Home > Diskussion > (Lohn)Arbeit: Aktionen > Finanzkrise > Griechen > Griechenreise >griechenreiserede | |
Updated: 18.12.2012 15:51 |
Redebeitrag für Gedenkstunde in Kesariani Redebeitrag von Rolf Becker auf der Kundgebung in Kesariani, dem Hinrichtungsplatz der Wehrmacht in Athen im Rahmen der Solidaritätsreise nach Griechenland, 15. bis 22. September 2012 (Entwurf – abweichend vom gesprochenen Beitrag, da durch vorangehende Beiträge etliches schon gesagt wurde) Liebe Freundinnen und Freunde, Kolleginnen und Kollegen, Genossinnen und Genossen, lieber und hochverehrter Manolis Glezos – wenige Worte im Namen unserer Reisegruppe, die sich zusammengefunden hat aus verschiedenen Betrieben und Gewerkschaften in der BRD, Österreich, der Schweiz, aus Serbien und Spanien, alle auch aus unterschiedlichen politischen Zusammenhängen. Was uns verbindet, ist die Überzeugung, dass es notwendig ist hier bei Euch ein kleines Zeichen der Solidarität zu geben, ein Zeichen der Verbundenheit im Widerstand von unten gegen die zunehmenden Angriffe von oben, die zur Ausplünderung und Verelendung ganzer Völker führt, ein Zeichen im Bemühen um ein politisch vereinigtes, friedliches und soziales Europa seiner arbeitenden und derzeit arbeitslosen Bevölkerungen statt eines Europas unter dem Diktat des Kapitals. Unser erster Weg führt uns hierher, nach Kesariani, weil wir es für unumgänglich halten, dass Deutschland – unter welcher Regierung auch immer – endlich der Verantwortung gerecht zu werden hat, die sich aus der Geschichte unserer beiden Länder ergibt. 1941 hat die Wehrmacht des faschistischen Deutschland Griechenland überfallen. Widerstand wurde mit Terrormaßnahmen niedergeschlagen, ganze Ortschaften wurden „ausgelöscht“. Die im Lande erzeugten Lebensmittel wurden beschlagnahmt zur Ernährung der deutschen Armeen auf dem Balkan und in Nordafrika, die Menschen hier hungerten und verhungerten. Joseph Goebbels notierte im Winter 1941/42 in seinem Tagebuch: «Hunger ist zu einer endemischen Krankheit geworden. Leute sterben aus Erschöpfung zu Tausenden in den Straßen Athens.» Kunstschätze wurden geraubt und „ins Reich“ geschafft. Eine Zwangsanleihe hatte zur Folge, dass Griechenland nach dem Krieg die Mittel für den Wiederaufbau fehlten. Für all das hat es seitdem keinen Ausgleich gegeben, Reparationszahlungen werden bis heute verweigert, die Tatsachen bleiben der deutschen Bevölkerung weitestgehend vorenthalten. Am 24. Juni 1987 erklärte der damalige deutsche Bundespräsident Richard von Weizsäcker hier an dieser Stelle: „Diese Gedenkstätte ist unlösbar mit der Geschichte Ihres und meines Volkes verknüpft… Kein Mensch, zumal kein Deutscher, kann hier stehen, ohne von der Botschaft dieses Ortes tief berührt zu sein.“ Seine Worte blieben ohne Konsequenz für die seither in Deutschland Regierenden. Hier in Kesariani, der in Griechenland „Altar der Freiheit“ genannten Stätte, dem „Schießstand der Deutschen Wehrmacht“, wurden – von 1941 bis 1944 – 600 Griechen ermordet, die nicht bereit waren sich dem deutschen Besatzungsregime zu unterwerfen. „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“ (Paul Celan) – das musste hier am 1. Mai 1944 auch eine Gruppe von 200 kommunistischen Häftlingen aus dem nahe gelegenen KZ Chaidari erfahren, so wie zuvor, am 5. September 1943, acht jugendliche Widerstandskämpfer, unter ihnen der erst 14 Jahre alte Andreas Likourinos, der im KZ Chaidari vor seiner Hinrichtung noch gefoltert worden war. Vom Wehrmachts-LKW, mit dem er durch Athen hierher transportiert wurde, warf er einen Zettel mit den Namen der sieben mit ihm Exekutierten: „Papa! Sie bringen mich nach Kesariani zur Hinrichtung, zusammen mit 7 anderen (hier folgen die Namen). Ich bitte Dich sehr, verständige ihre Familien. Betrübe Dich nicht. Ich sterbe für die Freiheit und das Vaterland. Andreas“. Seine Abschiedszeilen wurden in das Buch „Und die Flamme soll euch nicht versengen. Letzte Briefe zum Tode Verurteilter aus dem europäischen Widerstand“ aufgenommen – Thomas Mann schrieb 1955 ein Vorwort dazu. Der italienische Komponist Luigi Nono vertonte die Zeilen in seinem Chorwerk „Il canto sospeso“ (Kinder-Totenlieder). Heinrich Heine: „Aber ach! jeder Zoll, den die Menschheit weiter rückt, kostet Ströme Blutes; und ist das nicht etwas zu teuer? Ist das Leben des Individuums nicht vielleicht eben so viel wert wie das des ganzen Geschlechtes? Denn jeder einzelne Mensch ist schon eine Welt, die mit ihm geboren wird und mit ihm stirbt, unter jedem Grabstein liegt eine Weltgeschichte – »Still davon«, so würden die Toten sprechen, die hier gefallen sind, wir aber leben und wollen weiterkämpfen im heiligen Befreiungskriege der Menschheit.“ Lasst mich Euch mit einem weiteren Zitat, diesmal von Bertolt Brecht, noch einen Gedanken weitergeben, der mich beschäftigt, seit wir diese Reise planen und den Besuch hier an dieser Mauer, deren Beschädigung die Todesschüsse bezeugen: “Aber als er zur Wand ging, um erschossen zu werden Bertolt Brecht greift auf, was Karl Marx und Friedrich Engels bereits 1848 als Grundlage kapitalistischer Herrschaft definiert haben: die Konkurrenz der Arbeitenden unter sich. Ohne sie könnten die Herrschenden nicht herrschen. Diese Konkurrenz untereinander gilt es zu überwinden, wenn wir aus der gegenwärtigen Entwicklung in unseren Ländern einen Ausweg finden wollen. Zum Hintergrund der Reise siehe: Nein zu Spardiktaten und Nationalismus! Solidaritätsreise nach Griechenland, 15. bis 22. September 2012
|