letzte Änderung am 22. Oktober 2003 | |
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Im Rahmen der Aktion Tatort Betrieb hat die IG Metall Baden-Württemberg eine neue Broschüre zum Thema Stress und psychische Belastungen herausgegeben. Sie soll einen Anfang darstellen, um die Beschäftigten zum Thema zu sensibilisieren und Angebote zu unterbreiten, »wie gute Arbeit auch ohne Stress möglich ist ... Sie ist ein Einstieg in die Problematik und gibt Hinweise zum Umgang mit dem Problem Stress«, so das Vorwort von Berthold Huber. Nachdem sich schon in den vergangenen Jahren tausende Beschäftigte, Vertrauensleute und Betriebsräte an verschiedenen Tatort-Betrieb-Kampagnen beteiligt haben, hofft die IGM nun, an diese positiven Erfahrungen mit dem heiklen Gesundheitsthema anknüpfen zu können.
Die als Begleitmaterial gedachte Broschüre ist im einfachen Sinn aufklärerisch. Sie erklärt den Begriff Stress, erläutert die gesundheitlichen Folgen des Stresses und versucht Ursachen und Hintergründe zu er-läutern, allerdings ohne einmal das Wort Personalbemessung zu erwähnen. Stress steht aber im Zusammenhang mit den Unternehmenskonzepten der schlanken Produktion, die die Belegschaften verschlankt und sozusagen die Freiräume systematisch abgeräumt haben. Stress und Krankheit bzw. die Kosten für die Unternehmen ist nun der Widerspruch, den sie davon zurück bekommen. Deswegen wäre auch in einer solchen Broschüre über (verlorengegangene Gewerkschafts-)Macht und Kontrolle im Betrieb zu schreiben bzw. diese zu mobilisieren. Statt dessen wird nun aber wieder nur nach klugen im Sinne des working smart Lösungen gesucht und vom eigentlichen Problem abgelenkt.
Im hinteren Teil werden dann Praxisbeispiele gegeben, wie man eine Gefährdungsbeurteilung in einem Be-trieb organisieren könnte. So interessant und informativ die Broschüre auch ist, hier bleibt sie hinter dem Möglichen zurück, denn sie bleibt bei einer strikt arbeitswissenschaftlichen Perspektive stehen und schlägt einen »Fragebogen zur Erfassung und Bewertung von psychischen Belastungen am Arbeitsplatz« vor, in dem verschiedene Aspekte des Arbeitplatzes respektive Arbeitsverhältnisses von den Beschäftigten mit Schulnoten oder wahlweise mit lachenden oder mürrischen Gesichtern bewertet werden können. Obwohl der Zweck der Aktion laut Vorwort ist, dass die Beschäftigten »einen Anspruch auf Qualifikation bekommen« und die Beteiligung der Beschäftigten explizit gefragt ist, wird ihnen schon von Anfang an die Definition und der Rahmen vorgegeben, der ihre psychische Belastung beschreiben soll. Anstatt davon auszugehen, dass die Beschäftigten selbst die Experten zumindest für ihre eigene psychische Belastung sind, und im Rah-men der Aktion versuchen können, ein Bewusstsein davon zu bekommen, bleiben die Beschäftigten in diesem Verfahren wieder nur Objekt (es sei denn, man denkt, die Männchen anzukreuzen erzeuge gegebenenfalls schon einen Subjektstatus).
Es ist aber zu vermuten, dass gerade der Objektstatus in der Produktionssphäre u.a. zu psychischen Belastungen bei den Beschäftigten führt. Wünschenswert wäre es dagegen, die reflexivere Form, diese Probleme zu bearbeiten, aufzugreifen. Von den Gewerkschaften im angelsächsischen Raum könnte man hier einiges lernen. Für Bildungsarbeit taugt die Broschüre deshalb nur bedingt.
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