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Updated: 18.12.2012 15:51
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Löhne runter bis zur Sittenwidrigkeit

Am 26. Juni traf sich die AG Sozialpolitik der Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken im DGB-Haus Frankfurt am Main, um über die Auswertung und Fortsetzung der Proteste am 3. April, das Arbeitnehmerbegehren der IG Metall und eigene Schwerpunkte und Aktivitäten der Gewerkschaftslinken zu beraten. Rainer Roth, FH Frankfurt, referierte über aktuelle, sozialpolitsche Entwicklungen. Einigkeit bestand unter den TeilnehmerInnen darin, dass die Unterstützung der so genannten »Herbstkampagne« durch die Gewerkschaftslinke vordringliche Aufgabe sei. Die Positionen der TeilnehmerInnen sind in der folgenden Erklärung zusammengefasst.

1. Im Mittelpunkt der Agenda 2010 steht die Senkung der Löhne in Deutschland. In einem ersten Schritt sollen die Nominallöhne und Gehälter auf breiter Front um 10-15 Prozent (Rainer Roth, Nebensache Mensch, 2003, S. 147) gesenkt werden; zudem soll ein Niedriglohnsektor geschaffen werden, in dem die Löhne der unteren Lohngruppen um 30 Prozent fallen sollen.
Die Maßnahmen der Agenda 2010 fördern den Zwang, jeden Job anzunehmen, und zwar auch dann, wenn untertarifliche Löhne gezahlt werden, die zum Leben nicht reichen. Dem dient zunächst die Verkürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes auf ein Jahr. Mit der Einführung des Alg II ab dem 1. Januar 2005 kann die Arbeitsverwaltung die Arbeitsaufnahme unterhalb des Unterstützungsniveaus erzwingen. Die Löh-ne können bis zur Sittenwidrigkeitsgrenze hin unterhalb der Tariflöhne liegen (d.h. bis zu 30 Prozent) – und dies vor dem Hintergrund, dass in Ostdeutschland derzeit schon Tariflöhne um fünf bis sechs Euro vereinbart sind.
Hinzukommt, dass die Kommunen im Jahr 2005 weit umfassender so genannte gemeinnützige Arbeit anordnen können als bisher. Auf diese Weise wird die Ersetzung von tariflich bezahlten Regelarbeitsverhältnissen im Öffentlichen Dienst durch Zwangsarbeitsverpflichtungen vorangetrieben.
Die Maßnahmen der Agenda 2010 sind – als Folge der seit 2001 andauernden Krise – keine neue Erfindung, keine neue Ideologie, sondern nur die Steigerung der alten Antworten auf die neue Lage. Auch in den Krisen 1980/1982 und 1992/1993 betrieb eine Große Koalition Sozialabbau zwecks Lohnabbau.

2. Die Maßnahmen der Agenda 2010 sind – gemessen an den Forderungen der Unternehmerverbände – nur ein kleiner Schritt in die für das Kapital gewünschte Richtung. Wohin die Reise gehen soll, lässt sich nicht nur den einschlägigen Äußerungen der Herren Rogowski und Hundt entnehmen: Die von der Regie-rung eingesetzte Dohnanyi-Kommission zum »Aufbau Ost« fordert, ganz Ostdeutschland zur Sonderwirtschaftszone zu machen. Kernpunkte des Programms der Kommission sind – unter Bezugnahme auf die Verhältnisse in China, Indien und die osteuropäischen Länder – die Schaffung eines »konkurrenzfähigen« Niedriglohnsektors, Absenkung der Unternehmenssteuern bis hin zu deren Abschaffung, Eingriffe in das Arbeitsrecht mit dem Ziel, den Kündigungsschutz abzuschaffen, die Rechte der Gewerkschaften einzu-schränken, insbesondere den Flächentarifvertrag abzuschaffen, noch längere Arbeitszeiten zu ermöglichen usw.

3. Die Sozialen Bewegungen und die Gewerkschaftslinke stellen diesem Programm, das nur der Erhöhung der Profite und Sicherung der Renditen dient, Forderungen nach Erhalt und Ausbau der sozialen und ge-werkschaftlichen Rechte entgegen. Grundlage hierfür ist der Frankfurter Appell (verabschiedet auf der bun-desweiten Aktionskonferenz am 17./18. Januar in Frankfurt am Main, s. express, Nr. 1/2004; Anm. d. Red.), der u.a. gesetzliche Mindestlöhne, ein ausreichendes Mindesteinkommen für Erwerbslose, massive Arbeitszeitverkürzung, Absenkung des Renteneintrittsalters ohne Abschläge sowie die Rücknahme der Gewinnsteuersenkungen und die Wiedereinführung der Vermögensteuer fordert.

4. Mit den Angriffen auf die Löhne und Sozialleistungen geht auch ein massiver Angriff auf die Gewerkschaften und gewerkschaftliche Rechte einher. Gesamtmetall-Präsident Kannegießer hat die Existenz der Gewerkschaften als Folge der Demonstrationen vom 3. April 2004 offen in Frage gestellt. Er war damit aber nicht der Erste und wird auch nicht der Letzte sein. Das Kapital möchte die Gewerkschaften am liebsten zerstören, um freie Bahn für die Abwälzung der Folgen seiner Krise zu haben. Die Verteidigung der Gewerkschaftsrechte und Forderungen nach ihrem Ausbau (etwa gegen die Beseitigung der Tarifautonomie, für ein umfassendes Streikrecht) sind ein Gebot der Stunde.

5. Wir unterstützen die Herbstkampagne 2004 der Beteiligten des Bündnisses »Alle gemeinsam gegen Sozialkahlschlag« und fordern alle in den Gewerkschaften organisierten Kolleginnen und Kollegen auf, sich auf örtlicher und betrieblicher Ebene schon jetzt zusammenzuschließen mit dem Ziel, dem aus den Gewerkschaften und Betrieben heraus organisierten Widerstand gegen Sozial- und Lohnabbau eine stärkere Basis zu verschaffen. Die Zusammenarbeit mit örtlichen Sozialforen und Bündnissen gegen Sozialabbau muss zum Zwecke des maximalen Erfolgs der Herbstkampagne ausgebaut werden.

Erschienen im express, Zeitschrift für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 6-7/04


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