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       Dunkle  Wolken 
              Düstere Aussichten für  Europas Autohersteller. Produktionsstillstände, Verhandlungen über Kurzarbeit  und Stellenabbau sind Vorboten der herannahenden Krise 
              Die  sprichwörtlichen dunklen Wolken am Himmel der Automobilkonjunktur verdichten  sich. Nach den sogenannten Volumenherstellern geraten nun auch die Anbieter  großer Luxuskarossen wie Daimler und Audi in Schwierigkeiten. In den  vergangenen Tagen vermeldete eine Reihe von Automobilunternehmen  Produktionskürzungen oder gar Kurzarbeit. Mit der Innovative Components Technologies  GmbH (ITC) kündigte am Montag ein erster Autozulieferer Insolvenz an. 
   
        Am Montag eröffnete das Amtsgericht Siegen das Insolvenzverfahren für ITC mit  insgesamt etwa 1300 Beschäftigten. Das Hauptwerk des Herstellers von  Kunststoffteilen steht in Lennestadt bei Siegen, ein weiteres mit 290  Mitarbeitern im hessischen Wächtersbach. Die ITC-Auslandswerke in Borja  (Spanien) und Tachov (Tschechische Republik) sind von der Pleite zunächst nicht  betroffen. Auch für einen Teil der hiesigen Belegschaften könnte diese  glimpflich ausgehen, da die Chancen zur Weiterführung mit einem neuen Investor  laut Insolvenzverwalter gut stehen.  
              Wieder Kurzarbeit 
              Dennoch ist  die Meldung eine von vielen, die von der herannahenden Krise in Deutschlands  Leitbranche künden. Eine weitere war zu Wochenbeginn die Ankündigung des  Zulieferers Federal Mogul, mit Betriebsräten und Gewerkschaften europaweit über  Kurzarbeit zu verhandeln. Der Konzern mit hierzulande rund 7000, weltweit etwa  45000 Beschäftigten verkauft das zwar lediglich als Vorsichtsmaßnahme. Zuvor  hatten aber bereits andere große Zulieferer wie Bosch Verhandlungen über die  Einführung von Kurzarbeit bekanntgegeben. 
   
        Bei dem in der Dauerkrise befindlichen Autobauer Opel ist Kurzarbeit schon  länger ein Thema. Schon in der vergangenen Woche standen die Bänder in den  deutschen Fabriken still. Trotz des Wiedereinstiegs in die Bundesligawerbung  setzte sich die Talfahrt beim Opel-Absatz fort. Im September wurden hierzulande  nur noch knapp 17000 Neuwagen mit dem Blitz auf der Kühlerhaube verkauft – fast  26 Prozent weniger als vor einem Jahr. Entsprechend zurückhaltend präsentierten  sich die Manager der General-Motors-Tochter in der vergangenen Woche beim  Pariser Autosalon. »Ich bin kein Pessimist, wenn ich sage, daß wir im nächsten  Jahr keinen Rückenwind vom Markt erwarten«, ließ Vertriebschef Alfred Rieck das  Handelsblatt wissen.  
              Peugeot baut ab 
              Auch PSA  Peugeot-Citroën bläst der Wind kräftig ins Gesicht. Das französische  Unternehmen – das neben Opel und Fiat am stärksten unter dem Einbruch des  südeuropäischen Marktes leidet – wird nach eigenen Angaben noch bis 2014  monatlich einen dreistelligen Millionenbetrag verbrennen. Das Monatsminus werde  sich von aktuell 200 Millionen im kommenden Jahr voraussichtlich auf rund 100  Millionen Euro halbieren, so PSA-Chef Philippe Varin kürzlich in der  Wirtschaftszeitung Les Echos. Allein im ersten Halbjahr verbuchte PSA – bislang  hinter Volkswagen die Nummer zwei in Europa – einen Verlust von 819 Millionen  Euro. Als Reaktion darauf plant die Konzernspitze die Vernichtung von 8000 Jobs  und die Schließung des Werks in Aulnay bei Paris. Auch die Konkurrenz hat nach  Varins Auffassung entsprechende Vorhaben in der Schublade. »Wir haben unsere  Pläne bekanntgegeben, aber andere Hersteller werden ähnliche Operationen  durchführen müssen«, sagte der PSA-Boß. Manche Hersteller in Europa würden pro  verkauftem Wagen noch mehr Geld verlieren als PSA. »Die aktuelle Situation ist  nicht haltbar«, so Varin. 
   
        Das meint Fiat-Chef Sergio Marchionne schon lange. »Europa kann das  Produktionsvolumen nicht vertragen«, sagte er am Rande der Pariser Automesse.  Überkapazitäten gebe es vor allem in Deutschland. Fiat selbst ist allerdings  auch nicht gerade sorgenfrei. Ohne seine US-Tochter Chrysler hätten die  Italiener im zweiten Quartal dieses Jahres 246 Millionen Euro Verlust  eingefahren. Wegen des Chrysler-Absatzes vor allem auf dem noch florierenden  US-Markt verbuchte der Gesamtkonzern statt dessen einen Nettogewinn von 358  Millionen Euro.  
              Harte Zeiten 
              Die  Fiat-Spitze sagt allen Herstellern in Europa, wo der Absatz im bisherigen  Jahresverlauf um sieben Prozent eingebrochen ist, eine harte Zeit voraus. »In  der nächsten Zeit wird es unmöglich sein, zu den Verkaufszahlen von Anfang des  Jahrhunderts zurückzukehren – damit muß jeder einzelne Autohersteller umgehen«,  so Luca Cordero die Montezemolo, Chef der Fiat-Tochter Ferrari, in einem  Interview. Auf ihrem Heimatmarkt ist selbst die Nobelmarke mit Absatzrückgängen  konfrontiert. Ansonsten aber wächst Ferrari weiter. Und auch das markiert einen  Trend: Richtig teure Autos finden weiterhin ihre Käufer. Auf diese neue  Marktlage versuchen sich die Konzerne einzustellen. Beim Pariser Autosalon  präsentierten sie vor allem entweder Modelle für die High Society, wie den  neuen Zweisitzer von Jaguar, oder Fahrzeuge für die abstiegsbedrohte  Mittelschicht. So zielen beispielsweise der neue Renault Clio und der Opel Adam  auf die kleiner werdenden Budgets der Noch-Arbeitsplatzbesitzer. 
   
        Mittlerweile bekommt aber auch das »Premiumsegment« die Krise zu spüren. So  stehen die Bänder im Audi-Werk Neckarsulm in dieser Woche still. Die VW-Tochter  peile für 2012 weiterhin einen Rekordabsatz von mehr als 1,4 Millionen  Fahrzeugen an, betonte ein Sprecher. Dennoch sieht Professor Willi Diez, Leiter  des Instituts für Automobilwirtschaft an der Hochschule Nürtingen-Geißlingen,  den Produktionsstillstand als Beleg dafür, »daß die Krise bei den Premiumherstellern  angekommen ist« und »nun auch die Großen trifft«. Bereits im Juli hatte Audi  angekündigt, Hunderte Leiharbeiter auf die Straße zu setzen. Anders herum läuft  es noch bei BMW. Das Münchner Unternehmen, das im Dreikampf mit Audi und  Daimler aktuell vorn liegt, will 3000 seiner aktuell rund 11000 Leiharbeiter  fest einstellen. Im Gegenzug akzeptiert der Betriebsrat eine noch weitergehende  Arbeitszeitflexibilisierung bei den Stammbeschäftigten. So sollen  Arbeitszeitkonten ausgedehnt, Schichten verlängert oder verkürzt sowie Pausen  in Stoßzeiten gestrichen werden können. Dafür soll der Anteil der prekär  Beschäftigten künftig auf acht Prozent der Gesamtbelegschaft begrenzt sein. 
   
        Im Sindelfinger Montagewerk von Daimler, wo eine solche Maximalquote bereits  gilt, dürften in den kommenden Wochen mehrere hundert der aktuell gut 1000  Leiharbeiter ihren Job verlieren. Hintergrund ist die Reduzierung der  S-Klasse-Produktion von zwei Schichten auf eine (siehe jW vom 26. September) –  auch das ein Ausdruck zurückgehender Nachfrage im Premiumsegment. In der Folge  wird der Stuttgarter Konzern sein operatives Gewinnziel für die Pkw-Sparte von  zehn Prozent ab 2013 wohl verfehlen, wie Daimler-Boß Dieter Zetsche kürzlich  andeutete. Dennoch wird das von ihm angekündigte Kürzungsprogramm »Fit for  Leadership« wohl nicht so dramatisch ausfallen wie zunächst angenommen. Die vom  Handelsblatt genannte Einsparsumme von einer Milliarde Euro sei falsch, sagte  Zetsche in der Bild am Sonntag. »Es geht hier nicht um ein Sparprogramm«,  betonte er. Wie jW aus Betriebsratskreisen erfuhr handelt es sich in der Tat  »nur« um die ohnehin geplanten Rationalisierungsmaßnahmen – die aus  Beschäftigtensicht aber schon schlimm genug ausfallen dürften. 
      Artikel von Daniel  Behruzi, zuerst erschienen in der jungen Welt vom 04.10.2012 
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