letzte Änderung am 27. November 2003 | |
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Johannes Rau hat neulich festgestellt, dass die Rente "kein Gnadenbrot", sondern der "Dank für die erbrachte Lebensleistung" sei.
Bei der in letzter Zeit schwer in Mode gekommenen Droge Kürzungsrausch ist in dieser Saison ein neuer Stoff entdeckt worden: Oma und Opa. Von denen gibts genug und es werden immer mehr. Um die Droge salonfähig zu machen, wurde erst mal ganz geschickt ein Generationenkonflikt konstruiert. Der erste Kick war schon gut, die Nullrunde bei der Rentenanpassung 2004 macht Appetit auf mehr.
Wenn man allerdings genauer hinschaut, verpufft der Generationenkonflikt sofort. Denn die Höhe der Altersbezüge ist genau so breit gestreut wie die Einkommen der Lohnabhängigen. Die Schere geht nicht zu, nur weil sie alt wird. Vielmehr haben wir es hier mal wieder mit einem Kapitalismuskonflikt zu tun.
Die derzeitige Modellrente von 1043 Euro sieht zwar gar nicht schlecht aus, das Problem ist nur, dass sie selten vorkommt. 45 ununterbrochene Beitragsjahre mit einem durchschnittlich hohen Verdienst sind dafür erforderlich. Das ist für alle die nicht erfüllbar, die zeitweise nicht erwerbstätig sind oder in atypischen Beschäftigungsverhältnissen arbeiten, also befristet, geringfügig oder als Teilzeitkräfte. Wer also in prekären Einkommensverhältnissen leben muß, dem fehlt nicht nur das Geld für private Vorsorge, sondern auch Beitragspunkte für die gesetzliche Rentenversicherung. In anderen Berufen werden die Bezüge auch mal anders berechnet. Sonst müsste ein Abgeordneter des Bundestages 184 Jahre arbeiten, um die Pension zu erhalten, für die jetzt acht Jahre reichen.
Und dann gibt es noch einen kleinen Patriarchatkonflikt. Die Renten der Frauen sind im Schnitt ungefähr halb so hoch wie die der Männer. Arbeiterinnen verfügen über eine Durchschnittsrente von 361 Euro und nur 30% von ihnen erreichen die 500 Euro Grenze.
Bei weiblichen Angestellten liegt der Durchschnitt bei 573 Euro. Die ostdeutschen Frauen erhalten wegen ihrer längeren und durchgehenden Arbeitszeiten verhältnismäßig höhere Bezüge. Besonders hart trifft es die westdeutschen Arbeiterinnen: die Hälfte von ihnen muß von einer Rente unter 300 Euro existieren.
Die Ursachen liegen in der weiblichen Erwerbsbiographie. In den prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeiten überdurchschnittlich viele Frauen. So sind zwei Drittel der geringfügig Beschäftigten weiblich. Die Aufgaben im Reproduktionsbereich und als Mutter führen häufig zu Teilzeitjobs oder gar keiner Erwerbstätigkeit. Die Chancen einer Frau, einen Arbeitsvertrag zu bekommen, sind immer noch schlechter als die eines Mannes. Selbst wenn sie einen hat, liegt ihr Verdienst im Schnitt bei 80% des männlichen Kollegen.
Der Grund, dass viele dieser Frauen nicht in die Altersarmut abrutschen, sind zum einen zusätzliche Einkommen, in den meisten Fällen die Witwenrente. Und zum anderen sind viele Frauen abhängig von den Bezügen des Ehepartners. Von einer ausreichenden eigenständigen Versorgung kann also keine Rede sein, dementsprechend leben gerade diejenigen Frauen am oder unter dem Existenzminimum, die keine Zusatzeinkünfte haben und ausschließlich auf ihre Rente angewiesen sind. Von einer pauschalen Absenkung der Bezüge wären also die Frauen besonders betroffen.
Ursprünglich sollte das Rentenniveau 70% des Nettoverdienstes betragen. Nachdem Riester bereits auf 64,5% gekürzt hat, phantasiert die Rürup Kommission inzwischen Beträge von 40% des Bruttoverdienstes. Bereits beschlossen ist die Aussetzung der Rentenanpassung für 2004. Damit sinkt der reale Wert der Renten.
Unabhängig von diesen Kürzungen führen die Hartz-"Reformen" dazu, dass Frauen noch weiter vom Arbeitsmarkt verdrängt und prekarisiert werden. Das wird sich nicht zuletzt bei den Renten bemerkbar machen. Vielen Dank, Herr Rau.
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