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"Die Kollegen in der Entwicklung sind entsetzt über die Kündigung und noch mehr über das Verhalten der IG Metall"

Bericht über den ersten Tag des Untersuchungsverfahrens gegen Kollegen Lutz

Am 5. März 2001 fand der erste Teil eines Untersuchungsverfahrens der IG Metall Nürnberg gegen den Kollegen Lutz statt.

Beim Verfahren ging es u.a. darum, daß der Kollege eine Solidaritätserklärung der Vertrauenskörperleitung an die Firma Adtranz und Schreiben des Vertrauenkörpers an den Bundeskanzler und den Außenminister im Internet veröffenlicht haben bzw. veranlaßt oder an Dritte weitergegeben haben sollte, ohne Absprache bzw Beschluß der Vertrauenskörperleitung bzw. des Vertrauenkörpers.

Für den Antragsteller und den Ortsvorstand ist anscheinend die unerlaubte Verbreitung einer Solidaritätserklärung für die Belegschaft von Adtranz, die damals gegen die Schließung kämpfte, ein gewerkschaftschädigendes Verhalten! Das Gleiche gilt für einen Brief der VKL an den Bundeskanzler und den Außenminister, in dem gegen den Kosovo Krieg protestiert und dazu aufgefordet wurde, ihn sofort zu beenden und den Konflikt politisch zu lösen.

Muß man sich nicht fragen, wie solche Veröffentlichungen "gewerkschaftsschädigend" sein könnten? Ist es möglich, daß der Inhalt die IG Metall schädigt? Wie paßt das dann dazu, daß die IG Metall Nürnberg vehement gegen die Schließung von Adtranz gekämpft hat? Außerdem hat der Vorstand der IG Metall am 21.April 1999 zur damaligen Zeit eine politische Beilegung des Konflikts im Kosovo gefordert.

Jetzt, knapp zwei Jahre danach, fängt die IG Metall Nürnberg damit an, zu untersuchen, ob ein "gewerkschaftsschädigendes" Verhalten des Kollegen Lutz vorliege.

Das Warten

Kollege Lutz hat 14 Zeugen genannt. Sie alle fanden sich am Dienstag, 5. März, um 11.00 Uhr im zweiten Stock des Gewerkschaftshauses ein.

Bemerkenswert war zuerst, daß wir überhaupt nicht über das Verfahren aufgeklärt wurden. Wir wußten nicht, wann wir dran kommen sollten. Angesichts dessen, daß die meisten Kolleginnen und Kollegen freinehmen mußten bzw. sich für eine Stunde entschuldigt hatten, stellt sich die Frage, ob dies eine ordentliche Anhörung von Zeugen sein kann. Soll es dadurch und wird es für einen Beschuldigten schwer gemacht werden, sich ordentlich zu verteidigen.

Das Verfahren hatte auch groteske Züge . Drei von uns - alle langjährige Mitglieder der IG Metall und der Ortsverwaltung bekannt - mußten eine schriftliche Bestätigung aus dem dritten Stock holen, weil wir keine Mitgliedsausweise dabei hatten

Nach knapp zwei Stunden gab es eine Unterbrechung und wir erfuhren vom Kollegen Lutz, daß er "zuviel" Zeugen geladen hätte, und die Kommission wolle nur die Zeugen hören, die zu den zwei Veröffentlichungen und zu seiner angeblichen Mitgliedschaft in der MLPD aussagen sollten. Und welche Zeugen sollten dies sein? Keine/r von uns wußte genau, wer bleiben und gehen durfte.

Im weiteren Verlauf des Tages wurden lediglich zwei Zeugen zur Frage der Veröffentlichungen gehört.

Die Anhörung

Einer der Zeugen war ich. Ich kam als zweites dran. Die Kommission wollte von mir wissen, ob Kollege Lutz LabourNet beauftragt hätte, den Brief des Semikroner Vertrauenkörpers an den Bundeskanzler und an den Außenminister, zu veröffentlichen. Dies habe ich verneint. Von wem ich den Text bekommen habe, habe ich nicht verraten.

Im Laufe der Anhörung habe ich versucht, klar zu machen, daß die versuchte Bestrafung solch "unerlaubter" Veröffentlichungen von uns als LabourNet nicht so hingenommen werden wird, weil wir in der Pressefreiheit behindert würden.

Außerdem habe ich auf die verblüffende Ähnlichkeit der Vorwürfe der IG Metall mit denen der Semikroner Geschäftsleitung hingewiesen. Der Vorsitzende empfand es als ein "starkes Stück", daß die beiden Parteien so miteinander in Verbindung gebracht werden könnten. Allerdings die zeitliche Nähe der beiden Verfahren und die fast identischen Inhalte der Vorwürfe lassen die Vermutung zu, daß irgendetwas an der Sache sehr faul ist. Wir werden als LabourNet diesen möglichen Zusammenhang genau unter die Lupe nehmen.

Es war bezeichnend, daß der Vorsitzende nur die Vorwürfe prüfen, und nicht untersuchen will, ob das Verfahren an sich problematisch ist. Ich habe vorgeschlagen, er solle zuerst das Kündigungsbegehren der Firma lesen, um sich ein besseres Bild der Vorgänge zu machen. Er wollte es nicht.

Was dem Vorsitzenden und der IG Metall außerdem überhaupt nicht paßt, ist die Öffentlichkeit, die zu diesem Fall hergestellt wurde. Bei meiner Anhörung zeigte er einen großen Stoß von Veröffentlichungen. Einer der Beisitzer des Antragstellers - ein Mitglied in der Bezirksleitung - wollte nicht, daß LabourNet während des Verfahrens etwas veröffentlicht, weil es das Kündigungsverfahren vom Kollegen Lutz negativ beeinflussen könne. Daß allein das Ansetzen dieses Untersuchungsverfahren Munition für die Semikroner Geschäftsleitung liefert, war ihm anscheinend nicht klar.

Da einer der Bevollmächtigen sich mehrmals öffentlich zum Fall geäußert hat (siehe z.B. den Antrag des Semikroner VKs), steht für das Labournet fest, daß wir uns keinen Maulkorb verpassen lassen werden.

Und nun?

Um 15.30 Uhr war es vorerst vorbei. Das Untersuchungsverfahren ist auf den 16.3.2001 vertagt. Interessanterweise ist der Termin nach dem nächsten Gerichtstermin des Kollegen Lutz am 14.3.2001 angesetzt. Anscheinend ist die Brisanz dieses Falls manchen Beteiligten bewußt geworden.

Auf jeden Fall ist Öffentlichkeit nach wie vor sehr wichtig. Protestbriefe, Protestmails und weitere Proteste in den Diskussionsseiten der IG Metall sind von Nöten. Wir sind der Meinung, daß die IG Metall Nürnberg nur durch öffentlichen Druck von ihrem gewerkschaftsschädigenden Verhalten abgebracht werden kann.

Ein Kollege aus der Entwicklung und Zeuge beim Verfahren erzählte mir beim Warten, "Die Kollegen in der Entwicklung sind entsetzt über die Kündigung und noch mehr über das Verhalten der IG Metall".

Vielleicht sollten die beiden Bevollmächtigten und die Mitglieder des Ortsvorstandes, die dieses Verfahren ins Rollen gebracht haben, über diese Aussage nachdenken. Wegen Mitgliederschwund hat die Verwaltungsstelle jetzt schon finanzielle Probleme.

Durch so ein Verfahren gewinnt die IG Metall weder bei den Mitgliedern noch bei Nichtorganisierten einen Blumentopf.

Oder braucht die IGM Nürnberg sie nicht?

Dave Hollis
für LabourNet Germany
6. März 2001


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