7. Vermittelt, aber unter "Wert" - fachlich
wie finanziell
"Durch die intensive Begleitung des Arbeitslosen durch
den Vermittler, wobei eine Vertrauensbasis essentiell ist, werden neben der
Auseinandersetzung mit eventuellen Behinderungen, die eine direkte
Arbeitsvermittlung erschweren auch den persönlichen Umständen des
Klienten Rechnung getragen. Indem beide Aspekte auch nach der erfolgten Arbeitsvermittlung
positiv beeinflusst werden, werden die Chancen auf eine dauerhafte Beschäftigung
vergrößert." [1]
Seit der Sozialarbeiter Jos Berends 1991 im holländischen Nordbrabant
Maatwerk gründete, rühmt sich das Unternehmen mit seiner Philosophie
der individuellen Betreuung und Förderung von Langzeitarbeitslosen. Nachgesagt
werden ihm besondere Erfolge bei "problematischen Bevölkerungsgruppen",
sprich schwer vermittelbaren Menschen. "Maatwerk bildet vor Ort einheimische
Betreuer aus, analysiert die Fähigkeiten und Neigungen der Arbeitslosen
und sucht speziell auch nach verborgenen Kompetenzen. (
) Diese genaue
Abstimmung von individuellen Fähigkeiten zum möglichen Arbeitsplatz
halten die Eingliederungskosten und Enttäuschungen gering." [2]
Das Konzept wird auch als "Betreuungsintensität" oder
"Betreuung vom Mentor"[3]. Und was sagen unsere InformantInnen
dazu?
- "Zu Tränen rühren mich all die fantastischen
Geschichten um diese wundervolle Firma. Die Frau, die nach 10 Jahren Arbeitslosigkeit
nur aufschreiben sollte, wie sie sich ihre zukünftige Arbeit vorstellt,
und schon war der passende Job gefunden. Oder der selbstlose Maatwerk-Geschäftsführer,
der den Analphabeten drei Mal auf dem Weg zur neuen Arbeit begleitete, da
der ja in die falsche Straßenbahn eingestiegen wäre, weil er die
Schilder nicht lesen kann. Was habe ich geweint, als ich das gelesen habe!
Meine eigene Maatwerk-Erfahrung war kurz und schmerzvoll! (...) Mein erster
Einsatz begann am [Tag X] und endete am [Tag X + 24]. In der Umgebung meines
Wohnortes habe ich Hagebutten gepflückt. Nebenbei, wie aus dem Arbeitsvertrag
zu ersehen ist, bin ich Handwerksmeister. (
) Die Gespräche am Arbeitsplatz
hatten zum Inhalt, dass noch niemand bisher entsprechend seinem Lehrberuf
eingesetzt wurde. Im Gegenteil, für die meisten Mitarbeiter war dies
der erste Einsatz und die Magdeburger hatten in der Regel die ersten 4-6 Wochen
ihres Arbeitsverhältnisses zu Hause in der Wohnung verbracht und darauf
gewartet, dass das Telefon klingelt. Der zweite Einsatz begann am [Tag X +
25] und endete am [Tag X + 45] mit der Zustellung meiner Kündigung. Ich
war einer von sechs Hilfskräften von Maatwerk, die in einer Tiefbaufirma
die körperlich schweren Arbeiten beim Pflastern verrichteten. Wir (2
Elektriker, 3 Schlosser und ein Koch) waren somit mehr Helfer als unser Entleiher
Angestellte hatte. Uns wurde gesagt, wir sollten uns anstrengen, der Arbeitgeber
wünscht einen Mitarbeiter fest einzustellen. Vielleicht den Koch (??),
ist eigentlich egal, niemand von uns ist jemals Radlader gefahren, hatte eine
Rüttelplatte oder eine der unzähligen anderen Maschinen bedient
und hatte sein gesamtes Berufsleben nicht mit halb so viel frischen Beton
zu tun, wie dort in einer einzigen Woche beim Borde setzen. Von uns wollte
auch niemand eine Einstellung: die Beschäftigten des Entleihers hatten
bereits wiederholt längere Zeit keinen Lohn erhalten und gehen demnächst,
wie jeden Winter, den Weg zum A-Amt. Da kommen wir gerade her
"
(Informant 15)
- "
"Wir werden Sie in Ihrem Arbeitsgebiet
einsetzen usw. bla bla bla..." (Randbemerkung: ich bin gelernter Industriekaufmann).
Okay, es klang alles recht gut und man konnte sich dagegen auch nicht beschweren,
weil man ja arbeiten möchte. Also unterschreibt man einen Arbeitsvertrag
(beigemerkt mit ca. 100 mehr als das bisherige Arbeitslosengeld). Ich habe
mir gedacht okay, da machen wir und dabei wird schon was rauskommen. Nach
ca. 2 Wochen kam dann auch ein Anruf, ich möchte doch zum Probearbeiten
vorbeikommen -> man habe einen "supertollen Job" im CALL-CENTER.
Da hab ich mir auch gedacht "danke schön, super...". Okay,
ich war einen Tag da und habe anschließend klargestellt, da dies kein
Job für mich ist. Ich finde, da dies unterhalb meiner Qualifikation ist
und ich es persönlich nicht befürworten kann, andere Leute via Telefon
zu nerven und diesen bescheuerte Fragen zu stellen... Man sagte mir darauf
hin, da dies doch auch eine kaufmännische Tätigkeit sei - lassen
wir das aber dahingestellt. Im Moment darf ich als Zählhilfe bei einer
Inventurfirma arbeiten, 3x die Woche so von zw. 3-6 Uhr morgens bis 18-21
Uhr abends. Begründet wird dies damit, da es sich ja schließlich
auch um eine kaufmännische Tätigkeit handle
." (Informant
2)
- Aus Frankfurt/M.: "Dass Maatwerk nicht nach Qualifikationen
fragt, hab ich selbst erlebt. Ich wurde vom Arbeitsamt dorthin geschickt und
hatte mich am [Tag X] bei Maatwerk , Zeil 5-7, vorgestellt. Das Vorstellungsgespräch
lief völlig unprofessionell im Vergleich zu den üblichen Zeitarbeitsfirmen
ab. Ich wurde nur gefragt, ob ich auf 10 Fingern blind schreiben könnte
und für 8,50 € eingruppiert. Es wurde nicht mal nach der Bewerbungsmappe
gefragt. Da ich schon 30 Jahre als Sekretärin gearbeitet habe u. die
nötigen Qualifikationen habe, habe ich gefragt, warum so wenig, die Lohnspannweite
beträgt dort für kaufmännische Berufe 8,50 - 9,50 €. Der
Sachbearbeiter konnte mir nicht sagen, warum er mich nicht für 9,50 einstellt.
Da das Angebot unter meinem Arbeitslosengeld lag, lehnte ich es ab. Ich habe
mich danach beim Arbeitsamt beschwert und auch noch mal bei einer anderen
Sachbearbeiterin bei Maatwerk, die mir sagte, dass die Einstufung innerhalb
einer Lohngruppe im Ermessen des Sachbearbeiters liegt
" (Informant
11)
- "
Obwohl ich mehrere Abschlüsse im Bereich
kaufmännischer Büroarbeiten nachweisen kann, mit befristeten Arbeitsverträgen
auch den praktischen Nachweis erbracht habe, will mich Maatwerk (entsprechend
Tarifvertrag Randstad) mit einem Stundenlohn für unqualifizierte Arbeitskräfte
von 6,84 € einstellen
" (Informant 13)
- "
Die Bezahlung ist miserabel. 6.20 €
Brutto, vor 2Wochen machte ich ein Praktikum in einem Hotel mit Reitbetrieb
als Pferdepfleger eine Woche lang. Arbeitsbeginn morgens um 6 Uhr bis 17 Uhr,
laut Arbeitsvertrag von Maatwerk habe ich 7-Std.-Tag. Ich habe also jeden
Tag da 11 Std. gearbeitet, meine Wegstrecke zur Arbeit betrug 48 km (einfach).
Auf meine Anfrage, was denn mit denn Überstunden und mit Fahrtkostenzuschuß
sei, bekam ich zur Antwort, das würde im Praktikums Zeiten nicht bezahlt,
erst wenn ein richtiger Verleih zustande käme. Fazit ich wurde nicht
eingestellt und habe am Ende des Monats weniger, als wenn ich mich nicht da
beworben hätte, beziehungsweise für die Woche Fahrerei musste ich
mir das Geld noch leihen
" (Informant 6)
- "
der niedrigste std.- lohn sind 6,xx €
und der höchste std-lohn sind 11,80 €. gehälter gibt es nicht
- also alles auf std-basis. bezahlt wird das hier in bremen alles vom arbeitsamt.
das hat auch zur folge, dass die arbeitslosenzeit nur "unterbrochen"
wird (also keine neue erworben. (..) der TV wird von Randstad übernommen
(bis zum 1.1.2004) dann soll ja wohl dieser Tarifvertrag von ALLEN Zeitarbeitsfirmen
übernommen werden" (Informant 12)
- "... Alle sind alle als kaufmännisches Personal eingestellt
worden, müssen aber Arbeiten erledigen, die unter jeder Gürtellinie
sind, z. B. Eier einsortieren in Wandersleben. 10 Stunden am Tag. Frühschicht
von 2.45 Uhr - 14.45 Uhr. Spätschicht von 14.45 Uhr - 2.45 Uhr (ohne
Zuschläge) Fahrtkosten gibt es erst ab dem 31. KM..." (Informant
17)
- "... Nachmittags um 15 Uhr rief dann Frau Z endlich zurück.
Sie teilte mir mit, dass sie für den nächsten Tag und für die
nächsten Wochen einen Einsatz für mich hätte. In einem Altenpflegeheim
(ich dachte: klasse, in der Verwaltung). Sie: „so ein bisschen saubermachen“
(ich dachte: na ja, so ein wenig Büros saubermachen ist zwar nicht der
Hammer, aber schon ok). Bevor ich noch antworten konnte, kam dann ihr Kommentar:
„ach na ja, so ein bisschen die Zimmer der BewohnerInnen saubermachen.
Staubsaugen, Staubwischen so was alles. Ich kann nicht leugnen, dass ich nicht
wirklich begeistert war. Aber immer noch wollte ich wenigstens guten Willen
zeigen und wollte auf jeden Fall dort erscheinen. Sie erklärte mir, dass
sie gern den Auftrag dieser Firma bekommen würden und deshalb im Moment
alle verfügbaren Kräfte dort hinschicken würden um dann später
alle schwer vermittelbaren Leute dorthin zu vermitteln. Ich erkundigte mich
dann, wie es mit Fahrgeld aussehen würde, denn von den paar Euros, die
man bei Maatwerk verdient, hätte ich mir nicht für die angedrohten
„paar Wochen“ jeden Tag Fahrkarten kaufen können. Wieder
diese allseits bekannte Aussage: „das wird noch geklärt“.
Anschließend wollte ich noch wissen, ob es für solche Aufträge
eine Art Extrageld geben würde. Die Antwort von Frau Z. war dann: „Sie
bekommen ganz normal ihr Geld von uns weiter gezahlt.“ (...) Dort traf
ich dann auch 2 Damen, die ich bereits von einem Seminar kannte. Gemeinsam
waren wir der Meinung, dass das nicht so ganz unser Ding wäre, denn schließlich
sind wir alle 3 als kaufmännische Angestellte bei Maatwerk angestellt.
Wir unterhielten uns dann noch mit der Vorarbeiterin. Diese erzählte
uns dann, dass wir dort als Praktikantinnen arbeiten sollten. (gibt wahrscheinlich
ein Extra-Zuschuss vom AA dafür)..." (Informant 30)
- "... Man hat uns beim Vorstellungsgespräch folgendes mitgeteilt.
Man wird nur in den kfm Bereich vermittelt. Es könne auch in andere Bereiche
vermittelt werden, dieses dann aber nur mit Absprache des zu vermittelnden,
man solle es aber doch zumindest probieren und wenn man merkt das es einen
nicht liegt, kurze Rücksprache mit Firma Maatwerk und es wird eine Lösung
gefunden. Nämlich, das ein anderer dahin vermittelt wird. Es macht ja
keinen Sinn denjenigen weiterhin dahin zuschicken, denn der Firma Maatwerk
wäre damit auch nicht geholfen, da sich derjenige dann wohl krankmelden
wird. Korrekter Weise sollte man dann aber der Firma MA einen Tag einräumen
bis sie dann einen Ersatz gefunden haben. In Wirklichkeit sieht es so aus,
dass man in solchen Fällen die Kündigung bekommt...."
(Informant 27)
- "... Zu Beginn wurde mir versichert, daß Stellen nur in Zusammenarbeit
mit meinen Vorstellungen gesucht werden und NUR eine Festanstellung in Frage
kommt. Auf meine Rückfrage bzgl. des Arbeitsvertrages (lt. dem ist Teilzeitarbeit
möglich und ich kann wegen meines Kindes nur Teilzeit) wurde mir versichert,
dies sei für mich nicht relevant. Jetzt sollte ich wenigstens für
3 Stunden am Tag vermittelt werden. Der Job schien mir schlicht unseriös.
Warum ist wohl eher uninteressant, viel wichtiger erscheint mir, daß
ich in meinem Profil angab auf KEINEN Fall in den Telefonvertrieb zu wollen
und der Job sollte Telefonvertrieb der schlimmsten Sorte sein. Ich sagte das
Angebot am nächsten Morgen wie vereinbart telefonisch ab und danach stand
ich wohl direkt auf der Abschußliste von Maatwerk. Das nächste
Angebot erreichte mich telefonisch am gleichen Mittag von Maatwerk. Eine 400
Euro-Stelle bei einer Rechtsanwältin. Aber ich suche keine 400 Euro-Stelle.
(...) Für das nächste Angebot mußte ich mal wieder bei Maatwerk
im Büro antanzen. Dort erfuhr ich von einer Hausverwaltung, rund 40 km
entfernt, die eine 20h-Stelle zu besetzen hätte. Auf meine Nachfrage
erfuhr ich, daß die Hausverwaltung einen Kunden verloren hätte
und die gerade eingearbeitete ABM-Stelle entlassen mußte. Diese Stelle
sollte ich übernehmen. Ich ging dann nochmal etwas näher auf die
Sache mit der Zeitarbeit ein, denn eigentlich hieß es bei mir doch immer,
daß soetwas nicht das Ziel des Unternehmens sei, sondern Festanstellungen.
Daraufhin wurde mir fast unterstellt, ich wäre nicht arbeitswillig. Allerdings
sehr hintergründig ausgedrückt. Ich wurde also wieder zahm und zeigte
reges Interesse an der Stelle. Als nächstes sollte ein Termin vereinbart
werden zur Vorstellung. Zu diesem Termin kam es allerdings nie, da ich zum
06.02.2004 gekündigt wurde. Wieder kurz nach Monatsanfang und voll nach
der Taktik von Maatwerk..." (Informant 34)
- "... Zur Vermittlung (*lol): Maatwerk hatte es wirklich geschafft,
mir ein Vorstellungsgespräch zu verschaffen, was so gar nicht meinen
Profil entsprach. Ich durfte auf eigene Kosten von Wolfenbüttel nach
Wolfsburg fahren (gesamt 100 KM auf eigene Kosten!). Dort durfte ich einen
Test absolvieren in Englisch (wo ich seit 8 Jahren kein Englisch mehr hatte)!
Es war ein Call-Center, wo ich Kundenwerbung am Telefon so liebe (ironisch)!.."
(Informant 37)
Und zuletzt ein Fall aus der Presse:
- "... Schwere Vorwürfe gegen die insolvente Personal-Service-Agentur
Maatwerk erheben Mitarbeiter, die bei dem Unternehmen als Leiharbeitnehmer
beschäftigt sind. Sie behaupten, dass sie, anstatt in kaufmännische
Tätigkeiten vermittelt zu werden, als Putzfrauen in Altenheimen eingesetzt
wurden. Im Abendblatt berichten drei Hamburgerinnen von ihren Erfahrungen:
"Ich erhielt Ende Januar einen Anruf von Maatwerk, dass ich in einem
Altersheim eine leichte Putztätigkeit ausführen solle", sagt
Ute M., die Ende November bei Maatwerk als Großhandelskauffrau eingestellt
wurde. Als sie sich am nächsten Tag zum Putzeinsatz in einem Bahrenfelder
Alten- und Pflegeheim einfand, war die zierliche Frau entsetzt: "Dort
wartete schon eine Putzfrauenkolonne auf mich, und ich sollte nun Zimmer und
Toiletten putzen." Doch Ute M. weigerte sich und rief beim Arbeitsamt
an: "Mir wurde versichert, dass ich so eine Tätigkeit nicht auszuüben
bräuchte." Einer Mitarbeiterin von Maatwerk teilte sie mit, dass
sie nicht bereit sei als Putzfrau zu arbeiten. Am 10. Februar erhielt Ute
M. dann ihre Kündigung von Maatwerk. "Länger habe ich es einfach
nicht ausgehalten, denn Putzen ist für mich keine kaufmännische
Tätigkeit." Das sieht Roland Mellios von Maatwerk anders: "Wir
versuchen, unsere Arbeitnehmer entsprechend ihrer Qualifikation zu vermitteln.
Wenn das nicht gelingt, sind sie laut Arbeitsvertrag angehalten, vorübergehend
auch minder qualifizierte Tätigkeiten anzunehmen, soweit diese zumutbar
sind. (...) Außer der Putztätigkeit wurden Jessica C., Ute M. und
Iris S. nach eigenen Angaben, an keine weiteren Stellen vermittelt. Die Frauen
warten zudem auf ihren Lohn: Ute M. und Jessica C. haben Mitte Januar das
letzte Gehalt für Dezember bekommen. Und Iris S. traf es noch härter:
"Ich habe seit Ende Dezember genau 24 Euro bekommen." [4]
Da kann man nur richtig froh sein, dass die Verleihquote bei Maatwerk so niedrig
war... Geld gab es so oder so nicht!
Anmerkungen
1) Entnommen der Unternehmenshomepage http://www.maatwerk.com
2) Maatwerk - ein Weg aus der Arbeitslosigkeit.
Artikel ohne
Datum auf der Homepage der FDP Ladenburg
3) Der Arbeitslose wird zum Kunden. Die
Erfolge privater Arbeitsvermittler. Artikel
von Jeannette Goddar in Das Parlament 18/2002 vom 3.5.2002
4) „Maatwerk: Kauffrauen sollten im
Altenheim putzen. Vermittlung: Drei Hamburgerinnen erheben Vorwürfe gegen
Personal-Service-Agentur“. Artikel
im Hamburger Abendblatt vom 21. Februar 2004