Erfurt München - Suhl, 19.10.2001
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
der folgende Text enthält ausführliche Informationen zum Beschluß
des Gewerkschaftsrates (im folgenden: GR) über die Erhöhung der Gehälter
der ver.di-Wahlangestellten. Zunächst findet Ihr eine von uns kommentierte
Darstellung des Sachverhalts, dann folgen unsere Vorschläge
für das weitere Vorgehen, um eine Rücknahme des Beschlusses zu erreichen.
Das Ganze ist zwar etwas umfänglich geworden, aber wir meinen, daß
eine sachgerechte und einigermaßen umfassende Argumentation nötig
ist, um genügend ver.di-Mitglieder für eine Rücknahme des Beschlusses
zu mobilisieren.
Der Sachverhalt nebst unserem Kommentar:
Ver.di beschäftigt insgesamt 84 sogenannte Wahlangestellte: 19 Bundesvorstandsmitglieder
sowie 13 LandesbezirksleiterInnen und 52 stellvertretende LandesbezirksleiterInnen.
Der Gewerkschaftsrat hat gemäß § 41 Abs. 4h und § 73 Abs. 3 der
ver.di Satzung die Aufgabe, die Anstellungsbedingungen für Wahlangestellte
festzulegen. Eine Neufestlegung der Anstellungsbedingungen ist auch unseres
Erachtens nötig, da die Wahlangestellten seit der ver.di-Gründung
auf Basis der unterschiedlichen Anstellungsbedingungen ihrer jeweiligen Herkunftsgewerkschaft
arbeiten. Das bedeutet: unterschiedliche Bezahlung bei gleicher Tätigkeit.
(Dies gilt im übrigen nicht nur für die Wahlangestellten, sondern
für alle Beschäftigten von ver.di.)
Der GR hat nun auf seiner Sitzung am 29.10.2001 mit 56 zu 44 Stimmen folgendes
beschlossen:
"Eckpunkte für die Anstellungsbedingungen für die Mitglieder
des Bundesvorstands und die Wahlangestellten gemäß § 73 Abs. 3 der
ver.di-Satzung sowie deren Vergütungsregelung
In-Kraft-Treten am 1. Oktober 2001
Die Allgemeinen Anstellungsbedingungen (AAB) für die Beschäftigten
der ver.di gelten für die Wahlangestellten in ihrer jeweils gültigen
Fassung, soweit der Gewerkschaftsrat keine abweichenden Regelungen beschließt.
Es ist Absicht, dass auch die neue AAB baldmöglichst In-Kraft-Treten kann.
Vergütungsregelung |
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Vorsitzende/r |
27.000 DM |
Stellv. Vorsitzende |
23.600 DM |
Ressortleiter/in Personal/Finanzen
(sofern nicht stellv.Vorsitzende) |
21.600 DM |
Fachbereichsleiter/innen auf Bundesebene |
20.250 DM |
Landesbezirksleiter/innen |
14.250 DM |
Stellv. Landesbezirksleiter/innen |
12.100 DM |
Prüfauftrag: Leistungsbezogene Einkommenskomponente
In den nächsten zwei Jahren wird über eine begrenzte variable Komponente
von den 100% entschieden und deren Kriterien festgelegt.
Wahlangestellte erhalten 35 Urlaubstage.
Die Urlaubsgewährung richtet sich nach den Allgemeinen Anstellungsbedingungen
(AAB) für die Beschäftigten der ver.di.
Es wird kein Urlaubsgeld gezahlt.
Es werden 13 Monatsgehälter gezahlt."
Soweit der Auszug aus dem uns vorliegenden Beschluß.
Das Präsidium des GR teilte zu diesem Beschluß folgendes mit:
"Das Präsidium des Gewerkschaftsrates hat in seiner Sitzung am 29.08.01
Vorschläge für Eckpunkte zur Regelung der Anstellungsbedingungen als
Empfehlung an den Personalausschuss des Gewerkschaftsrates diskutiert und einstimmig
verabschiedet.
Der Personalausschuss hat am 30.08.01 die Vorschläge des Präsidiums
diskutiert und die Eckpunkte für eine Regelung der Anstellungsbedingungen
bei einer Gegenstimme beschlossen.
Der Gewerkschaftsrat hat die Vorschläge des Personalausschusses in seiner
Sitzung am 27.09.01 in Berlin ausführlich und kontrovers diskutiert.
Breiten Raum nahm dabei die Frage ein, ob eine Regelung für die Wahlangestellten
vor einer Vereinbarung des Bundesvorstandes mit dem Gesamtbetriebsrat über
die allgemeinen Anstellungsbedingungen der Beschäftigten (AAB) getroffen
werden sollte. Der BV hat in diesem Zusammenhang seine Bereitschaft zu sofortigen
und zügigen Verhandlungen mit dem GBR erklärt.
Dem Gewerkschaftsrat waren die in diesem Zusammenhang abgegebenen Stellungnahmen
des Gesamtbetriebsrates bekannt.
Intensiv wurden ferner die vorgeschlagene Höhe und Differenzierung der
Struktur der Vergütung für Wahlangestellte diskutiert.
Da das Thema zu diesem Zeitpunkt bereits Gegenstand verschiedener Presseveröffentlichungen
gewesen war, wollten die GR-Mitglieder mehrheitlich dieses Thema nicht einer
wochenlangen öffentlichen Diskussion aussetzen sondern -so oder so- noch
in der Sitzung entscheiden.
Der Gewerkschaftsrat hat schließlich mit einer Mehrheit von 56 ja- gegen
44 nein-Stimmen die anliegenden Eckpunkte beschlossen. Gegenüber der Empfehlung
des Präsidiums und des Personalausschusses wurde die Vergütung für
die Mitglieder des Bundesvorstandes um 10 %, für die LandesbezirksleiterInnen
und ihre StellvertreterInnen jeweils um 5% gekürzt.
....
Wie das Abstimmungsergebnis deutlich zeigt, hat sich der Gewerkschaftsrat seine
Entscheidung nicht leicht gemacht. Der Gewerkschaftsrat erwartet jetzt, dass
Bundesvorstand und Gesamtbetriebsrat ihrer Aufgabe, die Anstellungsbedingungen
für die Beschäftigten zu regeln, zügig nachkommen."
Im Klartext heißt dies: Der ver.di-Bundesvorsitzende erhält eine
knapp 61prozentige (!) Erhöhung, satte 10.220 DM. Bisher bekam er 16.780
DM, ein Gehalt, bei dem man schon fragen darf - wie die Frankfurter Rundschau
es am 29.09.01 getan hat - ob es nicht "zum würdigen Lebensunterhalt
reicht." In der Empfehlung von Personalausschuß und Präsidium
waren sogar 30.000 DM pro Monat für den Vorsitzenden vorgesehen, also eine
Erhöhung um knapp 79%.
Ein weiteres Beispiel: Ein Landesbezirksleiter, der zuvor bei der IG Medien
dieselbe Funktion ausübte, erhält eine Erhöhung um ca. 38%. Dieses
Beispiel zeigt - neben der Tatsache, daß auch hier satt draufgelegt wird
- auch, daß selbst innerhalb der Gruppe der Wahlangestellten die Spreizung
der Gehälter noch ausgeweitet wird. Wir können allerdings im Moment
nicht feststellen, ob dies durchgängig der Fall ist, da wir nicht die Gehaltsregelungen
aller Ursprungsgewerkschaften kennen.
Das Gesamtvolumen der Erhöhungen beträgt 3,4 Millionen DM jährlich
(Neues Deutschland 09.10.01). Dies entspricht - ausgehend von einem durchschnittlichen
Monatsbeitrag von knapp 23 DM (Berliner Zeitung vom 18.10.01) - den jährlichen
Gewerkschaftsbeiträgen von ca. 12.300 Mitgliedern.
Wir halten eine Erhöhung der Wahlangestelltengehälter in dieser
Größenordnung aus 4 Gründen für völlig unangemessen:
- Die finanzielle Situation von ver.di ist alles andere als rosig. Es stehen
- zum Teil drastische - Kürzungen der Budgets der Fachbereiche und Bezirke
bevor. Dies wird zur Einschränkung der politischen Handlungsfähigkeit
der Organisation führen. Es darf nicht sein, daß die Gehälter
der Wahlangestellten ausgerechnet zu einer Zeit massiv erhöht werden,
in der andererseits die Gelder für die gewerkschaftspolitsche Arbeit
zusammengestrichen werden. Die Ausgabenpolitik muß sich strikt an Kriterien
gewerkschaftspolitischer Wirksamkeit orientieren.
Es ist leider auch keine Besserung der finanziellen Lage in Sicht: ver.di
verliert weiterhin Mitglieder und somit Beitragseinnahmen. Bisher war von
einem Rückgang der Mitgliederzahl um 30.000 seit der Gründung von
ver.di die Rede, inzwischen ist die Zahl von 150.000 im Gespräch (Berliner
Zeitung, 18.10.01). Die Frankfurter Rundschau meldet in ihrer Ausgabe vom
8.10. sogar den Verlust von 46.710 Mitgliedern allein im August diesen Jahres.
Selbst wenn es - was zu hoffen wäre - nicht so dramatisch sein sollte,
der negative Trend in der Entwicklung der Mitgliederzahl hält an. Dies
muß auch bei der Planung der Ausgaben berücksichtigt werden.
- Ver.di steht vor einem Personalabbau. Wir denken, daß einer
Gewerkschaft gelinde gesagt schlecht ansteht, "unten" Personal abzubauen
während "oben" die Gehälter kräftig erhöht werden.
Nun verringert die Erhöhung der Wahlangestellten-Gehälter zusätzlich
den Spielraum für die Finanzierung anderer Stellen: Was "oben"
an Gehalt gezahlt wird, kann "unten" nicht mehr ausgegeben werden,
da der Anteil der Personalkosten bei 50 Prozent des Gesamtetats festgeschrieben
ist (Ziffer 6 der Budgetierungsrichtlinie). Um den Zusammenhang zu illustrieren
ein Beispiel:
Das Volumen der Erhöhung würde - nach der Vergütungsregelung
der Ursprungsgewerkschaft hbv - für die Bezahlung von ungefähr 38
GewerkschaftsekretärInnen oder 46 Verwaltungsangestellten auf Bezirksebene
ausreichen.
Die Auswirkung des Beschlusses des GR auf die Motivation der ver.di-Beschäftigten,
die keine Wahlfunktion ausüben und für die zum Teil noch nicht einmal
die Stellenpläne feststehen, bedarf wohl keiner Erläuterung.
Man erinnere sich im übrigen in diesem Zusamenhang an die Argumentation
unserer Gewerkschaft anläßlich der Forderung der Lufthansa-Piloten
nach 30% mehr Gehalt. Damals wurde den Piloten vorgeworfen, sich in einem
solchen Maß aus der Gesamt-Lohnsumme der Lufthansa bedienen zu wollen,
daß für andere Beschäftigtengruppen ein angemessener Anteil
nicht mehr zur Verfügung stünde. Kollegin Mönig-Rahne - als
stellvertretende ver.di-Vorsitzende für Tarifpolitik zuständig -
verstieg sich damals sogar zum Vorwurf des "Sozialdarwinismus".
Jan Kahmann, Mitglied des ver.di-Bundesvorstandes, sagte zum gleichen Thema:
"Tarifpolitik muss alle Beschäftigten an den zu verteilenden Volumina
angemessen beteiligen und darf nicht zum Kampf unter den Tarifvertragsparteien
um ein möglichst großes Stück aus dem Kuchen verkommen."
- Die Gehaltserhöhungen, die wir in den letzten Tarifrunden für
unsere Mitglieder ausgehandelt haben, lagen durchgängig unter 3%. Aus
dem durchschnittlichen Mitgliedsbeitrag von ca. 23 DM ergibt sich, daß
das durchschnittliche Bruttomonatseinkommen eines ver.di-Mitgliedes (ohne
Berücksichtigung von Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie Mitgliedern mit
verminderten Beitragssatz und Beitragsehrlichkeit vorausgesetzt) ca. 2.300
DM beträgt. Vor diesem Hintergrund ist die dargestellte Erhöhung
der Wahlangestelltengehälter einem Großteil der Mitglieschaft schlicht
nicht vermittelbar. Austritte und noch größere Schwierigkeiten
bei der Mitgliederwerbung sind jetzt schon die Folge. Von "Noch-nicht-Mitgliedern",
die schon bisher häufig klagten, daß ihnen 1% des Gehalts als Beitrag
zu viel sei, werden wir uns jetzt auch noch anhören dürfen, daß
sie doch nicht so blöd seien, die überzogenen Gehälter der
ver.di-Führungsriege zu finanzieren.
- Die Spreizung der Gehälter der ver.di-Beschäftigten wird durch
die Entscheidung des GR noch größer: Der Bundesvorsitzende erhält
nun ungefähr 3,7 mal soviel wie ein politischer Sekretär auf Bezirksebene.
Bisher war es das 2,3-fache. (Jeweils ausgehend von der Gehaltsregelung der
hbv).
Beim Pilotenstreik hieß es noch: "Wenn aber die Vereinigung Cockpit
ihre gegenwärtigen Forderungen nur annähernd realisiere, gerate
die soziale und tarifliche Ausgewogenheit der Beschäftigtengruppen im
Lufthansa-Konzern in eine bedrohliche Schieflage." (ver.di Pressemeldung
vom 4.5.2001)
Bisher war es eigentlich selbstverständlich, daß Gewerkschaften
(zum Beispiel durch die Forderung von Festbeträgen statt prozentualen
Erhöhungen) die Lohnspreizung zu verringern versuchten. Es macht sich
nicht besonders gut, wenn ver.di ausgerechnet im eigenen Laden tarifpolitische
Ziele konterkariert.
Sehen wir uns nun einige Argumente der Befürworter des Gehälter-
Beschlusses an (zitiert nach der Beschlußvorlage für die GR-Sitzung
am 27.09.01).
- "Die Belastung der KollegInnen auf der Führungsebene ist erheblich."
(Stimmt.) "Eine Arbeitszeitbeschränkung und ein Freizeitausgleich
sind nicht vorgesehen."
Sicher steht den Wahlangestellten für ihre hohe Belastung ein angemessenes
"Schmerzensgeld" zu. Aber nähern wir uns mit diesem Argument
nicht der guten alten Schmutzzulage an? Kann ein finanzieller Ausgleich ein
probates Mittel gegen Überlastung sein?
Wir meinen, daß es hier dringend nötig wäre, Möglichkeiten
der Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Wahlfunktionäre zu diskutieren
(Attraktive Freizeitmodelle, Verteilung der Arbeit auf mehr Köpfe, Entlastung
von Tätigkeiten, die durch den Verwaltungsapparat ausgeführt werden
können etc.). In der betrieblichen und tarifpolitischen Auseinandersetzung
entwickeln wir ja schließlich längst Modelle um Belastungen abzubauen,
statt sie abzugelten. Ver.di darf in der eigenen Organisation hinter
diese Bestrebungen nicht zurückfallen. Im Gegenteil: Ver.di sollte hierbei
"Ideenwerkstatt" sein und somit eine Vorbildfunktion ausüben.
Und im Übrigen: Überlange Arbeitszeiten haben nicht nur die durch
den GR-Beschluß begünstigten Bundesvorstandsmitglieder und LandesleiterInnen,
sondern auch alle engagierten politischen SekretärInnen in den Fachbereichen
und Bezirken!
- "Für die Höhe der Vergütung ist eine Tätigkeitsbewertung
ausschlaggebend. ver.di ist die größte Einzelgewerkschaft der Welt.
Ihr Führungsorgan trägt deshalb entsprechende Verantwortung in der
Öffentlichkeit."
Was den Zusammenhang von Tätigkeit und Lohnhöhe angeht, erlauben
wir uns aus einem Brief von Michael Wendl (stv. Bayerischer Landesbezirksvorsitzender)
an einige GR-Mitglieder zu zitieren: "Die Argumentation "ordentliche
Leistungen der Spitzenkräfte müssten entsprechend vergütet
werden" legt den Schluß nahe, die Vergütung entspreche dem
Umfang bzw. der Qualität der geleisteten Arbeit. Das ist eine neue gewerkschaftliche
Lohntheorie. Nach dem deutschen Arbeitsrecht wird der Arbeitnehmer für
das zur Verfügung stellen seiner Arbeitskraft bezahlt, es findet
gerade kein gleicher Tausch von Lohn und Arbeit statt. Diese Vorstellung,
mit dem Lohn würde die geleistete Arbeit bezahlt, basiert auf der Verwechslung
von Arbeit und Arbeitskraft. .... Im Kern haben wir mit der Verwechslung von
Arbeit und Arbeitskraft die Lohntheorie der neoliberalen Ökonomen übernommen."
Übrigens haben sich wie Kollege Wendl bereits viele Wahlangestellte eindeutig
gegen die beschlossene Erhöhung ausgesprochen.
- Die Höhe der Vergütung müsse "Strukturen entsprechen,
die die Mobilität der Wahlangestellten fördern und nicht hemmen."
"Um einen Anreiz für Veränderungen und Kandidaturen innerhalb
der Organisation zu bieten, ist eine deutliche Differenz in der Vergütung
zwischen
1. BezirksleiterInnen und LandesbezirksleiterInnen und
2. LandesbezirksleiterInnen und Bundesvorstand notwendig."
Ein höheres Einkommen als Hauptmotiv für die Bereitschaft,
für eine verantwortungsvolle Funktion bei ver.di zu kandidieren: Wir
meinen, daß Menschen, die vor allem wegen einer Gehaltserhöhung
eine politische Funktion anstreben, gerade nicht geeignet sind, Spitzenpositionen
in einer Gewerkschaft zu bekleiden.
- "Die Höhe der Vergütung ist im Hinblick auf die Größe
der ver.di angemessen. In der annähernd gleichgroßen IG Metall
werden deutlich höhere Vergütungen gezahlt. In Unternehmen der Privatwirtschaft
erreichen Abteilungsleiter bzw. Hauptabteilungsleiter oft vergleichbare oder
höhere Gehälter, von den Vergütungen für Arbeitsdirektoren
einmal ganz abgesehen."
Ob die IG Metall der richtige Maßstab ist, wagen wir zu bezweifeln.
Zumindest die Mitgliederverluste der IGM sind unseres Wissens geringer als
die der ver.di. Und der Vergleich mit der Privatwirtschaft hinkt: Dort werden
Führungskräfte schließlich nicht mit von Gewerkschaftsmitgliedern
entrichteten Beiträgen bezahlt!
- "Eine Differenzierung [in der Vergütung] bei den LandesbezirksleiterInnen,
beispielsweise in Abhängigkeit von der Mitgliederzahl, wird nicht für
sinnvoll erachtet. LandesbezirksleiterInnen haben, unabhängig von der
Größe des Landesbezirks die gleichen Aufgaben bezogen u.a. auf
Personal und die Vertretung nach außen zu erfüllen."
Warum aber dann die Mitgliederzahl und Größe von ver.di als Begründung
für die Erhöhung der Gehälter der Wahlangestellten herhalten
muß, bleibt dem geneigten Leser verschlossen.
- "Die Vergütung der LandesbezirksleiterInnen ist auch eine Statusfrage.
Als LandesbezirksleiterInnen haben sie ein politisches Mandat. Sie sollten
in Verhandlungen mit der Landesregierung auch in dieser Beziehung auf "gleicher
Augenhöhe" agieren."
Auf dieses "Argument" kann man nur noch mit Polemik reagieren: Je
höher das Gehalt der ver.di-Wahlangestellten desto größer
der Verhandlungsdruck, den ver.di ausüben kann? Auf Tarifverhandlungen
übertragen, hieße das: je höher die Gehälter der ver.di-Wahlangestellten,
desto besser unsere Tarifabschlüsse! Nach der Entwicklung einer neuen
gewerkschaftlichen Lohntheorie (siehe oben) nun auch noch eine dazu passende
neue Praxis der Durchsetzung gewerkschaftlicher Forderungen. So schließt
sich der Kreis: ver.di wegen Umbau geöffnet! ver.di mehr
bewegen!
- Die finanzielle Absicherung nach dem Ausscheiden aus dem Wahlanstellungsverhältnis
wurde gegenüber den Regelungen der Ursprungsgewerkschaften offenbar verschlechtert.
"Damit erhöht sich auch das Risiko finanzieller Einbußen
bei einer möglichen Abwahl oder einem Ausscheiden aus anderen Gründen."
Wir glauben gerne, daß dem so ist. Uns erscheint allerdings die vom
GR beschlossene Absicherung auch auf der Grundlage der bisherigen Gehälter
der Wahlangestellten als nicht gerade übel: "Bei vorheriger ehrenamtlicher
Tätigkeit gilt als angemessene Tätigkeit mindestens eine Vergütung
in der zweithöchsten Vergütungsstufe.
Liegen noch keine vier vollen Amtsjahre vor, ist eine Tätigkeit in der
früheren bzw. eine der neuen Tätigkeit entsprechenden Eingruppierung
angemessen.
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- Nach mindestens vier vollen Amtsjahren gilt als angemessen eine Tätigkeit
deren Vergütung um 40%
- Nach mindestens acht vollen Amtsjahren gilt als angemessen eine Tätigkeit
deren Vergütung um 30%
- Nach mindestens zwölf vollen Amtsjahren gilt als angemessen eine Tätigkeit
deren Vergütung um 20%
unter der Vergütung als Wahlangestellte/r liegt, die jedoch mindestens
nach der zuletzt vor Übernahme der Wahlfunktion innegehabten Vergütungsgruppe
vergütet wird." (Beschluß GR)
Endet das Wahlanstellungsverhältnis nach Vollendung des 55. Lebensjahres
und sind 15 Jahre tatsächlicher Beschäftigungszeit bei ver.di oder
einer der Gründungsgewerkschaften gegeben, so ist die Absicherung
richtigerweise - noch besser, als oben angeführt.
Wenn man diese finanzielle Absicherung mit der von änderungsgekündigten
Beschäftigten in der "freien Wirtschaft" vergleicht, schneidet
erstere gut ab. Ver.di hätte hier also schon auf Grundlage der bisherigen
Gehälter der Wahlangestellten durchaus eine Vorbildfunktion.
- "Präsidium und Personalausschuss schlagen dem Gewerkschaftsrat
vor, die Anstellungsbedingungen für die Wahlangestellten jetzt zu beschließen
und nicht an mögliche Neuregelungen für die Beschäftigten zu
koppeln. Das ergibt sich zum einen aus der Tatsache, dass die Wahlangestellten
Ihre Funktionen mit Eintragung der ver.di übernommen haben und entsprechend
eine Regelung ihrer Arbeitsverträge und Anstellungsbedingungen zeitnah
erwarten können."
.... während die politischen SekretärInnen und Verwaltungsangestellten
ihre Funktionen ja bekanntlich mit der Eintragung von ver.di aufgegeben haben
und seitdem Däumchen drehen.
- Zum Schluß: Es ist uns auch schon zu Ohren gekommen, daß wir
doch nur von Neid getrieben seien. Da fragen wir uns schon, worauf wir denn
eigentlich neidisch sein sollen. Schließlich sind wir ehrenamtliche
Gewerkschafter. Unsere Einkommen stehen schlicht in keinerlei Zusammenhang
mit der Höhe der Gehälter der ver.di-Wahlangestellten. Unsere Gehälter
sind davon abhängig, wie in den Unternehmen, für die wir arbeiten,
die Relation zwischen Lohnsumme der Tarifbeschäftigten einerseits und
Unternehmensgewinnen und Managergehältern anderseits aussieht. Diese
Relation wird durch die tarifpolitische Durchsetzungsfähigkeit unserer
Gewerkschaft bestimmt. Und was in diesem Zusammenhang angeblichen "Neid"
angeht, das hat August Strindberg auf den Punkt gebracht: "Neid, das
ist der hässliche Name, den die Oberschicht dem Gerechtigkeitssinn angehängt
hat."
Und was mit unseren Gewerkschaftsbeiträgen geschieht, darf uns doch wohl
noch interessieren.
Unsere Vorschläge für das weitere Vorgehen:
Die zahlreichen Protestschreiben, in denen sich Mitglieder, Bezirks- und Landesbezirksvorstände,
Fachbereiche und -gruppen gegen die hohen Gehälter unserer Wahlangestellten
ausgesprochen haben, reichen offenbar noch nicht aus: Eine Rücknahme des
Beschlusses ist noch nicht in Sicht. Entweder wir nehmen es murrend hin, dass
Spitzen-ver.dienste gewährt werden, während an der Basis oftmals das
Geld für eine ordentliche Mitgliederbetreuung fehlt oder wir streiten weiter
um die Rücknahme des Beschlusses. Wir haben uns für letzteres entschlossen
und hoffen auf Eure Unterstützung.
Soweit Ihr unsere oben ausgeführte Meinung zumindest prinzipiell teilt,
möchten wir Euch folgende Vorgehensweisen vorschlagen, um eine Rücknahme
des GR-Beschlusses zu erreichen:
- Bitte verbreitet diese E-Mail an weitere ver.di-Mitglieder.
- Ladet Bundesvorstandsmitglieder und die GR-Mitglieder aus Eurem Bezirk /
Fachbereich auf die nächsten Konferenzen ein und versucht sie davon zu
überzeugen, daß der Beschluß rückgängig gemacht
werden muß.
- Beschwerden an den Kontroll- und Beschwerdeausschuß (im folgenden
KBA): Der KBA prüft laut §44 Ziffer 2b der ver.di-Satzung "auf Antrag
eines betroffenen satzungsgemäßen Organs oder auf Beschwerde eines
betroffenen Mitglieds ... die Beschlussfassungen der Organe und Gremien von
ver.di." Betroffen sind u.E. wegen der finanziellen Auswirkungen des
Beschlusses alle Ebenen und alle Fachbereiche bzw. Fachgruppen und somit alle
Mitglieder. Allerdings sind "Maßstab der Prüfung [durch den
KBA] ausschließlich die Satzung, die Richtlinien, die Statuten und die
Geschäftsordnungen der Gewerkschaft sowie die Beschlüsse des Bundeskongresses."
Nun handelt es sich zwar bei dem GR-Beschluß mehr um eine politische
Angelegenheit als um eine Satzungsfrage. Wir bezweifeln auch gar nicht, daß
das Verfahren der Beschlußfassung satzungsgemäß war.
Da wir aber meinen, daß der GR-Beschluß die finanzielle Lage unserer
Gewerkschaft verschärft, dem Ansehen von ver.di schadet, damit die Mitgliederwerbung
erschwert und folglich die politische Durchsetzungsfähigkeit von ver.di
hemmt, können wir uns zumindest formal auf §5 Ziffer 3l der Satzung berufen:
"Zur Erreichung dieser Ziele [der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft
dient] insbesondere ... [die] Wahrung und Entfaltung der gewerkschaftlichen
Handlungsfähigkeit ..."
Soweit der KBA Beschwerden für satzungsrechtlich gerechtfertigt befindet,
wird er sie dem betreffenden Gremium hier also dem GR zur Abhilfe
vorlegen. Falls der GR dann keine Abhilfe schafft, kann der KBA Einspruch
beim Bundeskongreß einlegen. Wir gehen davon aus, daß der KBA
auch dann, wenn er den GR-Beschluß zwar nicht für satzungswidrig
befinden, aber sich inhaltlich unserer oben dargelegten Auffassung anschließen
sollte, dies gegenüber dem GR, an dessen Sitzungen jeweils zwei KBA-VertreterInnen
teilnehmen, vertreten würde.
Beschwerden gegen den GR-Beschluß richtet bitte an:
ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft e. V.
Kontroll- und Beschwerdeausschuß
Potsdamer Platz 10
10785 Berlin
Fax 030 - 69 56 39 56
- Wenn all das nichts nützen sollte, bleiben uns als "ultima ratio"
noch zwei Möglichkeiten:
- Darauf zu dringen, daß ein außerordentlicher Bundeskongreß
einberufen wird. Dies müssen Landesbezirke, die mindestens ein Drittel
der Mitglieder vertreten oder mindestens ein Drittel der Delegierten des
letzten ordentlichen Bundeskongresses beantragen. (§40 der ver.di-Satzung)
- Wir prüfen gerade die Einrichtung eines treuhänderisch verwalteten
Sperrkontos, auf welches Gegner des Gehälter-Beschlusses ihre Gewerkschaftsbeiträge
einzahlen könnten, um den politischen Druck für eine Rücknahme
des Beschlusses zu erhöhen. Wir werden für den Fall des Falles
einen vertrauenswürdigen, unabhängigen Treuhänder suchen
und Kriterien entwickeln, die einen Mißbrauch der auf das Sperrkonto
einbezahlten Gelder ausschließen.
-
Zum Schluß noch eine Bitte: Tut alles, um verärgerte Mitglieder
vom Austritt aus der Organisation abzuhalten. Wir fürchten, daß
wir gerade auch die besten, kritischsten und engagiertesten Mitglieder verlieren
würden. Die aber brauchen wir nötiger denn je.
Conny Bauer (ehemals IG-Medien)
Betriebsratsvorsitzende Freies Wort Suhl, stellv. KBR-Vorsitzende Süddeutscher
Verlag München
Mitglied im Landesbezirksfachbereichsvorstand Medien Südost
Harald Pürzel (ehemals hbv)
Betriebsratsvorsitzender Jehle-Rehm, München
stellv. KBR-Vorsitzender Süddeutscher Verlag München
Vorsitzender der Fachgruppe 5 im FB 8 im Bezirk München
Mitgl. Bezirksvorstand München u. Landesfachbereichsvorst. Medien
Christian Petzoldt (ehemals DAG)
Betriebsratsvorsitzender Zeitungsgruppe Thüringen, Erfurt (WAZ)
Vorsitzender des Landesbezirksfachbereichsvorstandes Medien Südost der
Landesbezirke Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt
Miriam Schneider (ehemals DPG)
Mitglied der JAV Postbank München
Mitglied im Bezirksjugendvorstand München und im Bundesjugendvorstand
Monika Fehlau (ehemals ÖTV)
Vertrauensleutesprecherin LMU München
Mitglied im Bezirksvorstand München und Stellvertretende Vorsitzende FB
05 im Bezirk München
Vorsitzende des Landesbezirksfachbereichsvorstand FB 05 im Landesbezirk Bayern
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