Rumänische Billigarbeitskräfte missverstehen die globalisierte Marktwirtschaft - Ein Dorado für einen Konzern
Die Analyse des GegenStandpunkt-Verlags in Radio Lora München vom 28. April 2008
Lauter, selbstbewusster, unverschämter: Der Streik bei Dacia-Renault Rumänien markiert einen Wendepunkt
"Am 24. März 2008 treten etwa 8000 der insgesamt 13000 Beschäftigten des Dacia-Werks in Rumänien in einen unbefristeten Streik. Unter anderem fordern sie eine Erhöhung ihrer Löhne um 50 bis 70 Prozent. Die Streikenden orientieren sich dabei erstmalig nicht an landesüblichen Löhnen, sondern vergleichen sich mit Arbeitern von Renault in der Türkei oder Frankreich, die für die gleiche Arbeit 900 bzw. 2000 Euro erhalten, für die sie selber höchstens 300 Euro bekommen. Der Streik bei Dacia ist der größte Kampf im privaten Sektor in Rumänien seit 1989 und könnte der Beginn einer Welle von Streiks für bessere Lebensbedingungen sein." Vorabveröffentlichung aus der Wildcat 81, welche am am 25. April erscheinen wird . Siehe dazu auch die englische Übersetzung: "More noise, more self-respect, more daring - Strike at the Dacia-Renault plant in Romania: a turning point"
Streik bei Renault-Tochter Dacia beendet
„Der Streik der rund 13.000 Autobauer der Renault- Tochter Automobile Dacia im südrumänischen Pitesti ist beendet. Die Gewerkschaften nahmen ein verbessertes Lohnangebot der Werksleitung an. Die Arbeit sei am Freitagmittag wieder aufgenommen worden, berichtete die Nachrichtenagentur Mediafax. Die Dacia-Arbeiter hatten knapp drei Wochen für höhere Löhne gestreikt. Gewerkschaft und Werksleitung einigten sich darauf, dass alle Dacia-Beschäftigten rückwirkend zum 1. Januar 300 Lei (knapp 90 Euro) mehr Lohn im Monat erhalten und ab September eine weitere Lohnerhöhung um 60 Lei. Ferner soll jeder Arbeiter als Gewinnbeteiligung eine Jahresprämie in Höhe seines Bruttolohnes, aber nicht weniger als 900 Lei erhalten. Das ergibt nach Aussagen eines Gewerkschaftsführers von Dacia zusammengerechnet im Schnitt eine Lohnerhöhung um rund 450 Lei im Monat…“ Artikel in der Frankfurter Rundschau vom 11.04.2008
Presseschau vom 05.04.2008
Am kommenden Mittwoch wird erneut auf Antrag der Geschäftsführung von Dacia-Renault vor Gericht entschieden, ob der Streik als illegal erklärt werden kann. Nach rumänischen Recht ist ein Streik nicht legal, wenn weniger als die Hälfte der Beschäftigten daran teilnehmen. Die Gewerkschafter der SAD (Sindicat Autoturisme Dacia) hatten bereits zweimal eine solche Entscheidung hinausschieben können und damit die Fortführung des Streiks gesichert. Momentan versucht das Unternehmen mit Hilfe der Abteilungsleiter und Vorarbeiter Streikende, deren Vertrag befristet ist, mit einem unbefristeten Vertrag zu erpressen, falls sie unverzüglich die Arbeit aufnehmen sollten. Die Streikenden von Dacia erhalten derzeit kein Streikgeld. Französische Gewerkschaften haben angekündigt, dass sie die Löhne, die die Streikenden aufgrund des Ausstands derzeit verlieren, in Form von Streikgeld zahlen wollen. Dazu mehr in den folgenden aus der rumänischen Presse übersetzten Artikeln „Adevarul vom 05.04.2008: Renault hat den Streik bei Dacia gespalten“, „Evenimentul Zilei (EVZ) vom 05. April 2008: Kann sich Renault leisten, aus Pitesti wegzugehen?“ und „SOLIDARITATE: Hilfe aus Frankreich“ ... Die Presseschau vom 05.04.2008. Siehe dazu auch:
Rumänische Autoarbeiter streiken gegen Hungerlöhne
„Seit mittlerweile fast zwei Wochen streiken rund 10.000 Arbeiter des Dacia-Werkes im rumänischen Pitesti. Die Belegschaft des Tochterunternehmens des französischen Autobauers Renault fordert eine Gehaltssteigerung von 42 Prozent, zusätzliches Weihnachtsgeld und eine Beteiligung am Gewinn des Unternehmens. Der Streik legt seit Ende März die gesamte Produktion des ca. 120 Kilometer von Bukarest entfernten Werkes lahm, was zu erheblichen Produktionsverzögerungen und Einbußen für Dacia führt. Der Schaden wird pro Tag auf mehrere Millionen Euro geschätzt. Das rumänische Konzern-Management versucht derzeit, den Streik per Gerichtsbeschluss für illegal erklären zu lassen. Es begründet dies damit, dass weniger als die Hälfte der Angestellten den Streikaufruf unterschrieben hätten. Nach rumänischem Recht muss es dafür eine Mehrheit geben. Tatsächlich hat sich aber nur eine Minderheit der 13.000 Arbeiter dem Streikaufruf nicht angeschlossen. Bereits zweimal wurde das Verfahren vor Gericht verschoben. Der nächste Termin ist am kommenden Mittwoch…“ Artikel von von Markus Salzmann auf der World Socialist Web Site vom 05.04.2008
Auf der Aufholspur
„Sie bauen Europas billigstes Auto – denn sie selbst sind auch billig. Doch nun streiken die Arbeiter im rumänischen Dacia-Werk für mehr Lohn. Es könnte ein Präzedenzfall werden. Das Wolfsburg Rumäniens ragt aus einer staubigen Ebene auf: ein bewaldeter Hügel, darauf zwei mächtige, weiße Gebäudeblocks. Der eine schlank und elegant, der andere breit und klotzig. Drum herum eine bröcklige Betonmauer. Davor flattern Fahnen im Aprilwind. Beim Anstieg über eine steile Straße liest man auf dem Klotz „Dacia“, in Kapitalen. Darunter: „groupe Renault“. Der französische Konzern hat Rumäniens größte Autoschmiede 1999 gekauft, modernisiert und vor dem sicheren Ruin bewahrt. Nun wird hier oben das billigste Auto Europas gebaut, 7200 Euro kostet der Dacia Logan in Deutschland. 230 000 Stück verließen 2007 das Werk, und wegen der reißenden Nachfrage sollten es dieses Jahr fast doppelt so viele werden. Doch danach sieht es heute nicht aus…“ Artikel von Philipp Lichterbeck im Tagesspiegel vom 5.4.2008
Arbeiter bei rumänischer Renault-Tochter Dacia drohen mit Streik
„Die Arbeiter der rumänischen Renault-Tochter Dacia wollen notfalls mit Streiks höhere Löhne durchsetzen. Verhandlungen mit der Firmenleitung hätten bisher keine Fortschritte gebracht, sagte der Gewerkschaftsvertreter Ion Iordache am Donnerstag der Nachrichtenagentur Reuters. Das Angebot der Arbeitgeberseite liege bisher bei einem Lohnzuwachs von neun Prozent. Die Arbeiter, die das Billig-Modell Logan produzieren, bekommen nach Angaben des Funktionärs derzeit im Schnitt einen monatlichen Basislohn von 1070 Lei (umgerechnet rund 290 Euro) und fordern einen Anstieg um rund 50 Prozent auf 1620 Lei (440 Euro). Iordache zufolge ist zunächst für Freitag ein zweistündiger Warnstreik geplant. Sollten die Forderungen auch danach nicht erfüllt werden, werde für den 24. März ein Generalstreik ausgerufen…“ Reuters-Meldung vom 14.03.2008
Renaults Billig-Hit
„Nokia ist kein Einzelfall: Der französische Autokonzern macht dank des Dacia Logan gute Profite in Rumänien. Andere Hersteller wollen nachziehen. Renaults Engagement in Rumänien zahlt sich aus. Inzwischen ist es allein der rumänische Billighersteller Dacia, der dem Automobilkonzern Umsatz- und Gewinnzuwächse garantiert. Im Januar verzeichnete der französische Autobauer mit seinen drei Konzerntöchtern Renault, Dacia und Renault Samsung Motors ein Absatzplus von 2,5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 194404 PKW und Kleinlaster produzierte das Gesamtunternehmen. Die bescheidene Steigerung verdankt Renault allein der rumänischen Tochter. Um satte 68 Prozent stieg deren Absatz. Autos der Muttermarke Renault verkauften sich hingegen um 1,8 Prozent schlechter als im Vorjahr, die von Renault Samsung Motors sogar um 3,4 Prozent…“ Artikel von Tomasz Konicz , zuerst erschienen in “Junge Welt” vom 22.02.2008, auf der Webseite des Autors. |