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Updated: 18.12.2012 15:51
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WorkChoices – Keine Wahl für Arbeiter

Donna McGuire über Australiens Arbeitsgesetzgebung als Prototyp neoliberaler Konterrevolution, Teil II

Im ersten Teil hatte sich Donna McGuire zunächst mit der Geschichte des Systems der australischen Arbeitsbeziehungen befasst, um vor diesem Hintergrund den Charakter der neuen »WorkChoices«-Gesetzgebung zu verdeutlichen, der u.a. über die Individualisierung von Arbeitsverträgen auf erhebliche Einschränkungen für Arbeitnehmerrechte abzielt. Im folgenden zweiten Teil konzentriert sich die Autorin auf Reaktionen und Gegenwehrmöglichkeiten von Gewerkschaften und Arbeitnehmern.

Es gibt kaum Anzeichen, die die Behauptung der Regierung stützen, die mit der WorkChoices-Gesetzgebung eingeleiteten Veränderungen würden zu einer Produktivitätsverbesserung führen. Renommierten australischen Forschern im Bereich der industriellen Beziehungen und der Arbeitsmarkttheorie zufolge wird die WorkChoices-Gesetzgebung nichts dazu beitragen, die Herausforderungen am Arbeitsmarkt, vor denen Australien heute steht, zu lösen – einschließlich fehlender Arbeitskräfte und Qualifikationen, sinkender Produktivität, Spannungen in Arbeiterfamilien und des rapiden Anstiegs schlecht bezahlter prekärer Beschäftigung. [1] Stattdessen, so die Argumentation in der gemeinsamen Erklärung dieser Forscher, ist davon auszugehen, dass die australische Gesellschaft zerstört werde durch die »Förderung schlecht bezahlter Jobs mit irregulären Arbeitszeiten und wenig Sicherheit«, die die Beziehungen innerhalb der Arbeiterfamilien weiter verschlechtern und die am stärksten benachteiligten Individuen und Gruppen noch weiter benachteiligen.

Antworten der Gewerkschaften auf WorkChoices

Die Implementierung der WorkChoices bedeutet gleichzeitig eine Bedrohung und eine Chance für die australische Gewerkschaftsbewegung. Die Gesetzgebung ist klar daraufhin konzipiert, Gewerkschaftsmacht zu beschränken und die Gewerkschaftsbewegung zu fragmentieren. Dies kann leicht passieren, wenn sich Gewerkschaften nur defensiv verhalten und sich mehr auf ihr jeweils eigenes Überleben konzentrieren, als nach Wegen der Kooperation zu suchen, um Mitglieder zu organisieren und um wieder starke und mächtige Gewerkschaften aufzubauen.

Auf der anderen Seite schafft die Bildung eines nationalen Systems von Arbeitsbeziehungen für Gewerkschaften die Möglichkeit, eine nationale Kraft zu werden, mit größeren Einflussmöglichkeiten auf nationale Industrien und Politik. Die staatlich basierte Struktur des Systems der Arbeitsbeziehungen hat eine staatlich dominierte Gewerkschaftsstruktur ermöglicht. Nach Paul Goulter, Mitglied des ACTU Bildungs- und Kampagnencenters (Australian Council of Trade Unions; die bundesweite Vereinigung der Gewerkschaften in Australien, d.Ü.), ist es für Gewerkschaften in Australien an der Zeit, global zu denken und national zu handeln.[2]

Goulter argumentiert, dass Gewerkschaften aufhören müssen, auf institutionelle Strukturen wie Einigungs- und Schiedsverfahren durch unabhängige Kommissionen zu setzen, um bessere Löhne und Arbeitsbedingungen zu garantieren. Dieses System hätte einen gewerkschaftlichen ›Service‹-Stil unterstützt, der Mitglieder nicht zu Einmischung oder Aktivitäten ermutigt hat. Jetzt aber sei es für Gewerkschaften an der Zeit, sich auf die Erhöhung des Organisierungsgrades und die Entwicklung kollektiver Stärke zu konzentrieren.

Die Möglichkeiten der Arbeiter zum Schutz und Ausbau ihrer Rechte und Arbeitsbedingungen unter dem Diktat der WorkChoices-Gesetzgebung werden mehr von ihrer kollektiven Stärke am Arbeitsplatz bestimmt als von der Art der Vereinbarung, die zur Regulierung ihrer Beschäftigungsbedingungen benutzt wird. Gewerkschaften müssen neue Strategien entwickeln, um alle Arbeiter – unabhängig von ihrem Beschäftigungsstatus oder der Art der Beschäftigungsvereinbarung – zu vertreten. Dies beinhaltet die Entwicklung von Strategien, um mit individuellen Arbeitsplatzvereinbarungen (AWAs) in einer kollektiven Art und Weise umzugehen, statt Arbeiter vor den Kopf zu stoßen, die dazu gezwungen sind, selbige zu unterschreiben.

Eine wachsende Anzahl australischer Gewerkschaften hat bereits Strategien zum Ausbau gewerkschaftlicher Stärke und kollektiver Macht aufgegriffen und umgesetzt. Diese Strategien basieren auf Organisierungskonzepten aus den USA; auf Erfahrungen einer kleinen Anzahl von Gewerkschaften dort, denen es gelungen ist, den Niedergang der Gewerkschaften zu stoppen, diese Entwicklung umzukehren und neue Mitglieder in einer der gewerkschaftsfeindlichsten Regionen der Welt zu gewinnen.[3]

Trotz der institutionellen Differenzen sehen Gewerkschaftsfunktionäre in Australien viele Parallelen zwischen den US-amerikanischen und australischen politischen und industriellen Bedingungen im Hinblick auf die Verpflichtung auf eine neoliberale Ideologie, wachsende Feindschaft gegenüber Gewerkschaften und schrumpfende Organisationsgrade, verbunden mit strukturellen Veränderungen des Arbeitsmarkts.

Gewerkschaftliche Organisierung basiert auf der Entwicklung von Aktivitäten ihrer Mitglieder entlang gemeinsamer Themen, dem Aufbau starker Strukturen am Arbeitsplatz und dem gezielten Einsatz von Ressourcen zugunsten des Wachstums von Gewerkschaften – und nicht darauf, wie eine Art Versicherungsunternehmen zu agieren, das individuelle Beschwerden von Mitgliedern bei Bedarf löst.

Wie auch immer, die Erhöhung des Organisationsgrades und die Entwicklung kollektiver Stärke werden nicht ausreichen, um diese Gesetze zu verändern. Gewerkschaften müssen auch an einer politischen Lösung arbeiten, etwa durch die Mobilisierung der ›Community‹ für einen Regierungswechsel und ein System von Arbeitsgesetzen, dass sich den Arbeitsmarktanforderungen und sozialen Erfordernissen zuwendet und gleichzeitig die Rechte und Arbeitsbedingungen der Arbeiter schützt.

Der ACTU hat eine kraftvolle Kampagne ins Leben gerufen, um das öffentliche Bewusstsein über die Wirkung der WorkChoices-Gesetzgebung zu schärfen und öffentlichen Protest zu ermuntern.

Diese Kampagne mit dem Titel »Deine Rechte bei der Arbeit – wert, dafür zu kämpfen« (Your Rights at Work – Worth Fighting For) war zwar aufgrund der politischen Mehrheit, die die Regierung in beiden Kammern des Parlaments hält, erfolglos im Hinblick auf die Verhinderung der Verabschiedung der WorkChoices-Gesetzgebung. Nichtsdestotrotz wirkte sie den Desinformationen, die – unterstützt durch eine fünf Millionen australische Dollar teure Werbekampagne der Bundesregierung – den »Verkauf« der WorkChoices-Gesetze flankierten, erfolgreich entgegen und führte die Oppositionsbildung gegen die radikalen neuen Arbeitsgesetze der Regierung fort. [4]

Es gibt Anzeichen dafür, dass die Kampagne Erfolg hat. Neuere Umfragen des ACTU zeigen, dass zwei von drei Menschen die Gesetze der Howard-Regierung als eine ›Bedrohung für jede arbeitende Familie in Australien‹ betrachten, weil sie Arbeiterrechte im Hinblick auf Arbeitsplatzsicherheit und den Schutz gegen ungerechtfertigte Entlassungen unterlaufen. Die Befragung zeigte außerdem starke Unterstützung für die Rolle der Gewerkschaften; sechzig Prozent der Befragten stimmten damit überein, dass ›kollektive Tarifverhandlungen bessere Arbeitsplatzsicherheit für Arbeiter bedeuten‹.

Eine vier-prozentige Erhöhung der Mitgliederzahlen der Gewerkschaften und verstärkter Gebrauch der ›Gewerkschafts Hotline‹ der ACTU zeigen, dass sich australische Arbeiter den Gewerkschaften wieder zuwenden, um ihre Bezahlung und ihre Arbeitsbedingungen zu schützen. Es liegt an den Gewerkschaften, die Herausforderung der Ausbildung kollektiver Stärke und Macht anzunehmen. Diese wird gebraucht, um der Arbeitgebermacht entgegen zu wirken und den Kampf um ein gerechtes System von Arbeitsbeziehungen zu gewinnen.

Übersetzung: Kirsten Huckenbeck, Jörg Waschatz

Literatur

Kampagnen-Website der ACTU: www.yourrightsatwork.com.au externer Link

Crosby, Michael (2005): »Power at Work: Rebuilding the Australian Labour Movement«. The Federation Press: Annanndale

Peetz, David (2006): »Brave New Workplace«. Allen und Unwin: Crows Nest

The Federal Government's Industrial Relations Policy: Report Card on the Proposed Changes by 17 of Australien's leading academic researchers in the fields of industrial relations und Arbeit market issues 2005 (www.econ.usyd.edu.au/wos/IRchangesreportcard/ externer Link)

Erschienen im express, Zeitschrift für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 9-10/06


Anmerkungen:

(1) The Federal Government’s Industrial Relations Policy: Report Card on the Proposed Changes by 17 of Australia’s leading academic researchers in the fields of industrial relations and labour market issues 2005 (www.econ.usyd.edu.au/wos/IRchangesreportcard/ externer Link)

(2) Diese Analyse basiert auf einem Vortrag von Paul Goulter auf einem gemeinsamen Gewerkschaftstreffen am 23. November 2005 in Brisbane.

(3) Für eine umfassende Analyse der Versuche der australischen Gewerkschaftsbewegung, Gewerkschaftsmacht wieder aufzubauen, siehe Crosby, Michael (2005): »Power at Work«

(4) Weitere Informationen auf der ACTU-Kampagnen-Website: www.yourrightsatwork.com.au externer Link


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