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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Der Befreiungsschlag von Bellinzona - Warum ein Betriebskampf gewonnen wurde! Bei einem Besuch in drei deutschen Städten berichten drei UnterstützerInnen über den Arbeitskampf in der Schweiz. Wann hat es das gegeben, daß ein Betrieb geschlossen werden sollte, die Belegschaft dagegen aufsteht, streikt, ihren Betrieb besetzt – und den Kampf gewinnt?! Mehr noch, die Widerständler stellen neun Forderungen, die von der Geschäftsleitung angenommen werden müssen! Es entstehen Elemente von Arbeitermacht. Das sind keine linken Tagträume – das hat sich abgespielt bei den Eisenbahnwerkstätten SBB in Bellinzona (Südschweiz), einem Betrieb mit 430 Beschäftigten, davon 70 Leiharbeiter. Dieser Zustand, daß das Streikkomitee und die Arbeiterversammlung gefragt werden muß bei allen arbeitsrelevanten Entscheidungen besteht auch heute noch, ein Jahr nach Beendigung des Kampfes. Die Ehefrauen und Töchter der Arbeiter, die den Kampf unterstützt hatten, holten heraus, daß an Wochenenden gelegentlich die große Halle für Feiern und Familienfeste genutzt werden kann. Es wurde durchgesetzt, daß nach Ermessen des Streikkomitees Arbeiterversamlungen abgehalten werden können. Weiter: Von den Leiharbeitern werden jetzt ein Drittel fest eingestellt, ein weiteres Drittel im Herbst!! Von dem Regisseur Danilio Catti ist ein Film gedreht worden: Giù le mani. (Hände weg!). Catti filmte von Anfang an. Bewegt sagt er: „Es war ein intensiver Streik, während dem ich welche vor Wut schreien und vor Ergriffenheit weinen sah... Ich filmte pausenlos, aus Angst, einen wichtigen Moment zu verpassen“. Der Film beginnt mit einer zentralen Szene: Gianni Frizzo, der Wortführer der Arbeiter und der SBB-Manager stehen auf der Arbeiterversammlung vor dem Mikrophon. Gianni läßt ihm nur die Entscheidung auf die Frage: Schließung des Werkes mit Ja oder Nein zu antworten. Die Arbeiter nehmen es auf und skandieren: Ja oder neine, ja oder nein! Nachdem der Manager ein gequältes Ja von sich gibt, wird er aus der Halle gejagt. Der unbefristete Streik beginnt. Gianni sagt später: Wenn er den Manager hätte reden lassen, hätte der mit falschen Versprechungen einen Teil der Belegschaft verunsichern können. Der besetzte Betrieb wird für Wochen zu einem sozialen Zentrum, einem Ort der Begegnung und der Solidarität für die ganze Bevölkerung der Stadt. Die Solidaritätswelle erfaßt den ganzen Kanton: Sie entspringt der Stimmung, daß endlich jemand wagt, es den „arroganten, geldgierigen und machthungrigen Managern“ zu zeigen. In der Schweiz, dem „Land des Arbeitsfriedens“ wirkte die Besetzung wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Es kamen die Begriffe auf: Das Wunder von Bellinzona. Und: Der Befreiungsschlag von Bellinzona. Was können wir von dem Befreiungsschlag von Bellinzona lernen? Daß der Kampf besondere, einmalige Bedingungen hatte, nicht wiederholbar ist? Dagegen wendet sich Gianni: „Ich glaube nicht an die Besonderheit des Streiks in den Officine. Daran glaube ich nicht. Wer versucht, eine solche Botschaft zu vermitteln, der will jemand anders die Möglichkeit nehmen sich zu verteidigen. Und die ersten, die das tun, das sind unsere Gewerkschaften. Das sage ich in aller Deutlichkeit“ (Interview vom 5.4.09). Gianni versteht den Kampf bei Bellinzona nicht als schematisches Rezept! Wir haben die Gelegenheit, mit unseren Schweizer KollegInnen vom „Netzwerk für eine kämpferische Arbeiterbewegung“ über die Organisierung von Widerstand und Gegenwehr zu diskutieren, gerade vor dem Hintergrund von tausenden Insolvenzen und radikalen Betriebsschrumpfungen, vor denen wir in Deutschland stehen. Auch darüber, warum der „Befreiungsschlag von Bellinzona“ kein Blitz aus heiterem Himmel war, berichten drei KollegInnen aus Zürich bei ihrem Besuch in drei deutschen Städten:
Der Film von Danilo Catti wird auf den Veranstaltungen gezeigt und/oder kann gekauft werden. Dieter Wegner (Jour Fixe der Gewerkschaftslinken Hamburg) |