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Updated: 18.12.2012 15:51 |
Die Mär von den Geheimverhandlungen Zum Grundmuster aller Verschwörungstheorien gehört das Denkmodell von den revolutionären Massen, deren heroischer Kampf wieder und wieder von einer reformistischen Führung abgewürgt wird. Die aktuelle Version, die Tom Adler zur Zeit auf der internet-Seite der Zeitschrift „Sozialismus“ und auf Flugblättern in Untertürkheim verbreitet, lautet : Ohne die Geheimverhandlungen des DaimlerChrysler Gesamtbetriebsrats „hinter verschlossenen Türen“ in Möhringen wären die von Tom Adler angeführten Arbeiter noch heute auf der B 10, was nicht nur hübsch romantisch, sondern irgendwie auch revolutionär gewesen wäre. Nun neige ich normalerweise nicht dazu, die hermetische Logik dieses Pfaffendenkens allzu ernst zu nehmen, der zufolge die Konstruktion des eigenen Heldentums ebenso zwingend auf den Verrat der Führung angewiesen ist wie die moralische Überlegenheit des Pfaffen ohne die schrecklichen Taten der Sünder nur langweilig und schal wäre. Aus zwei Gründen jedoch möchte ich die aktuelle Version des Polit-Pietismus kommentieren. Zum einen zeugt die Selbstverständlichkeit, mit der sich eine Gruppierung exklusiv des Begriffs „Gewerkschaftslinke“ bedient, von einem Elitedünkel, der durchaus nicht zur guten Tradition der Arbeiterbewegung gehört. Soll mir doch mal einer erklären, was links daran ist, die eigene Überlegenheit für so unangreifbar zu halten, dass Absprachen über Strategie und Taktik ebenso wenig bindend sind wie inhaltliche Orientierungen. Es scheint, als wenn für jeden ordentlichen „Gewerkschaftslinken“ die Spaltung der Bewegung ein nur geringer Preis ist, wenn es darum geht, die eigene Liturgie durchzusetzen. Allerdings sind politische Auseinandersetzungen keine Feldgottesdienste, auch nicht auf der B 10, sondern komplexe Prozesse, bei denen Verhandlungen durchaus eine wichtige Rolle spielen. An dieser Stelle komme ich zu meinem zweiten Punkt, dem äußerst gestörten Verhältnis zur Wahrheit. So gab es zu keinem Zeitpunkt die berüchtigten Geheimverhandlungen. Die IG Metall Fraktion und die VK-Leitung im Werk Sindelfingen wurden vom ersten Tag der Sondierungsgespräche an über jeden einzelnen Gesprächstermin laufend informiert und in die strategische Planung der weiteren Gespräche einbezogen. Ebenso die IG Metall Fraktionen und VK-Leitungen der anderen Standorte. Auch die Behauptung, Prof. Hubbert habe die Verhandlungen öffentlich gemacht, ist schlicht unwahr. Ich war persönlich dabei, als wir entschieden, unseren Ansatz der Beschäftigungssicherheit für alle Standorte in bundesweiten Betriebsversammlungen öffentlich zu machen, um den Druck auf den Vorstand zu erhöhen, sich auf unseren Verhandlungsansatz einzulassen. Ohne die Einbeziehung der Belegschaften wäre dies nicht möglich gewesen. Die vermeintlich geheim verhandelte Aufhebung der 18% Quote für 40-Stünder wurde in der Verwaltungsstelle Stuttgart in einer eigens zu diesem Thema einberufenen ausserordentlichen Delegiertenversammlung breit diskutiert und der von uns gewählte Verhandlungsansatz mit überwältigender Mehrheit verabschiedet. Das vollständige Unvermögen, in der Kategorie von Interessenlagen zu denken, offenbart die Behauptung, der DC-Vorstand habe den Dienstleistungs-Tarifvertrag durchgesetzt. Genau umgekehrt wird ein Schuh daraus: der Vorstand wollte die genannten Bereiche los werden, nicht nur aus Gründen der Kosteneinsparung, sondern vor allem, um sich der Personalverantwortung zu entledigen. Gesamtbetriebsrat und IG Metall haben dieses Thema in die Verhandlungen regelrecht reingedrückt. Und auch hier gab es nicht die berüchtigten Geheimverhandlungen. Vielmehr wurde bereits im Dezember 2003 eine Hintergrundkommission gegründet, der u.a. die VK-Leiter aller Werke angehörten. Diese hat regelmäßig den erreichten Verhandlungsstand diskutiert und die weitere Orientierung beschlossen. Noch ein kleines Schmankerl zum Schluss: Tom Adler beruft sich in seiner Kritik am GBR auf ein Interview, das Franz Steinkühler im Berliner "Tagesspiegel" gegeben hat. Zum einen bezieht sich der vermeintliche Kampfaufruf von Steinkühler auf die Gründung einer Linkspartei, nicht auf die Auseinandersetzung bei DC. Zum anderen beginnt die entsprechende Passage im Interview bezeichnenderweise mit dem Satz: „Ich habe leicht reden, denn ich stehe nicht mehr in der Verantwortung.“ Ich halte es für unverantwortlich, wenn selbst ernannte „Gewerkschaftslinke“ aus einem zutiefst bürgerlichen Eliteverständnis heraus mit Hilfe von Dolchstoßlegenden und Unwahrheiten die Spaltung der Gewerkschaften riskieren. Uwe Meinhardt |