Home > Diskussion > EU > Wipo > Krise > krise_bahl37
Updated: 18.12.2012 15:51
Aktuelle Meldungen im neuen LabourNet Germany

Eine 11. Frage zur Eurokrise: Ein Ende für die Politik des "Zeitkaufens" im Interesse der Anleger

Entsprechend der sich aktuell zuspitzenden Situation in der Eurokrise stößt diese Politik des bloßen "Zeitkaufens" - immer im Interesse der Anleger auf den Finanzmärkten - an ihre Grenzen, weil es für die Staaten und damit den Steuerzahler "zu teuer" wird: Deshalb müsste eine 11. Frage (= zu den 10 des DGB: Warum der Fiskalpakt keine Lösung ist - Zehn Fragen zum Thema: http://www.dgb.de/themen/++co++2460f974-bacb-11e1-7bae-00188b4dc422 externer Link) etwa lauten: 11.) Wie kann man dem auf den Crash der sog. "Rettungsschirme" hinführenden Zinsniveau in den Südländern - jetzt Spanien und dann Italien noch -  jetzt noch entronnen werden?

a.) Mit Hilfe der Europäischen Zentralbank?

Was Deutschland schon wieder "konterkarieren" will (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/massnahmen-zur-euro-rettung-ringen-um-krisen-strategie-der-ezb-1.1425292 externer Link). 

Gelingt es jedoch dank einer - inzwischen dem durch den sich weiter verschärfenden Krisenverlauf  - "erzwungenen" besseren Einsicht der deutschen Bundeskanzlerin Merkel im "Verbund" mit dem französischen Staatspräsidenten Francois Hollande dem neuen "Kurs" der EZB mitzutragen? Jedenfalls wollen Merkel und Hollande erst einmal alles tun, um den "Euro zu retten" (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/wege-aus-der-schuldenkrise-merkel-und-hollande-wollen-alles-fuer-den-euro-tun-1.1424488 externer Link).

Dabei erscheinen die Gemeinsamkeiten zwischen Hollande vor allem in dem ersten Teil der gemeinsamen Erklärung "Deutschland und Frankreich sind entschlossen alles zu tun, um die Eurozone zu schützen", zu liegen, während im zweiten Teil doch schon wieder die "grundsätzlichen" Differenzen zwischen einem erforderlichen Eingreifen der EZB (Holland) und dem Drängen auf Sparpolitik und "Strukturreformen" gemäß dem gemeinsam ja doch längst beschlossenen "Fiskalpakt" (Merkel) zu Tage treten. (vgl. www.fr-online.de/meinung/eurokrise-merkel-hollande-die-zarte-versuchung-des-suedens,1472602,16743330.html externer Link)

Gelingt jetzt doch noch eine europäische Gemeinsamkeit zur Erhaltung des Euro mit Hilfe eines breiteren Auftrages für die EZB, die Merkel gegenüber dem konservativen Staatspräsidenten Sarkozy stets ablehnte - und vielleicht so auch noch seine Wiederwahl - deutschland-egoistisch fixiert - verhinderte? (vgl. http://www.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl13.html)

Jedenfalls sind die Zinsen für spanische Staatsanleihen schon auf unbezahlbare 7 Prozent gestiegen. Jetzt besteht immer deutlicher die Gefahr, dass die Rettungsschirme die Staaten Spanien und dann Italien nicht mehr auffangen können - immer nur um dadurch die spekulierenden Anleger zu schützen - und keinen einzigen krisenbetroffenen Bürger (die haben "nur" die sozialen Folgen der Sparpolitik zu tragen!).

Ulrike Herrman hat deshalb schon einmal die "Prognose" abgegeben, dass, wenn am 12. September das deutsche Bundesverfassungsgericht über den Rettungsschirm entscheidet, diese Form der Rettung der Eurozone - mit Hilfe von "Zeit-Kaufen" - schon wieder obsolet geworden ist (http://www.taz.de/Debatte-Eurokrise-in-Griechenland/!97917 externer Link) - einfach weil die Haftungssummen für die inzwischen weiter exorbitant gestiegenen Staatsschulden, die in diesem Rettungsschirm ESM vorgesehen sind, längst "gesprengt" wurden.

Aber dann würde die Kritik auch im Bundestag langsam ein Niveau erreicht haben, das eine Ausweitung dieser Haftungssummen, um sie dem Steuerzahler noch einmal und immer wieder aufzuhalsen, politisch unmöglich wird.

Dem Vorsitzenden der Euro-Gruppe, Jean-Claude Juncker ist deshalb schon einmal der Kragen geplatzt, und er wettert los, dass in dieser Krise "keine Zeit mehr zu verlieren ist". Und er insistiert darauf, dass jetzt die "Schuldenkrise" an einen entscheidenden Punkt gekommen ist - wo - neu und anders - gehandelt werden müsse. Deshalb unterstützt er die Pläne von EZB-Chef Draghi zum Aufkauf von Staatsanleihen. Und warnt dabei gleichzeitig vor dem Verfall der Eurozone.
In Richtung Deutschland gibt er der deutschen Regierung eine Mitschuld auch an - dieser Eskalation - der Krise. Deutschland behandele die Eurozone wie eine "Filiale" Deutschlands (allein in ihrem Interesse)(http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/schuldenkrise-in-der-eu-juncker-warnt-vor-zerfall-der-euro-zone-1.1425814 externer Link).

Nur unter dem Strich bleibt dann diese Art der Euro-Rettung genau das, was Wolfgang Streeck in seinem Essay in der Süddeutschen (Wirtschaftsteil der Süddeutschen vom 27. Juli 2012) folgendermaßen charakterisiert hatte: "So besorgt sind die Märkte, dass sie als Sicherheit dafür, dass die Schulden auf Heller und Pfennig und mit Zins und Zinseszins zurückbezahlt werden, nichts Geringeres verlangen als einen grundstürzenden Umbau des europäischen Staatensystems."  Und er fährt fort: "Damit wird der Finanzsektor zum Vorkämpfer einer europäischen "Solidarität"."
"Seit Jahren beschließen Brüsseler Gipfeltreffen (von der deutschen Kanzlerin dominiert)  immer neue institutionelle Veränderungen - auch mit tiefgreifenden Verfassungsänderungen, gerne auch mit regelgebundenem "Ewigkeitscharakter, zu denen es keine Alternative gibt -, die dann mit der Zinspistole am Kopf stehenden Fusses durch die nationalen Parlamente ratifiziert werden müssen"
"Und schon immer deutlicher ist eine galoppierende Entdemokratisierung des europäischen Staatensystems erkennbar.
"

"Damit verwandelt sich der - ehemals - europäische Wohlfahrtsstaat in einen in eine internationale Disziplin eingebundenen Konsolidierungsstaat." (Vgl. dazu auch "Merkels Kampf um eine Stabilitätsunion": www.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl36.html)

Für die Medienszene ist dabei interessant, wie gerade die große Tageszeitung "Süddeutsche" im Rahmen ihrer Berichterstattung - jetzt inzwischen wo immer deutlicher diese sog. neoliberale Sichtweise auf die Ökonomie in dieser Krise am Scheitern ist - zwei Linien der Krisenbetrachtung zulässt: Und so kommt dort heute (30. Juli 2012) dann auch noch die Linke Sarah Wagenknecht mit ihrer Sicht auf die Eurokrise ausführlich unter der Überschrift "Für die Wettbuden muss der Staat nicht haften" zu Wort: 

Zum Konzept der Bundesregierung: "Die Bundesregierung vergemeinschaftet die Schulden der Staaten, um Banken und Hedgefonds vor Verlusten zu schützen. In Zukunft sollen sogar Bankschulden direkt dem Steuerzahler aufgehalst werden. Gleichzeitig werden die Länder mit Kürzungsdiktaten immer tiefer in die Krise getrieben. Das verringert die Chance, dass sie ihre Schulden bedienen können.
Am Ende wird der Steuerzahler für Hunderte Milliarden gerade stehen müssen.
In Griechenland ist es bald soweit. Wenn wir dieses grandiose Konzept jetzt in Spanien und Italien wiederholen, ist auch Deutschland pleite
."

Ihr Konzept zur Euro-Rettung: "Die Staaten müssen aufhören, Schulden zu bedienen, die auf Grund der Finanzspekulation entstanden sind. Bisher läuft es doch so: Die Banken beteiligen sich an jeder Blase und machen riesige Gewinne. Platzt die Blase, rettet der Staat die Banken. Dafür verschuldet er sich - bei den Banken. Und weil die irgendwann an seiner Zahlungsfähigkeit zweifeln, muss er ihnen immer höhere Zinsen zahlen. Das ist pervers. Was die  Staaten brauchen ist ein deutlicher Schuldenschnitt." Da dieses Interview der SZ nicht im Netz ist, sei für das Konzept (Schuldenschnitt etc.) auf eine Darstellung des Spiegel verwiesen. (http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/sarah-wagenknechts-konzept-zur-euro-rettung-a-845862.html externer Link)

b.) mit einer europäischen Vermögensabgabe

Es darf bezweifelt werden, dass die Rolle einer EZB - auch mit der auf die Aufgaben einer "normalen" Notenbank erweiterten Funktion - auf Dauer diese "Schuldenkrise" beseitigt. Und es muss angenommen werden, dass der Schuldenschnitt der Sarah Wagenknecht auch nicht rasch durchsetzbar wird. Deshalb darf auch noch auf den Vorschlag einer europaweiten Vermögensabgabe hingewiesen werden. (Vgl. die Seite 7 f.: "Oder doch ein kurzer Weg aus der Krise : eine europaweite Vermögensabgabe" bei www.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl36.html)

 Der US-Milliardär Warren Buffet hatte durchaus richtig erkannt: Entweder geben die Reichen etwas zur Krisenbekämpfung (der Staatsschulden) - oder sie verlieren "am Schluss viel mehr! (Vgl. die Seite 1 unten bei www.labournet.de/diskussion/eu/wipo/krise_bahl13.html)

Und die politische Praxis?

Es reizt mich jetzt, diese intellektuellen Anstrengungen zur angemessenen Krisenbekämpfung mit einem Zitat aus der letzten Weltwirtschaftskrise 1929 ff. aus einer wirkungsmächtigen politischen Praxis zu komplettieren: "Wir mussten uns der alten Feinde des Friedens erwehren - des Wirtschafts- und Finanzmonopols, der Spekulation, der rücksichtslosen Banken, der Klassenfeindschaft...

Sie betrachteten die Regierung der Vereinigten Staaten schon als ein bloßes Anhängsel ihrer eigenen Geschäfte. Wir wissen jetzt, dass die Regierung des organisierten Geldes genauso gefährlich ist wie die Regierung des organisierten Pöbels. Nie zuvor in unserer gesamten Geschichte waren diese Kräfte so gegen einen Kandidaten geeint wie heute. Sie sind sich einig in ihrem Hass auf mich - und ihr Hass ist mir recht." (Franklin D. Roosevelt am Vorabend der Wahl von 1936 (= den Glass-Steagall-Act zur Trennung von Geschäftsbanken und Investmentbanking hatte Roosevelt schon 1933 durchgesetzt - zitiert nach Paul Krugman "Nach Bush" S. 69 f.) 

Nur, auf solch einen Kandidaten/in, der auch mehrheitsfähig ist, warten wir in Europa noch! (und wohl die USA auch?)

Kommentierte Presseschau von Volker Bahl vom 30.7.2012


Home | Impressum | Über uns | Kontakt | Fördermitgliedschaft | Newsletter | Volltextsuche
Branchennachrichten | Diskussion | Internationales | Solidarität gefragt!
Termine und Veranstaltungen | Kriege | Galerie | Kooperationspartner
AK Internationalismus IG Metall Berlin | express | Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken
zum Seitenanfang