschaftlichen Interesse ist. Weder dir noch mir kann daran gelegen sein, diesen Briefwechsel endlos fortzusetzen, so dass der Eindruck eines persönlichen Schlagabtausches entsteht.

Peter Berens, 15.9.2004

 


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