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Updated: 18.12.2012 15:51
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Etappe auf dem Weg wohin?

Eine Antwort auf Udo Abelmann und Uwe Meinhardt

Die IG Metall ist, wie wir alle wissen, eine traditionsreiche Organisation. Was Abschlüsse betrifft, stellt sich die Traditionspflege zunehmend so dar:

  • Tarif- und andere Abschlüsse sind immer Erfolge
  • Für diese Erfolge musste man leider Zugeständnisse machen
  • Diese Zugeständnisse sind entweder notwendige Kröten oder gar geniale Schachzüge
  • Die negativen Auswirkungen dieser Zugeständnisse zu benennen ist Miesmacherei, denn: Wir kontrollieren die Auswirkungen ja auf anderer Ebene, das heißt im Betrieb, dank unserer Macht dort.
  • Wenn die negativen Folgen unleugbar werden, redet man nicht drüber, außer um neue Zugeständnisse zu begründen.

Es geht uns mit obiger Polemik überhaupt nicht darum, Kompromisse generell für unzulässig oder gar „verräterisch“ zu erklären. Was erreicht bzw. abgewehrt werden kann, hängt von der Entwicklung von Kräfteverhältnissen vor und in Auseinandersetzungen ab. Wir wollen aber vor der gefährlich um sich greifenden Tendenz warnen, die Not zur Tugend um zu deklarieren. Denn dies hat Konsequenzen. Einerseits dafür, wie man wahrgenommen wird – nämlich als unglaubwürdig - , und andererseits für die eigene Reflektionsfähigkeit: wo stehen wir, welche Kräfte können wir mobilisieren, wie können wir sie steigern und was damit erreichen?

Zum Beispiel die 18% Quote

Bei der schlussendlichen Einführung der 35-Stunden-Woche wurde seinerzeit geregelt, dass 18% (in manchen Tarifgebieten 13%) der Beschäftigten bis zu 40 Stunden arbeiten können. Den Kritikern wurde damals entgegengehalten, dass das ja betrieblich zu halten sei – oder wolle man vielleicht die Gestaltungskraft der IGM im Betrieb anzweifeln?

Sauber geblieben sind aber tatsächlich nur sehr wenige, wie z.B. die KollegInnen von SEL Alcatel in Stuttgart. Aber in den Zentralen und den Entwicklungsbereichen der meisten großen Firmen wurden die 18% mit der Zeit überschritten. Offen diskutiert wurde das Problem allerdings erst, als zugleich versucht wurde, die massive Überschreitung tarifvertraglich zu legitimieren. So beim Ergänzungstarifvertrag Bosch vor fast drei Jahren. [1]

Viele FunktionärInnen forderten damals gegen die drohende Aushöhlung der 35 Stunden-Woche eine breite Kampagne der IG Metall und eine Strategie, die 18% wieder einzufangen. Unter anderem gab es damals den Vorschlag, den `Überschreitern‘ Einkommenszuwächse bei Tariferhöhungen als Arbeitszeitverkürzung zu kommen zu lassen.

Uwe Meinhard und Udo Abelmann führen die faktische Überschreitung der 18%-Quote in vielen Bereichen, bei DC Sindelfingen auf 40%, als Begründung dafür an, dass eine Freigabe der Arbeitszeitregelung kein Problem darstelle. Sie argumentieren, die Abschaffung der Quote sei ein positiver neuer Ansatz gewerkschaftlicher Arbeitszeitpolitik für diese Beschäftigtengruppen.

Zunächst: wir können nicht nachvollziehen, was positiv und gewerkschaftlich sein soll an einem Ansatz, der den Weg zu 100% 40-Stunden-Verträgen freimacht. Selbst wenn dem so wäre, dass die Firma aus Kostengründen sowieso nicht wirklich mehr Leute in 40 Stunden nehmen will: diese Regelung ist von ihrer Signalwirkung her verheerend. Überall in den Metall- Firmen stehen die Chefs parat und wollen von ihren Betriebsräten das, was die IG Metall schon beim Daimler vereinbart hat. Von der Arbeitslosigkeit und der Arbeitszeitverkürzung als einzigem wirksamen Mittel dagegen ist schon gar nicht mehr die Rede – was angesichts der Attacken gegen die Arbeitslosen um so wichtiger wäre. Nicht einmal mehr „Schaffung von Arbeitsplätzen“ ist die Losung zur Begründung für den DC-Vertrag, sondern nur noch der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen und günstigstenfalls das Halten der Beschäftigung.

Die Betriebsräte, denen jetzt landauf landab die nächsten 40 Stunden-Regelungen aufgedrückt werden soll, haben angesichts des Beispiels DC einen viel schwereren Stand als vorher. Und jede weitere Unterschrift wird die Lawine schneller ins Rutschen bringen. Bei DC und anderswo werden in den nächsten Jahren sicher weitere Bereiche zur Verlängerung anstehen. Zu dem erhöhen Lohnsenkungen in aller Regel den Druck auf die Arbeitszeiten, weil die KollegInnenen scharf darauf sind, die Löcher im Geldbeutel zu schließen und “gerecht” behandelt werden wollen. Dieselben Leute, die heute den Weg zurück zur 40-Stunden-Woche in Entwicklung und Zentralressorts bei DC ebnen und auf „anders gelagerten AZ-Interessen in diesen Bereichen“ verweisen, werden sich dann die Parole „Gleichbehandlung“ zueigen machen und in den nächsten Bereichen die Arbeitszeit ausweiten.

Udo Abelmann und Uwe Meinhard schreiben, die „35-Stunden-Woche (sei) als Bezugspunkt für volles Entgelt durchaus beliebt, aber als tatsächliche Begrenzung der Wochenarbeitszeit nie vollständig angekommen“. Das ist nicht von der Hand zu weisen. Doch die Frage nach den Ursachen dafür und den gewerkschaftlichen Ansatzpunkten, um daran etwas ändern zu können, ist damit noch nicht beantwortet. Udo und Uwe schreiben weiter ,es handle sich bei der Aufhebung der 18%-Quote „weniger um die Ausweitung der 40-Stunden-Verträge, sondern um einen neuer Ansatz der Arbeitszeit-gestaltung für diese Beschäftigtengruppen“. Sind die von ihnen dabei genannten Budgetregelungen etwa nicht auch Formen der Arbeitszeitverlängerung, ebenso wie die Vereinbarungen zu Langzeit- und Lebensarbeitszeitkonten? Nein, das ist beileibe keine neuer Ansatz, sondern die alte Leier mit derselben Weise, und die heißt: länger arbeiten. Die Ursachen für das Arbeitszeitverhalten dieser Beschäftigten werden dabei nicht angegangen. Die Ursache ist nämlich durchaus nicht vorwiegend Freude an oder überschäumende Identifikation mit der Arbeit. Sondern die Personalpolitik des „Management by stress“: mit immer weniger Personal gibt es immer umfangreichere Aufgaben, durchgesetzt über Zielvorgaben (von vielen Betriebsräten oft beschönigend als „Zielvereinbarung“ akzeptiert). Zusätzlicher Druck wird erzeugt, indem Gehaltsbestandteile an die Zielerreichung gekoppelt werden. Auf all diese ursächlichen Probleme gibt dieser Ansatz keine Antwort. [2]

Udo und Uwe nennen das ein in der IG Metall „heiß diskutiertes Thema“. Heiß und kontrovers diskutiert ist es sehr wohl! Der bei DC eingeschlagene Weg ist in der Tat nicht breit akzeptiert. Und er ist auch nicht die in der IG Metall beschlossene Strategie. Aber es werden mit solchen Vereinbarungen politische Fakten geschaffen, an denen dann hinterher keiner mehr vorbeikommt. So wird parallel zur Debatte in den legitimierten Strukturen festgelegt, wie Arbeitszeitpolitik zukünftig auszusehen hat. Dass die große Mehrheit der IG Metall-Betriebsräte und der Vertrauensleute in Untertürkheim diesen „Ansatz“ mehrfach abgelehnt hatte, wird flugs zum Schnee von gestern gemacht.

Zum Beispiel: Dienstleistung

Seit Jahren werden überall in den Großbetrieben „Dienstleistungsbereiche“ ausgegliedert und fremdvergeben. Manchmal in großen Schnitten - manchmal scheibchenweise. Manchmal gelingt es für die Betroffenen Besitzstände zu sichern, aber generell geht es abwärts. Die Ausbreitung von Niedriglöhnen ist ein zusätzlicher Druck auf diese Bereiche. Es handelt sich um ein echtes Problem und es besteht wirklich Handlungsbedarf, und das nicht nur bei DaimlerChrysler.

Es scheint allerdings notwendig, zu betonen: Ausgliederungen betreffen nicht nur Dienstleistungs-, sondern auch Produktions-, Facharbeiter und Entwicklungsbereiche. Die Argumente sind dabei dieselben: Es gibt immer irgendwo einen Betrieb, der alles billiger anbietet und indem häufig genug nicht unter Bedingungen gearbeitet wird, die für uns als Metaller akzeptabel sind.

Wenn aber, wie von Udo und Uwe vertreten, Lohnabsenkung und/oder Arbeitszeitverlängerung die einzig realistische und wirksame Handlungsoption gegen Fremdvergabe von Dienstleistungstätigkeiten darstellt, mit welcher Argumentation und welcher Strategie soll dann künftig gegen die anhaltende Reduzierung von Fertigungs- und Entwicklungstiefe [3] in den Betrieben angegangen werden? Wenn es hier doch genau wie bei den sogenannten „industriellen Dienstleistungen“ Dumpinganbieter en masse gibt? Wir sehen die Gefahr, dass die Dienstleister bei DC (nach heutiger Definition immerhin bis zu 6700 KollegInnen) nur ein Türöffner werden, um die Formel: „Lohnverzicht und Arbeitszeitverlängerung sichern Arbeitsplätze“ in die Debatte einzuführen. Die Bewertungen z.B. des Kollegen Bertholt Huber zur Vereinbarung bei Siemens in Bocholt und Kamp Lintfort [4] lassen nicht nur bei uns den Verdacht aufkommen.

U. Meinhard argumentiert [5]: Die kampfweise Verteidigung von „Dienstleistern“, ohne Lohnsenkung bzw. Arbeitszeitverlängerung, sei illusionär und funktioniere nicht, weil die Ausgliederungsstrategie der UN zu subtil sei, (Salamitaktik, betroffen oft nur einzelne Personen oder kleine Bereiche, Nichtersatz von Fluktuation), um die nicht bedrohten Teile der Belegschaft mobilisieren zu können.

Wir sind allerdings der Meinung, daß das Thema betrieblich durchaus mobilisierungsfähig ist. Bei Mahle in Stuttgart ist es im Herbst 2002 gelungen im Falle der Ausgliederung von 76 Beschäftigten unter dem Motto “Wir lassen uns nicht verkaufen” eine Kampagne hochzuziehen. Sie konnte verbunden werden mit dem Kampf gegen andere Angriffe. Schließlich kam es sogar zu Verhandlungen, wo es normalerweise für Betriebsrate nichts zu verhandeln gibt. Letztlich konnten die allermeisten der bedrohten Beschäftigten im Betrieb gehalten werden.

Auch im DC –Werk Wörth wurde im vergangenen Jahr gegen die angedrohte Ausgliederung u.a. der Kantinen eine erfolgversprechende Mobilisierungskampagne begonnen, bei der die gesamte Belegschaft zur Verteidigung der bedrohten „Dienstleister“ beteiligt war. Tatsache ist aber nach unserem Kenntnisstand auch: in der Mehrzahl der DC-Betriebe, wurde nicht versucht, eine mobilisierende Strategie gegen Fremdvergabe zu entwickeln, und die Vertrauensleute und die Belegschaften systematisch miteinzubeziehen, um mobilisierungsfähig zu werden. Im DC-Werk Untertürkheim z.B. war die mehrheitlich vertretene Orientierung immer: Fremdvergabe begleiten und abfedern, Stammbeschäftigte absichern – solange es nicht zu größerem Personalabbau im Werk führt. Die im Herbst vergangenen Jahres begonnene Diskussion über das Instrument „Ergänzungstarifvertrag“ hatte nicht das Ziel, Widerstandsmöglichkeiten auszuloten und Widerstandskräfte zu entwickeln. Vielmehr wurde darauf orientiert, Standardabsenkungen als die Voraussetzung für den Verbleib der Dienstleister im Unternehmen in den Köpfen der Kollegen zu verankern. Absolute Besitzstandssicherung für die vorhandene Belegschaft war seinerzeit das zentrale Argument, um Akzeptanz in den betroffenen Bereichen zu schaffen. Tatsächlich setzen die jetztigen „Eckpunkte für einen Ergänzungstarifvertrag“ nicht nur die Arbeitszeit unbezahlt auf 39 Stunden hoch, die Tarife werden auch anderer Stelle angegriffen: Keine Zuschläge für die ersten 130 Überstunden im Jahr, Arbeitszeit von Montag bis Samstag, in bestimmten Bereich sogar bis Sonntag. Und dass neueingestellte Kollegen keine Spätarbeitszuschlage bekommen, einen gegenüber bisher um 20% abgesenkten Einstellohn haben und auch nach ERA (Entgeltrahmentarif)-Einführung auf Dauer 8% weniger verdienen werden als der Kollege nebenan, der dieselbe Arbeit macht, sollte nicht unerwähnt bleiben. Zusammengenommen sind das etwa 30% Lohnsenkung für Neueingestellte.

Andere Ansätze

Wir gehen sowenig wie Uwe und Udo davon aus, dass die nötige Kampf- und Durchsetzungs- fähigkeit einfach deklariert werden kann. Sie kann aber vorbereitet, entwickelt und gesteigert werden - wenn man dies will. In der IG Metall gab es dazu leider in den letzten Jahren wenig Diskussion. (Dieses Defizit muss jetzt als Begründung dafür herhalten, dass man ganz schnell einen Erganzungstarif brauche.)

Uwe hat an anderer Stelle einen weiteren möglichen Weg erwähnt: die Betriebe zu organisieren, die „industrielle Dienstleistungen“ anbieten. Leider sei da aber von den anderen DGB-Gewerkschaften noch nicht viel gekommen. Warum dabei eigentlich auf andere DGB-Gewerkschaften warten? Niemand kommt an diese KollegInnen besser ran als die Funktionäre in den Metallbetrieben, wo sie eingesetzt sind. Betriebsräte haben nicht nur das Recht, sondern auch die politische Pflicht sich darum zu kümmern, dass auch für diese Leute gesetzliche Bestimmungen, Regelungen des Arbeitsschutzes eingehalten werden. Man muss es nur tun, auch wenn es keine Stimmen bei der nächsten Wahl bringt und Konflikte mit dem eigenen Management beschert, die ja schließlich die Preisdrücker gegenüber den Fremdfirmen sind!

Die Organisierung von Leiharbeitern und Beschäftigten von „Fremd-Firmen“ ist eine prima Aufgabe für ein gemeinsames Projekt der IGM mit anderen Gewerkschaften. Allen bringt es mehr Mitglieder, der IGM weniger Tarifgefälle – ein Feld für innovative Gewerkschaftsarbeit.

Senkung der Lohnlinie – nur ein Verzicht auf Zugewinne?

Udo und Uwe räumen trotz ihrer positiven Wertung des DC-Abschlusses ein: „Der „Verzicht auf Zugewinne für die Beschäftigten ist allerdings deutlich“ Ihre Darstellung spart jedoch ein wichtiges Detail aus: Vereinbart wurde keineswegs nur ein Verzicht auf Zugewinne, sondern eine deutliche Lohnsenkung für alle ab dem ab dem 9.8.2004 Neueingestellten. Nicht nur für die Dienstleister, sondern für alle Neueingestellten gilt ein um 20% abgesenkter Einstelllohn. Ihre Löhne werden nach ERA-Einführung im Jahr 2007 um 8% niedriger sein als die ihrer Kollegen, die vor dem 9.8. im Betrieb waren und dieselbe Arbeit machen. Dies gilt auch für nach der Ausbildung übernommene Auszubildende. Der Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ ist damit bei DC aufgegeben. Die US- Automobilarbeitergewerkschaft UAW hat diesen Weg unter dem Erpressungsdruck der Konzerne bereits vor weit mehr als 10 Jahren eingeschlagen – und bezahlt bis heute dafür mit sinkenden Mitgliederzahlen, wachsenden Problemen neue Betriebe zu organisieren, sich ständig verschlechternden tariflichen Regelungen und schwindendem gesellschaftlichem Einfluss.

Welche Strategie und für welche Ziele?

Uwe und Udo heben hervor, wie wichtig es ist, dass alle DC-Werke an einem Strang gezogen haben und es nicht gelungen sei, sie gegeneinander ausspielen zu lassen. In der Tat gibt es verheerende Beispiele, wo Betriebsräte nach dem Sankt-Florians-Prinzip Verzichtsverträge zulasten anderer Belegschaften des gleichen Konzerns abschliessen. Sie haben grundsätzlich auch recht, daß es strategisch richtig ist , Konfliktthemen verschiedener Belegschaften und Belegschaftsteile zum Zweck einer gemeinsam geführten Auseinandersetzung zu bündeln. Nur: daß in dieser Auseinandersetzung solche Themen wie die Aufhebung der 18%-Quote und der Ergänzungstarif Dienstleister mit ins Bündel geschnürt wurden, hat nichts mit einer positiven Bündelung von Kräften zwecks größerer Durchsetzungsmacht zu tun. Damit wurden vielmehr gewerkschaftlich hoch umstrittene Themen im Handstreich miterledigt. Die gigantische Mobilisierung der Belegschaften als Trojanisches Pferd benutzt, um in der IG Metall politisch Fakten zu schaffen.
Es liegt ebenfalls auf der Hand, dass der "Stuttgarter Etappe" weitere folgen werden. Aber genau deshalb war es nicht nur ein Daimler-Problem. Der Angriff war Teil des Generalangriffs auf erkämpfte Rechte, zu dem die Agenda 2010 gehört, genauso wie das Ziel den Flächentarif zu schleifen, die Arbeitszeit auf breiter Front zu verlängern und die Löhne um 30% flächendeckend zu senken.

Aus der Sicht der Treiber dieses Generalangriffs ist das Vereinbarungspaket bei DC ein wichtiges Signal für das Kapital, weitere Forderungen zustellen und Erpressungen zu lancieren. Der Jubel in ihrer Presse war durchaus verständlich. Diesen Jubel auf fehlenden Durchblick der Journalisten zurückzuführen wie Udo und Uwe es tun, gleicht dem Singen im dunklen Wald. Und erinnert doch ziemlich an Müntefering und seinen hilflosen Versuch, die Ablehnung der Agenda 2010 in der Bevölkerung mit einem Vermittlungsproblem zu erklären.

Als IG Metall müssen wir uns fragen, wie sieht eine Strategie aus, die sich nicht auf die Gestaltung des Rückzugs und des Verzichts beschränkt. Dafür hätte der Kampf bei DC Ansätze geliefert. Die hohe Kampfbereitschaft hat viele weitere Belegschaften begeistert, die sich ähnlichen Konflikten ausgesetzt sehen. Die öffentliche Meinung war völlig gegen die siegesbesoffenen Unternehmer und auf unsere Seite gekippt. Zumindest im Stuttgarter Raum, hätten etliche Großbetriebe miteinbezogen werden können. Nicht weil die Front bei DC dringend Verstärkung gebraucht hätte. Sondern weil damit der „Rohstoff“ für machtvolle Massenmobilisierungen vorhanden war! Die Chance für einen Wendepunkt, um aus der Defensive zu kommen, lag auf der Strasse – und blieb ungenutzt.

Ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt ist die Arbeitszeitfrage. Die Arbeitslosigkeit ist unverändert hoch, daran werden auch alle Standortvereinbarungen nichts ändern. Die Regierung zieht unter dem Beifall der Arbeitgeberverbände den Arbeitslosen das Fell über die Ohren. Und das einzig wirksame Mittel gegen Arbeitslosigkeit, die Arbeitszeitverkürzung spielt bei der IGM keine Rolle mehr. Statt uns mit den Arbeitslosen, die endlich auf die Strasse gehen, zu verbünden, um den gesellschaftlichen Druck für eine andere Politik zu erreichen, vereinbaren wir 39 und 40 Stunden Verträge. Wer einen Weg aus der Krise der Gewerkschaften will, der nicht auf das IGBCE-Konzept „Junior-Partner des Kapitals“ hinauslaufen soll, muss der Arbeitszeitverkürzung wieder ihren zentralen Stellenwert in der gewerkschaftlichen Politik geben.

Eine Wende zu einer Gegenoffensive der Gewerkschaften werden wir nicht am Verhandlungstisch erreichen. Wir brauchen eine breite Diskussion, bevor weitere Chancen verschenkt werden. Noch hat die IG Metall Kraft aus ihrer alten Tradition als Gegenmacht im Betrieb und gesellschaftlicher Mobilisierungsfähigkeit. Mit einer Perspektive, den Generalangriff des Kapitals zu stoppen, können wir wieder neue Kräfte entwickeln.

Tom Adler, IGM, BR DC Werk Untertürkheim
Matthias Fritz, IGM, VK-Leiter und BR MAHLE Stuttgart-Bad Cannstatt

Anmerkungen

1) Im Bosch-Entwicklungsbetrieb Schwieberdingen war die 18%-Quote bis dahin gehalten worden, die Bosch-Debatte hatte gewissermassen Türöffner-Funktion für die Tarifierung von Arbeitszeitverlängerungen.

2) Zuguterletzt: Udo und Uwe schreiben, zu diesem neuen Ansatz gehöre auch z.B. „die Verpflichtung des Unternehmens, alle in diesen Berufsgruppen Ausgebildeten unbefristet zu übernehmen“. Das hat schon eine gewisse Ironie, weil die Arbeitszeitverlängerung in der DC-Vereinbarung auch mit der Mär vom Ingenieursmangel begründet wird. Es gehört zwar zur eingespielten PR von Betriebsräten in Konzernen wie DC, daß Dinge als wichtige Verhandlungserfolge verkauft werden, die ersichtlich im Unternehmensinteresse liegen. Daß politische(!) Sekretäre der IG Metall sich an solcher Nebelwerferei beteiligen, halten wir für unerfreulich

3) Im Untertürkheimer DC-Werk hat beides (Fremdbezug von Leistungen in allen genannten Bereichen) nur wegen der enorm gewachsenen Produktionsvolumen, verbunden mit deutlicher Ausweitung des 3-Schichtbetriebs, bisher nicht zu Belegschaftsabbau geführt.

4) „IG Metall Vize Berthold Huber wertete die Vereinbarung als großen Erfolg der Beschäftigten.“Sie zeigt, dass es alternativen gibt zur fantasielosen Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland“, sagte er. Rheinische Post,25.7.2004

5) U.Meinhard, Diskussionsbeitrag im Labournet...

 


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