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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Entlassene protestieren vor TMD Friction in Leverkusen Bericht von Arbeiterkorrespondenz Köln vom 20.4.2009 Am Montag, den 20.4.2009, demonstrierten entlassene Beschäftigte des Bremsbelagherstellers TMD Friction (ehemals Textar) zum zweiten Mal während des Schichtwechsels um 14 Uhr vor dem Firmengelände in Leverkusen-Fixheide. In der gegenwärtigen Krise war TMD der erste Automobilzulieferer, der Insolvenz anmeldete. Die Produktion lief weiter und zunächst hieß es, Entlassungen sollten vermieden werden. Aber nach Aschermittwoch wurden 160 KollegInnen am Standort Leverkusen und hundert weitere an den übrigen Standorten in Essen, Hamm und Coswig massiv gedrängt, Aufhebungsverträge zu unterschreiben. Angeblich sei mit dem Betriebsrat ein Sozialplan vereinbart worden. Sie sollten zum 1. März den Betrieb verlassen und dann für eine Monate von der Transfergesellschaft PEAG "betreut" werden. Mit ihrer Unterschrift verzichteten sie auf eine Abfindung und auf rechtliche Schritte gegen die Entlassung. Im Fall der Weigerung würden sie gar nichts bekommen. Merkwürdigerweise ließ sich vom Betriebsrat bei diesen Gesprächen niemand blicken. Viele waren so eingeschüchtert, dass sie unterschrieben. Etwa 40 oder 50 - die genaue Zahl ist noch nicht bekannt - weigerten sich aber und klagen nun vor dem Arbeitsgericht. Außerdem versuchen sie mit öffentlichen Protestaktionen wie am 1. und am 20. April Druck auf die Firma, aber auch den Betriebsrat auszuüben. "Betriebsrat raus, Betriebsrat raus", war eine der Parolen am 20.4. - ohne Reaktion. Auch von der zuständigen Gewerkschaft (IGBCE) erhalten die KollegInnen keine Unterstützung. Die Protestierenden, etwa 50-60, hoffen, dass sich in Zukunft noch mehr der Betroffenen ihren Aktionen anschließen. Denn auch andere wurden und werden von der Firma um ihre Rechte geprellt: Beschäftige, die sich in der zweiten, also arbeitsfreien Phase der Altersteilzeit befinden, erhalten kein Geld mehr und werden ans Arbeitsamt verwiesen. Einige Kollegen, die noch vor der Insolvenz Aufhebungsverträge mit Abfindungen unterschrieben hatten, wurden wegen genügender Aufträge gebeten, doch noch bis Weihnachten weiterzuarbeiten. Dann teilte man ihnen mit, dass nun leider kein Geld mehr für ihre Abfindungen da sei! Fragwürdige Rettung durch einen Finanzinvestor Zwei Tage nach ihrer ersten Protestaktion am 1. April wurde verkündet, die britische Investmentfirma Pamplona Capital Managment, die hauptsächlich von der russischen Finanz- und Industriegruppe Alfa finanziert wird, werde TMD übernehmen. Die Wirtschaftspresse war ganz aus dem Häuschen, sprach von "Rettung" und der segenreichen Einrichtung der Finanzinvestoren, der Fall TMD zeige, wie Autozulieferer durch die Krise kommen könnten. Obwohl der Kaufpreis nicht genannt wurde, ist klar, dass Pamplona die Firma zu einem Schnäppchenpreis bekommen hat. Mit 4500 Beschäftigten weltweit, davon 2000 in Deutschland, gilt TMD als einer der Marktführer bei der Herstellung von Bremsbelägen. Zudem hat Pamplona lediglich die Vermögenswerte gekauft, die Firma als solche bleibt im Insolvenzverfahren. Den 260 Rausgeschmissenen hatte man bei der Kündigung erklärt, diese Verschlankung sei nötig, um die Firma für einen Interessenten attraktiv zu machen. Für Betriebsrat und Gewerkschaft ist der Einstieg von Pamplona jetzt sicher eine schöne Rechtfertigung für ihr Co-Management. Schrottproduktion nach Kündigung Die noch Beschäftigten sehen das anders. Während die meisten beim Schichtwechsel rasch an der Gruppe der Protestierenden vorbeihuschen, und auf Nachfragen nur verstohlen auf die Manager an den Fenstern des Verwaltungsgebäudes weisen, die alles genau beobachten, begrüßen einige doch ihre ehemaligen KollegInnen und unterhalten sich. Der Auftragsrückgang sei schon jetzt zu spüren. Dass der Einstieg von Pamplona ihre Arbeitsplätze sichert, glauben sie nicht so recht. Die Berichte, die die Entlassenen von ihren noch beschäftigten KollegInnen bekommen, zeigen auch, wie bei der Entlassungsaktion vorgegangen wurde. Den angeblichen Sozialplan, den es geben soll, haben sie bis heute nicht gesehen und es lässt sich auch kein Betriebsrat blicken. Aber in der Produktion geht es drunter und drüber. Tonnenweise werde Schrottproduktion aus dem Werk gefahren. Denn entlassen wurde nicht nach irgendeiner Sozialauswahl - viele Familienväter und langjährige Beschäftigte sind unter ihnen -, sondern vor allem nach Kostenkriterien. Daher wurden viele, zu viele Maschineneinrichter und Facharbeiter entlassen, die nun fehlen, so dass teilweise die ganze Produktion einer Schicht an falsch eingestellten Maschinen anschließend verschrottet werden muss. Gerüchteweise wurden bereits einige der in die PEAG Transfergesellschaft Entlassenen wieder in die Fabrik geholt. Genaues wissen sie nicht, da der Betriebsrat ihnen jede Auskunft verweigert. Bei der Aktion am 20.4. haben die Entlassenen der Firma (und dem Betriebsrat) in einer Erklärung einige Fragen gestellt: Stand 20.04.2009 Nach der Übernahme Wir als Mitarbeiter von TMD Friction stehen heute wieder hier, damit wir endlich Antworten bekommen, für einige noch offene ehemalige Punkte sowie für folgende Fragen:
Viele von uns haben noch zahlreiche (zum Teil persönliche) Fragen. Wir versuchen jedoch trotz des rauen Gegenwindes, so objektiv wie möglich zu bleiben. Auch wenn uns übertriebene Reaktionen vorgeworfen werden, würden wir doch gerne manchem Betriebsratsmitglied einen Rollentausch anbieten . Wir werden weiterhin für unsere Arbeitsplätze kämpfen, denn es grenzt an eine Frechheit seitens der Firma, wie mit uns und unseren Kollegen umgesprungen wird. Wir werden alle uns rechtlich möglichen Mittel dafür einsetzen, um unsere Arbeitsplätze wiederzubekommen.
"Gekündigte" Mitarbeiter von TMD-Friction Die "Gekündigten" wollen mit ihren Aktionen weitermachen und bitten um Unterstützung. Noch ist die Aufmerksamkeit, auch in der Linken, sehr gering - am Montag waren keine zehn Menschen aus linken Kreisen dort - einige hatten erst morgens aus Radio Leverkusen von der Aktion erfahren. "Tja", sagt eine Ältere der Entlassenen, "in Frankreich sind sie schon weiter, da werden die Bosse gleich eingesperrt ." Am 28.4.2009 finden vor dem Arbeitsgericht die ersten Güteverhandlungen statt - auch dazu mobilisieren die Entlassenen und bitten um Unterstützung (die Termine finden im Amtsgericht Leverkusen statt, da die Zuständigkeit beim Arbeitsgericht Solingen liegt, und die Leverkusener Termine im dortigen Amtsgericht verhandelt): 28.4.2009, ab 9.40 Uhr: Gütetermine der ehemaligen Beschäftigten ./. TMD Friction Amtsgericht Leverkusen, Saal 124 Gerichtsstraße 9 (in unmittelbarer Nähe der S-Bahn-Haltestelle Leverkusen-Opladen) 51379 Leverkusen Berichtet über die Proteste hat bisher nur die regionale und türkischsprachige Presse: Kündigung nach 31 Jahren bei Textar (Kölner Stadtanzeiger, 1.4.2009) TMD Friction: Demonstration vor dem Werk (Kölner Stadtanzeiger, 20.4.2009) TMD Friction isçileri çikislara 'HAYIR' diyor (Evrensel, 20.3.2009) 'Isimiz, asimiz ve gelecegimiz için' (Evrensel, 3.4.2009)
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