letzte Änderung am 10. Sept. 2003

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Protokoll des Untersuchungsverfahren nach § 10 der Satzung der IG Metall gegen die Kollegen Mate Dosen und Witold Müller am 19. Juli 2002 im Gewerkschaftshaus in Esslingen

Anwesend:

Vorsitzender der Untersuchungskommission
Beisitzer:
Antragsteller:
Angeschuldigte:
Schriftführerin:

Kollege Bittner entschuldigt den Antragssteller, Kollege Athanasios Konstantinidis, der aus wichtigen privaten Gründen nicht an der Sitzung teilnehmen kann.(Siehe Anlage 1)

Zu Beginn der Sitzung stellt der Vorsitzende fest, dass die Beisitzer mindestens 12 Monate Mitglied der IG Metall und am Streit unbeteiligt. sind.

Kollege Bittner liest den Antrag des Kollegen Athanasios vom 19.02.02 vor, in dem dieser die Kollegen Mate Dosen und Witold Müller beschuldigt, bei den Betriebsratswahlen im Frühjahr 2002 auf einer anderen als der offiziellen Liste der IG Metall kandidiert und somit die IG Metall geschädigt zu haben.(Siehe Anlage 2)

Kollege Schaumberg bemängelt, dass er von der IG Metall das Schreiben (Antrag des Kollegen Konstantinidis) nicht erhalten habe, dieses also zum ersten Mal sehe.

Der Vorsitzende vermerkt hierzu, dass die Unterrichtung der jeweiligen Beisitzer und Zeugen Aufgabe der Angeschuldigten bzw. des Antragstellers ist

Beide Seiten haben Zeugen benannt, ob sie gehört werden, soll während des Verlaufs der Sitzung entschieden werden.

Es ist zwischen allen Beteiligten unbestritten, dass die beiden Angeschuldigten, obwohl es bei der Firma DaimlerChrysler eine offizielle IG Metall-Liste zur Betriebsratswahl 2002 gab, als IG Metall-Mitglieder auf einer eigenen Liste (Liste 3-Klartext) kandidiert haben.

Die beiden Angeschuldigten verlassen den Raum.

Kollege Bittner erläutert die Aufgaben der Untersuchungskommission und legt dar, zu welchen Vorschlägen die Kommission nach Anhörung aller Beteiligter kommen kann:

a) Einstellung des Verfahrens,

b) Erteilung einer schriftlichen Rüge,

c) Ausschluss von allen gewerkschaftlichen Funktionen auf eine bestimmte Zeit,

d) Ausschluss von allen gewerkschaftlichen Funktionen und Versammlungen auf eine bestimmte Zeit,

e) Ausschluss des bzw. der Angeschuldigten aus der IG Metall.

Kollege Bittner schlägt vor, zunächst die Angeschuldigten zu befragen, welche Beweggründe sie gehabt haben, eine eigene Liste (Liste 3 Klartext) zur Betriebsratswahl einzureichen und nicht auf der IGM-Liste zu kandidierten.

Vorab jedoch unterrichtet Kollege Bittner die anwesenden Zeugen über ihre Rolle im Verfahren. Man werde sie in den Verhandlungsraum rufen, wenn die Kommission ihre Anhörung befürworte.

Der Vorsitzende bittet die angeschuldigten Kollegen Mate Dosen und Witold Müller in den Verhandlungsraum.

Auf Frage des Kollegen Bittner, ob die Kandidatur auf einer anderen als der offiziellen Liste der IG Metall nicht mit sich bringe, dass Kandidaten der eigenen Liste im günstigen Licht dargestellt und die der IG Metall bezüglich ihrer Qualität herab gemindert werden, antworten die Kollegen Dosen und Müller, sie sähen das nicht so, sie seien zu keinem Zeitpunkt gewerkschaftsschädigend gewesen.

Der Vorsitzende fordert die angeschuldigten Mitglieder auf, sich zu rechtfertigen. Kollege Dosen beginnt, und zu späterem Zeitpunkt hat sich Kollege Müller voll und ganz diesen Ausführungen angeschlossen, mit der Feststellung, es gebe, was die IG Metall-Mitglieder im Betriebsrat von DaimlerChrysler angeht, zwei Flügel, eine sogenannte Mehrheitsfraktion, die Co-Management betreibe und einen mehr "grundsätzlichen Flügel", der sich in einer sogenannten Klärwerkgruppe zusammen gefunden habe. Die unterschiedlichen Auffassungen hätten zu nicht unerheblichen Spannungen geführt.

Auf die Frage des Beisitzers Kollege Martin Bott, ob es denn Bemühungen gegeben habe, die Differenzen auszudiskutieren, sprach Kollege Dosen von einem entsprechenden Versuch, beide Gruppen an den Tisch zu bringen. In einem sogenannten "Klärwerksprozess" habe man versucht, die offenen Fragen zu diskutieren.

Auf die Frage, welche umstrittenen Punkte es gegeben habe, nannte Kollege Dosen den unbefriedigenden Zustand, dass die Inhalte von Betriebsvereinbarungen nur selten und dann meist ungenügend mit den Vertrauensleuten besprochen worden seien. Das bedeute, dass man in der Belegschaft etwas habe vertreten müssen, an dessen Entstehung man nur unzureichend beteiligt gewesen sei. Die Behandlung des Themas Lang-zeitkonten müsse beispielhaft genannt werden. Es sei doch wohl der richtigere Weg, dass zunächst einmal die Vertrauensleute die Politik der IG Metall im Betrieb formulierten, um sie dann mit Hilfe des Betriebsrats durchzusetzen. Ähnlich unzufrieden sei er mit der Behandlung der Themen "Kontinuierlicher Verbesserungsprozess" und "Werkschutz-Fremdvergabe" gewesen.

Was den "Scheibenwischer", die betriebliche Zeitung der IG Metall angehe, so habe man vereinbart, dass zukünftig auch andere Meinungen als die der Mehrheitsfraktion veröffentlicht werden sollen, was aber in der Folge dann doch nicht möglich gewesen sei.

Er, Mate Dosen habe zum Beispiel erfolglos versucht, seine Meinung zu den Langzeitkonten im "Scheibenwischer" unterzubringen, was ihm nicht gelungen sei. So habe er mehrfach bei der Redaktion angefragt, ob denn sein eingereichter Artikel nun endlich erscheine. Schließlich habe man ihm nach mehrfachem Versuch gesagt, das Thema sei gerade nicht aktuell. Wenige Tage später habe er in der örtlichen Presse lesen können, dass der Betriebsrat eine entsprechende Vereinbarung abgeschlossen habe. Das sei für ihn sehr ärgerlich gewesen.

Beisitzer Kollege Wolfgang Kicherer hält den Kollegen Dosen und Müller vor, warum sie nicht weiter versucht hätten, die sicherlich notwendige Auseinandersetzung innerhalb der IG Metall zu führen. Die Auseinandersetzung in der Betriebsöffentlichkeit habe doch ein Bild des gespaltenen Auftretens der IG Metall gezeigt. Ob die Antragsteller bei ihrer Unzufriedenheit über das Verhalten der Mehrheitsfraktion nicht selbst auf den Gedanken gekommen seien, ihrerseits der Gegenseite gewerkschaftsschädigendes Verhalten vorzuwerfen.

Auf diesen Gedanken seien sie nicht gekommen, antworten die Angesprochenen.

Kollege Bittner kommt konkret auf die Betriebsratswahl 2002 zu sprechen und äußert den Verdacht, dass die angeschuldigten Kollegen nur deshalb auf einer sogenannten Klartextliste kandidiert hätten, weil sie nur so eine Chance für sich gesehen hätten, in den Betriebsrat gewählt zu werden. Auch im Hinblick darauf, dass erstmals in einem Automobilwerk die IG Metall-Liste in einer Urwahl aufgestellt werden sollte, sei der Alleingang auf einer konkurrierenden Liste problematisch zu beurteilen.

Beisitzer Kollege Hans-Peter Haug will in diesem Zusammenhang wissen, wie die Kollegen Mate Dosen und Witold Müller zur durchgeführten Urwahl stehen.

Kollege Dosen antwortet und Kollege Müller pflichtet ihm bei, sie seien im Prinzip für die Idee der Urwahl gewesen, hätten dann aber, als man auf einer Vertrauensleute-Vollversammlung Ende 2000 die Eckpunkte für ein solches Vorhaben beschlossen habe, erste Bedenken gehabt. So sei es nicht gut gewesen, die Kandidaten auf das Center bezogen zu wählen. So habe man keine Chancen gehabt, auch von Kolleginnen, bzw. Kollegen aus anderen Werksteilen unterstützt zu werden. Trotzdem habe er noch zur Urwahl gestanden solange, bis einige zu kritisierende Korrekturen am Verfahren vorgenommen wurden.

Angefangen habe es damit, dass abweichend von den beschlossenen Regeln eine sogenannte "Nachwuchsregelung" geschaffen wurde, bei der die Kandidatur eines Kollegen im Dienstleistungscenter möglich war, obwohl er eigentlich aus einem anderen Bereich kam.

Um den Frauenanteil im zukünftigen Betriebsratsgremium entsprechend des neuen Betriebsverfassungsgesetzes zu sichern, seien die Ergebnisse der Wahl in den Centern missachtet worden. Eine Kollegin, die eigentlich auf Grund ihres Ergebnisses im Center auf der IG-Metall-Liste hätte aufgestellt werden müssen, sei zugunsten einer anderen Kollegin übergangen worden.

Als sehr problematisch sei aber auch der Vorgang zu bewerten, wie die Arbeiter und Angestellten auf der Liste verwoben worden seien. Im Gegensatz zu den Arbeitern, so Mate Dosen weiter, seien die Angestellten bei der Urwahl nicht einbezogen gewesen.

Sie seien dann auf der Liste mit den Arbeitern zusammen geführt worden, obwohl diese Option in der Vollversammlung nicht beschlossen worden sei.

Schließlich habe er, "genug gehabt", solche Vorgehensweisen seien ihm derart "gegen den Strich gegangen", dass er schließlich beschlossen habe, mit andern auf einer sogenannten Liste "Klartext" zu kandidieren.

Beisitzer Kollege Wolfgang Kicherer fragt die Kollegen Dosen und Müller, ob sie bei der Vollversammlung am 6. November 2001 das Wort ergriffen und entsprechende Kritik geäußert hätten.

Dies verneinen die beiden Kollegen.

Auf die Frage des Beisitzers Kollege Martin Bott an die Kollegen Dosen und Müller, ob sie denn bezüglich ihrer Kandidatur auf einer konkurrierender Liste versucht hätten, ihr Tun gegenüber der IG Metall zu rechtfertigen, sagen sie, sie seien dazu bereit gewesen, aber man habe das offensichtlich nicht gewollt

So habe z. Bsp. die Vertrauenskörperleitung (VKL) beschlossen, die Kollegen Dosen und Müller zu einem Gespräch einzuladen, der Vorstand der VKL habe aber diesen Beschluss missachtet.

Kollege Dosen führt weiter aus, man habe ihm im Dezember 2001 das Vertrauensleute-Mandat entzogen und er habe ab sofort auch keine Einladung mehr zur Delegiertenversammlung der IG Metall Verwaltungsstelle Esslingen erhalten.

Der Untersuchungsausschuss beschließt nun, den Kollegen Karl Reif, Leiter des Vertrauenskörpers als Zeugen zu vernehmen. Er war vom Antragsteller als Zeuge benannt worden Er war aber nicht anwesend und konnte auch nicht im Betrieb erreicht werden. Sodann beschloss der Untersuchungsausschuss, Kollegin Ilona Dammköhler, 2. Bevollmächtigte der IG Metall Verwaltungsstelle Esslingen und Betriebsbetreuerin von DaimlerChrysler, als Zeugin zu vernehmen. Als solche wurde sie vom Antragsteller benannt.

Beisitzer Kollege Wolfgang Kicherer fragt Kollegin Ilona Dammköhler, ob bei der Urwahl alles korrekt verlaufen sei. Sie bejaht dies, weist ausdrücklich auf die Wahlkommission hin, deren Vorsitz sie gehabt habe. Aus allen Centern seien Kolleginnen und Kollegen in der Kommission vertreten gewesen, auch die Kollegen Tom Adler und Michael Clauss.

Beisitzer Kollege Wolfgang Kicherer fragt, ob es stimme, dass nach der Urwahl eine Kollegin zu Gunsten einer anderen benachteiligt worden sei.

Kollegin Dammköhler erwähnt zwei Korrekturen, welche die Vollversammlung der Vertrauensleute im November 2001 in Sachen Listenaufstellung in Abweichung zu den bereits früher beschlossenen Eckpunkten vorgenommen habe. Einmal seien dies das Zusammenführen der in der Urwahl gewählten Arbeiter mit den Angestellten auf der IGM-Liste und eine Änderung bezüglich der Berücksichtigung der Frauen auf der BR-Wahl-Liste der IG Metall gewesen. Erst zu diesem Zeitpunkt sei nämlich klar gewesen, dass es eine Frauenquote im Betriebsverfassungsgesetz geben werde und dass dies bei der Listenaufstellung unbedingt zu berücksichtigen sei.

Kollegin Dammköhler bestätigt, es habe die Meinung vorgeherrscht, dass auf der Liste der IG Metall 3 Kolleginnen berücksichtigt sein sollten. Drei Kandidatinnen hätten die gleichen Prozentpunkte, aber unterschiedliche absolute Stimmzahlen in ihren Centern gehabt Dann habe der VKL beschlossen, welche Kollegin berücksichtigt werden soll.

Beisitzer Kollege Bott fragt Kollegin Dammköhler, ob sie bestätigen könne, dass der VKL immer der Meinung gewesen sei, dass es so wenig wie möglich Eingriffe in die Ergebnisse der Urwahl geben dürfe.

Kollegin Dammköhler bestätigt dies.

Beisitzer Kollege Hans-Peter Haug fragt, was die IG Metall getan habe, nachdem sich abzeichnete, dass es eine Klartextliste geben werde, ob es den Versuch der Integration gegeben habe.

Kollegin Dammköhler antwortet, dieser Versuch sei nicht unternommen worden, man habe übrigens die Nachricht von einer Kandidatur auf einer Liste "Klartext" erst aus der Publikation "Klartext" erfahren.

Kollegin Dammköhler führt weiter aus, Kollege Helmut Hartmann , 1. Bevollmächtigter der IG Metall in Esslingen und sie habe Mate Dosen und Witold Müller um ein Gespräch gebeten mit dem Ziel, diese von einer Kandidatur auf einer konkurrierenden Liste abzuhalten. Nachdem dies aber keinen Erfolg gehabt habe, habe der Ortsvorstand Funktionsverbot für die Kollegen Mate Dosen und Witold Müller beschlossen. Sie habe dann den betroffenen Kollegen das Funktionsverbot telefonisch ausgesprochen.

Die Vorstandsverwaltung der IG Metall habe aber darauf hingewiesen, dass der Ortsvorstand dazu nicht befugt sei, das sei Sache des Vorstands .

Im Übrigen wolle sie, Kollegin Dammköhler auf die gewerkschaftsschädigenden Diffamierungen durch Verantwortliche des "Klartext" aufmerksam machen.

Hierzu bemerkt der Vorsitzende, dem Untersuchungsausschuss lägen die Ausgaben Nr. 1, Nov. 2001, Nr.2, Dez. 2001, Nr.3, Febr. 2002 und Nr. 5, Mai 2002 vor. Er wolle die Inhalte dieser Blätter in das Verfahren einbringen. (Siehe Anlagen 3 a-d)

Kollege Mate Dosen sagt, weder er, noch andere seiner Gruppe seien je gewerkschaftsschädigend gewesen, auch in der Publikation "Klartext" seien keine gewerkschaftsschädigenden Äußerungen zu lesen.

Der Ausschussvorsitzende, Kollege Bittner konfrontiert Kollege Dosen jedoch mit seiner (Bittner) Einschätzung, dass die kritische öffentliche Auseinandersetzung mit Betriebsräten, die der IG Metall angehören, letztendlich der IG Metall schade. Dem Leser soll verdeutlicht werden, dass die kritisierte Person, die ja von der IG Metall getragen werde, negativ gehandelt habe. Das Ergebnis solcher Angriffe gereiche dann dem eigenen Vorteil und diene der Verbesserung der eigenen Wahlchancen.

Die Kollegen Dosen und auch Müller bewerten dies anders, sie würden nur Positionen kritisieren und eigene darstellen, keinesfalls aber die IG Metall schädigen.

Beisitzer Kollege Wolfgang Kicherer bemerkt, er könne nicht erkennen, dass in den Klartext-Publikationen konträre oder schädliche Positionen vertreten würden.

Mehrheitlich kommt die Untersuchungskommission zur Auffassung, dass in den vorliegenden Ausgaben von "Klartext" keine gewerkschaftsfeindlichen Inhalte vertreten werden.

Beisitzer Kollege Wolfgang Schaumberg legt ein Flugblatt der IG Metall vor, das von Kollegin Ilona Dammköhler und Kollege Hansjörg Schmierer unterschrieben ist und bei DailmerChrysler verteilt wurde. (Siehe Anlage 4) Er fragt, was dieses Flugblatt soll, ob es nicht geeignet sei, die Stimmung zwischen den zerstrittenen Gruppen weiter zu verschlechtern. Zudem habe damit die Ortsverwaltung das Verfahren erheblich erschwert, weil öffentlich eine Vorverurteilung vorgenommen werde. Festzustellen, ob es sich tatsächlich um ein gewerkschaftsschädigendes Verhalten handle, sei schließlich Aufgabe der Untersuchungskommission.

Kollegin Dammköhler verteidigt das Flugblatt. Die IG Metall habe sich wehren müssen. Es sei nicht hinzunehmen, wie die Liste Klartext in ihren Flugblättern, "Klartext "genannt, die IG Metall und ihre Repräsentanten im Betrieb in den Schmutz ziehen.

Beisitzer Kollege Wolfgang Kicherer fragt, ob es zukünftig überhaupt noch eine Basis für eine Zusammenarbeit zwischen den Gruppen gebe.

Kollegin Dammköhler zeigt sich pessimistisch. Im letzten dreiviertel Jahr sei viel Porzellan zerschlagen worden. Kollegen wie der Betriebsratsvorsitzende Helmut Lense und der Vorsitzende der Vertrauensleute, Karl Reif seien in aller Öffentlichkeit beschimpft worden. Das sei gewerkschaftsschädigend, da diese in den Augen der Belegschaft prominente IG Metall-Mitglieder seien.

Beisitzer Kollege Hans-Peter Haug fragt, ob denn zwischen den zerstrittenen Gruppen der Versuch unternommen wurde, die Art und Weise des Umgangs miteinander einvernehmlich zu klären. Die Zurückweisung des Artikels des Kollegen Dosen für den "Scheibenwischer" würden bei ihm diesbezügliche Fragen aufwerfen.

Kollegin Dammköhler antwortet, der Versuch sei sicherlich unternommen worden. Was jedoch den Artikel des Kollegen Dosen angehe, trage sie die Verantwortung für die Zurückweisung, sie habe der Redaktion empfohlen, zu diesem Zeitpunkt so zu verfahren, weil ihrer Ansicht nach das Thema Langzeitkonten nicht mehr aktuell gewesen sei. Das sei eine Fehleinschätzung gewesen.

Beisitzer Kollege Hans-Peter Haug fragt, warum man nicht mit Kollegen Dosen gesprochen habe und ihm die Gründe für das Verhalten der Redaktion mitgeteilt habe..

Diese Frage blieb unbeantwortet.

Der Untersuchungsausschuss befragt nun als Zeugen den Kollegen Michael Clauss, freigestelltes Betriebsratsmitglied und Vertrauensmann in Esslingen-Mettingen.

Der Vorsitzende des Untersuchungsausschuss stellt ihm die Frage nach den Erfolgsaussichten des bereits stattgefundenen sogenannten Klärwerkprozesses.

Kollege Clauss berichtet über das damalige Wollen der Beteiligten im Klärwerkprozess. So sei man sich einig gewesen, dass auch die Möglichkeit bestehen müsse, unterschiedliche Positionen nach außen hin vertreten zu können.

Das hätte zum Beispiel mit Hilfe des"Scheibenwischer" geschehen können. Oder man hätte zu jedem Thema von Bedeutung eine Arbeitsgruppe einrichten können.

Von diesen Vereinbarungen, so Kollege Clauss, sei nicht viel übrig geblieben, so habe es mehrfach Ärger gegeben. Eines der umstrittensten Themen sei eine Betriebsvereinbarung über Langzeitkonten gewesen.

Ein weiteres Thema sei der "kontinuierliche Verbesserungsprozess" gewesen. Es habe die Frage im Raum gestanden, ob man aus Sicht der ArbeitnehmerInnen eine entsprechende Betriebsvereinbarung benötige oder nicht. Handstreichartig sei nach einer zuvor durchgeführten Probeabstimmung ein Beschluss des BR gefasst worden mit den Stimmen der Mehrheitsfraktion.

Mehrfach sei in VL-Sitzungen gefordert worden, Aussprachen zu den Themen herbei zu führen, was letztlich auf keinen fruchtbaren Boden gefallen sei. Meistens seien die Ergebnisse von der Mehrheitsfraktion präsentiert worden. Die Kritik über eine solche Vorgehensweise sei schon berechtigt und weit verbreitet.

Der Zeuge Kollege Michael Clauss verlässt den Raum.

Die Untersuchungskommission berät anschließend über den Antrag des Antragstellers.

Beisitzer Kollege Hans-Peter Haug kann keine Böswilligkeit erkennen. Die vereinbarte Vorgehensweise sei offensichtlich nicht eingehalten und Möglichkeiten, eigene Positionen darzustellen, verwehrt worden.

Der Vorsitzende, Kollege Thomas Bittner, kann gleichfalls keine bösartige Gegnerschaft zur IG Metall erkennen. Die Kollegen hätten ihr Herzblut bei der IG Metall. Dennoch sei die Hürde für eine eigene Liste sehr hoch, damit dürfe nicht leichtfertig umgegangen werden.

Beisitzer Kollege Wolfgang Schaumberg weist darauf hin, dass die Untersuchungskommission sachlich zu beurteilen habe, ob ein gewerkschaftsschädigendes Verhalten vorliege oder nicht. Nach den vorliegenden Fakten sei ein gewerkschaftsschädigendes Verhalten nicht eindeutig nachzuweisen, somit müsse man eigentlich für die Einstellung des Verfahrens plädieren. Die OV Esslingen habe sich und die Untersuchungskommission mit ihrer öffentlichen Vorverurteilung (siehe Anlage 4) in eine sehr schwierige Lage gebracht. Um die OV nun aber nicht mit der Einstellung des Verfahrens in der Belegschaft zu blamieren, plädiere er für eine schriftliche Rüge mit der Begründung, die Kollegen hätten noch mehr Anstrengungen unternehmen müssen um ihre demokratischen Rechte in der Gewerkschaft zu wahren.

Beisitzer Wolfgang Schaumberg machte außerdem auf die Passage in der Urteilsbegründung des BVG zu "konkurrierenden Listen" aufmerksam, wo es heißt, Sanktionen könne die Gewerkschaft nur verhängen, wenn innergewerkschaftlich die demokratische Mitwirkung an der Aufstellung der Gewerkschaftsliste gegeben sei.

Mehrheitlich ist die Untersuchungskommission der Auffassung, dass das Verhalten der Kollegen Dosen und Müller gewerkschaftsschädigend gewesen sei. Indem beide auf einer gegenüber der IG Metall konkurrierenden Liste mit dem Namen Klartext kandidiert hätten, wären sie darauf angewiesen gewesen, im Wahlkampf die eigenen Vorzüge hervor zu heben und den "Gegner" herab zu würdigen. Das werde auch deutlich, wenn man die Publikationen der Liste Klartext, den "Klartext" lese. Fakt ist, dass aktive Mitglieder der IG Metall in der Betriebsöffentlichkeit in ihrem Ansehen herab gewürdigt werden. Die Untersuchungskommission ist jedoch der Auffassung, dass die Anschuldigungen trotz allem in einem gewissen Rahmen bleiben und nicht grob beleidigend sind..

Andererseits konnten die Kollegen Dosen und Müller, so der weitere Verlauf der Beratung, die Vorgänge um die Aufstellung der BR-Liste zumindest subjektiv als Manipulation erachten. Die Abweichung von anfangs aufgestellten Eckpunkten für die Urwahl war geeignet, Misstrauen hervor zu rufen.

Die persönliche Erfahrung des Kollegen Dosen bezüglich der Ablehnung seines Artikels zu den Langzeitkonten im "Scheibenwischer" sei geradezu Nährboden für Misstrauen.

Obwohl die Mehrheit der Untersuchungskommission keinen Zweifel daran lässt, dass das Verhalten der Kollegen Dosen und Müller gegen die Interessen der IG Metall gerichtet war, wird der Grad des gewerkschaftsschädigenden Verhaltens bei Würdigung des gesamten Vorgangs als nicht schwerwiegend eingeschätzt..

Von daher kamen die Mitglieder des Untersuchungsausschusses in deutlicher Übereinstimmung zu dem Ergebnis, dass ein Ausschluss der Kollegen Dosen und Müller aus der IG Metall nicht in Frage komme.

Auch ein Funktionsverbot oder ein Versammlungsverbot kam nach längerer Aussprache nicht in Frage, weil auf diese Weise die Möglichkeit der Integration der Kollegen Dosen und Müller von vorne herein ausgeschlossen sei. Wer von Versammlungen und damit der Möglichkeit, sich neu zu bewähren, ausgeschlossen wird, habe wenig Chancen; "den Weg zurück zu finden".

Von daher kam der Untersuchungsausschuss einstimmig zum Urteil, dem Vorstand der IG Metall zu empfehlen, den angeschuldigten Kollegen Marte Dosen und Witold Müller eine Rüge zu erteilen.

Der Vorsitzende des Untersuchungsausschuss warnte die Kollegen Dosen und Müller vor der allzu leichtfertigen Einschätzung, sie hätten einen Sieg vor dem Ausschuss errungen, weil die Rüge die unterste Möglichkeit der "Bestrafung" sei. Vielmehr riet er ihnen, von sich aus den Versuch zu unternehmen, eine Befriedung der Verhältnisse herbei zu führen.

Den Kontrahenten in der betrieblichen Auseinandersetzung empfiehlt der Ausschuss, die Debatte über betriebliche Geschehnisse und die gewerkschaftliche Antwort hierauf offen zu diskutieren.

Was die Vorbereitung der nächsten Betriebsratswahl angeht, rät der Untersuchungsausschuss zu einer frühzeitigen Festlegung der Eckpunkte bezüglich der Listenaufstellung, die im Prinzip nur in wirklich außergewöhnlichen Notfällen geändert werden dürften.

Der Untersuchungsausschuss glaubt mit diesen wenigen Vorschlägen Wege aus dem Dilemma aufzeigen zu können. Die bittere Alternative hierzu wäre, die Spirale der Auseinandersetzungen der bösartigen Sorte auf dem Rücken der Kolleginnen und Kollegen der IG Metall, egal welcher Fraktion sie angehören, in Gang zu setzen.. Es wäre im Hinblick auf die notwendige Geschlossenheit ein verhängnisvoller Weg.

Die Untersuchungskommission erlaubt sich noch einen Hinweis in andere Richtung. Es muss als ärgerlich bezeichnet werden, dass innerhalb der IG Metall mit unterschiedlichem Maß gehandelt wird. Während- wie in vorliegendem Fall- die Kandidatur auf einer konkurrierenden Liste als Fehler gebrandmarkt wird, bleiben Gewerkschaftsmitglieder, die auf anderen konkurrierenden Listen kandidieren (z.B. Liste 6 "Die Unabhängigen", Liste 7 "UAG´78" oder Liste 8 Magura im Betrieb 02) ungeschoren nach dem Motto: "Wo kein Kläger ist, ist kein Richter" (siehe in Anlage Nr.2 Aushang des Wahlvorstandes). Auch haben auf der Liste Klartext weitere Mitglieder kandidiert, die bei der IG Metall-Verwaltungsstelle Stuttgart organisiert sind und bisher von einem Untersuchungsverfahren unbehelligt blieben

Esslingen, den 30.09.02

Thomas Bittner
Beisitzer

Helga Bleibel
Schriftführerin

Wolfgang Kicherer
Beisitzer

Hans-Peter Haug
Beisitzer

Martin Bott
Beisitzer

Wolfgang Schaumberg
Beisitzer

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