letzte Änderung am 24. Sept. 2003

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Interview mit Anatole

?? Das Gericht hat in erster Instanz deine Klage auf Weiterbeschäftigung durch BMW-Motorrad abgewiesen. Was war der Grund?

Anatole: Das Gericht hat es aus formalen Gründen abgelehnt, sich mit dem eigentlichen Hintergrund meiner politisch motivierten Nichtübernahme zu befassen. Mein Eintreten für die Rechte der Befristeten wurde im Urteil nicht behandelt. Das Gericht entschied einzig aus dem Grund gegen mich, weil wir eine unbefristete Weiterbeschäftigung gefordert haben, die Übernahmeregelung von BMW aber sowohl eine unbefristete Übernahme als auch neue "Befristungen aus besonderem Grund" im Längslenker vorsieht.

?? Welche Schlussfolgerungen ziehst du daraus?

Anatole: Ich habe mit Unterstützung der IG Metall eine Berufungsklage beim Landesarbeitsgericht eingereicht. Die Klage auf unbefristete Weiterbeschäftigung entspricht unserer Forderung, alle befristeten Kollegen unbefristet zu übernehmen. Wir werden jetzt im Revisionsprozess aber "hilfsweise" fordern, mich befristet weiter zu beschäftigen damit auf jeden Fall über die politischen Hintergründe meines Falles vor Gericht verhandelt werden muss.

?? Das braucht sicher Nerven und Durchhaltevermögen. Woher kommt deine Motivation, auch noch in die nächste Instanz zu gehen?

Anatole: Eine große Hilfe und Unterstützung ist die Solidarität, die ich erhalte. Beim Prozess mussten zusätzliche Bänke geholt werden, damit alle Besucher einen Platz bekamen. Bis heute haben Kollegen Interesse an meinem Fall, fragen nach, was der Stand ist, wünschen mir Glück. Ich mache aber auch weiter, weil mein Prozess in unsere bewegte Zeit passt. So habe ich mich auf der Betriebsversammlung im Oktober 2002 für die 30 Stundenwoche bei vollem Lohnausgleich ausgesprochen um neue Arbeitsplätze zu schaffen und befristete Kollegen zu übernehmen. Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich ist mit dem Streik in Ostdeutschland zu einer zentralen gesellschaftlichen Auseinandersetzung geworden. Gemeinsam mit mehreren Kollegen von BMW habe ich diesen Streik mit Streikposten-Stehen unterstützt.

?? Manche sagen, der Streik ist gescheitert, wie stehst du dazu?

Anatole: Nicht der Streik ist gescheitert, sondern er wurde vom IG Metall-Vorsitzenden Zwickel gegen den Willen der Gewerkschaftsbasis abgewürgt, in dem Moment wo er Wirkung zeigte, gerade auch bei Konzernen wie BMW oder VW. Dahin führt eine Denkweise, die sich den Konkurrenzinteressen der internationalen Konzerne unterordnet. Offensichtlich war Zwickel der "Pakt mit dem Kanzler" wichtiger als unsere streikenden Kollegen.

?? Wie stehst du zu der Meinung: "Die da oben machen eh was sie wollen" ?

A: Mit diesem undemokratischen Vorgang soll auch der Widerstand gegen die "Agenda 2010" der Regierung demoralisiert werden. Die Agenda der Regierung ist eine Kriegserklärung an uns und unsere Familien. Ich bin mir mit vielen Gewerkschaftern einig, dass wir das nicht akzeptieren können und entschieden dagegen, jetzt zu resignieren.

?? Wie passt der Kampf gegen deine politisch motivierte Nichtübernahme in die gegenwärtige betriebliche Auseinandersetzung im Motorradwerk?

A: Die Forderung nach Übernahme und Entfristung aller Verträge ist hoch aktuell. Während mit den Investitionen in die neue Halle und noch größerer Arbeitshetze die Produktivität deutlich angestiegen ist, stagniert gegenwärtig der Absatz von Motorrädern auf dem Weltmarkt. Wenn jetzt im zweiten Halbjahr die Arbeitskonten durch den Wegfall des Donnerstag ab Oktober ins Minus gefahren werden, heißt das: Noch größere Belastung der Kollegen und ihrer Familien im Frühjahr 2004. Wenn der Absatz nicht wieder anzieht, wird BMW versuchen, im größeren Stil zum Abbau von Arbeitsplätzen überzugehen. Das liefe auf "Heuern und Feuern" hinaus. Für mich ist die juristische Auseinandersetzung nur eine Seite. Auch die Öffentlichkeitsarbeit, die gewerkschaftliche Arbeit und die Solidarität im Werk sind ganz wesentlich, damit ein Erfolg erzielt werden kann.

Der Solidaritätskreis unterstützt den Aufruf einer Aktionskonferenz zu bundesweiten Protesten am 20.10. in Städten und Betrieben und einer bundesweiten Demonstration am 1.11. in Berlin um den Kampf gegen die "Agenda 2010" zu organisieren.

Mich regt unheimlich auf, daß hier die ganzen Lebens- und Arbeitsbedingungen für uns ständig verschlechtert werden. Wenn jemand, wie jetzt Anatole, sich dafür einsetzt, dass wir gemeinsam gegen diese Verschlechterungen angehen, denke ich, ist jeder von uns gefordert das zu unterstützen. Unsichere Arbeitsverhältnisse, Lohndrückerei... - dem können wir nur unsere gemeinsame Kraft entgegensetzen.

Karen Lenthe, Vertrauenskörperleitung EADS TELECOM Dt. GmbH

 

Ich arbeite auch deshalb im Solidaritätskreis mit, weil wir Anatoles Entlassung einordnen in den Kampf gegen die Agenda 2010. Da kommen noch viel mehr Leih- und Zeitarbeitsverhältnisse auf die Arbeiter und ihre Familien zu. Die Zukunft der Kinder, die ich tagtäglich unterrichte, wird immer ungewisser. Für ihre Zukunft will ich mich stark machen.

Barbara Riemer, Lehrerin und aktiv in der MLPD

 

Die 35-Stunden-Woche hat zu wenig Wirkung auf die Arbeitslosenzahlen gezeigt! Warum? Die zum selben Zeitpunkt eingeführte FLEXIBILISIERUNG hat den Zweck der Arbeitszeitverkürzung verpuffen lassen. Wenn wir also um weitere Arbeitszeitverkürzungen kämpfen, dann müssen wir gleichzeitig gegen die Flexibilisierung angehen. Nun denn: 30 Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich von Montag - Freitag! Das Geld ist da, nur in den falschen Händen. Ich finde, wir müssen Flagge zeigen.

Volker aus Berlin

 

Gewerkschaften müssen stark bleiben, sie sollen weiterhin ihre Kraft einsetzen und Widerstand leisten. Deshalb arbeite ich auch im Solidaritätskreis "Anatole Braungart" mit. Gewerkschaften, die sich nur als Dienstleister sehen sind für uns unbrauchbar, denn "zahnlose Tiger" können uns nicht schützen. Darum stoppt den Marsch in den Tagelöhnerstaat, Widerstand gegen Hartz & CO.

Jürgen Damroth, Mitglied Ortsvorstand IGM Berlin, BR-Vorsitzender von Clemens Fritze Industrieverpackungen

 

Da heute schon meine Rente nicht ausreichend ist, muss ich noch arbeiten, obwohl ich alleine zwei Kinder groß gezogen habe. Darum mache ich im Solidaritätskreis mit, um diesen Kampf zu unterstützen. So kann es nicht weiter gehen, dass die Menschen in ständiger Angst um ihre Arbeitsplätze leben müssen. Wie sollen die Jungen unter diesen Arbeitsbedingungen überhaupt noch eine Rente erarbeiten. Harz und Rührup treiben das Ganze noch mehr auf die Spitze! Darum mache ich im Solidaritätskreis mit, um diesen Kampf zu unterstützen.

Magda Schlüter, 64 Jahre Rentnerin

 

In der ersten Instanz wurde der politische Charakter der Nichtübernahme meines Mannes von BMW völlig ignoriert. Dann frage ich mich aber, warum uns BMW bei den beiden öffentlichen Kundgebungen in Spandau den Wachschutz auf den Hals gehetzt hat ? Es wurden sogar Fotos gemacht. Da stellt sich natürlich die Frage, vor wem oder was die BMW - Bosse solche Angst haben ? Wir lassen uns dadurch nicht einschüchtern und werden weiterhin die Bevölkerung über diesen Fall informieren.

Claudia Braungart, Erzieherin ver.di – Mitglied

 

In den Betrieben nehmen politische Entlassungen und Massregelungen zu. Unser Solidaritäts- und Hilfsverband SI arbeitet in 8 Solidaritätskreisen mit und organisiert nach Kräften die Solidarität - auch international. Hier in Berlin mussten betroffene Kollegen von Herlitz und Siemens wieder eingestellt werden. Ein Erfolg organisierter Solidarität. SI unterstützt weiterhin den Prozess um die Rücknahme der politisch motivierten Nichtübernahme von Anatole vorbehaltlos.

Solidarität International e.V (SI) Ortsgruppe Berlin

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