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Mehr Verantwortung – mehr Gehalt?

Ein Kommentar zur Gehaltserhöhung in den ver.di-Führungsetagen

Von Martin Dieckmann*

Spätestens nach der Veröffentlichung in der Frankfurter Rundschau vom 23. September (siehe Kasten auf dieser Seite) dürfte das Thema "Gehaltsstruktur der ver.di-Führungsebene" noch weiter für Unruhe und Unmut sorgen, ganz zu schweigen von denjenigen, die sich jetzt verbittert bis angewidert ganz zurück ziehen werden. Die Kritik und der Protest sind nicht nur verständlich, sondern berechtigt und notwendig. Daher unterstütze ich das Anliegen dieser Kolleginnen und Kollegen. Das schreibe ich vor dem Hintergrund eines drakonischen Sparzwangs, dem wir – als FachgruppenleiterInnen im Fachbereich Medien – derzeit ausgesetzt werden. Dass wir so sparsam wie möglich planen müssen, ist selbstverständlich. Sowohl den hauptamtlichen wie ehrenamtlichen FunktionsträgerInnen wird in Zukunft einiges abverlangt werden, damit wir verantwortlich unseren politischen Aufgaben nachkommen können.

Es gibt viele Gründe für die finanziellen Schwierigkeiten von ver.di, es gibt aber auch viele Möglichkeiten, diese noch zu vergrößern. Die vorgeschlagenen Gehaltserhöhungen für die Führungsebene gehören dazu, denn um es am Beispiel unseres Fachbereichs zu verdeutlichen: Die Gehaltserhöhung für eine Person entspricht brutto der Summe zweier Fachgruppen-Etats. Allerdings sollen zur selben Zeit die Fachgruppen-Etats derart abgeschmolzen werden, dass vielleicht noch Gremiensitzungen, nicht mehr aber die Umsetzung von Gremienbeschlüssen möglich sein werden. Schwerwiegender ist allerdings die politisch-mora-lische Wirkung – etwas, das mittlerweile selbst Unternehmensleitungen einzuschätzen wissen, wenn sie zumindest eine Zeit lang auf zusätzliche Bezüge verzichten, um "mit gutem Beispiel voran zu gehen". Mit welchen Gefühlen man ver.di dann auf einer Betriebsversammlung eines reichen Konzerns, in dem zur Zeit so ein Sparplan auf allen (!) Ebenen eingeleitet wird, zu vertreten hat, dürfte leicht nachvollziehbar sein.

Das Mindeste, was also zu erfolgen hat, ist eine Revision der vorgeschlagenen Gehaltsstruktur. Darüber hinaus müssen wir aber eine offene Debatte über die finanzielle Situation führen, und dies ausdrücklich als gemeinsame Aussprache von ehrenamtlichen und hauptamtlichen FunktionsträgerInnen. Das schreibe ich vor allem im Hinblick und Rückblick auf die letztlich ausgebliebene mitglieder-öffentliche Diskussion über die Sozialplankosten, die Immobilienentscheidungen sowie die weiteren Kosten, die das Fusionsziel – Gewinnung von Ressourcen durch Synergie-Effekte – bislang offenbar konterkarieren. Auch wir als politische SekretärInnen haben dabei mit den eigenen Zielkonflikten offen umzugehen und mehr als bislang die ehrenamtlichen FunktionsträgerInnen in die Lösung dieser Probleme einzubeziehen.

Eine solche Auseinandersetzung ist nicht ohne Risiken. Sie stellt aber auch eine große Chance dar – die Chance, endlich aus den verschiedenen Welten, die in dieser Organisation nebeneinander existieren, ein gemeinsames politisches Projekt zu machen. Aus der manchmal beängstigend rhetorischen Berufung auf "die Mitglieder" muss ein wirkliches Gespräch mit aktiven Mitgliedern werden. Gefährlich wäre es dagegen, wenn es bei einer bloß populistischen Zuspitzung auf die Gehälter der Führungsebene bliebe. Damit würde die Dimension der finanziellen und letztlich politischen Probleme verharmlost.

"Wegen Umbau geöffnet" – wir sollten die schöne Losung der ver.di-Gründung ernst nehmen und alle, ausnahmslos alle Umbau-Pläne nicht nur einem betriebswirtschaftlichen, sondern auch politischen Controlling unterstellen.

 

Erschienen im express, Zeitschrift für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, 9/01

* Martin Dieckmann ist Fachgruppenleiter für Verlage und Agenturen des Fachbereichs Medien beim ver.di-Bundesvorstand.


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