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VW Südafrika

Kein Einlenken von VW, Niederlage für die Entlassenen

Im letzten express hatten wir über die geplante Rundreise von Abraham Agulhas und Edward Ketye, zwei Vertretern der 1.300 Entlassenen des VW-Werkes in Uitenhage, Südafrika, berichtet. Überschattet war diese Rundreise, die u.a. durch Wuppertal, Köln, Hamburg, Berlin, Mannheim, Salzgitter, Berlin und Frankfurt/Main führte, zum einen vom ungewissen Ausgang des zu diesem Zeitpunkt laufenden Berufungsverfahrens vor dem "South Africa Labour Court". VW Südafrika hatte sich entgegen früheren Äußerungen nicht an das Ergebnis des kurz vorher bekannt gewordenen Schlichterspruches gehalten, der das Unternehmen wegen Verfahrensfehlern im Zusammenhang mit der Kündigung zur Wiedereinstellung der Entlassenen verpflichtet hatte, und war in die nächste Instanz, diesmal vor dem erwähnten Arbeitsgericht gegangen.

Zum anderen hatte Klaus Volkert, Weltbetriebsratvorsitzender von VW, den beiden Südafrikanern noch vor Beginn ihrer Reise ein besonderes Päckchen mit auf den Weg gegeben. In einem Schreiben an Klaus Zwickel, Albert Schunk, Robert Steiert sowie eine Reihe von IGM-Verwaltungsstellen hatte er vor der "Veröffentlichung von Halb- und Unwahrheiten" gewarnt, wohlgemerkt: ohne mit den Belegschaftsvertretern geredet zu haben und noch bevor die erste Veranstaltung stattgefunden hatte. Zweck der Reise war unter anderem, zur Klärung der Vorwürfe beizutragen, die von Numsa, VW Südafrika und unter Berufung auf diese Quellen auch der IG Metall gegen die Entlassenen und ihre Gewerkschaft OCGAWU erhoben werden. Demnach seien die Streikenden mit Gewalt gegen nicht-streikwillige KollegInnen vorgegangen, hätten die Belegschaft mit Waffen zum Streik gezwungen und sich gewaltsam an jenen gerächt, die sich dem Streik nicht angeschlossen hätten.

Speziell dieser Punkt war es, auf den Volkert und Uhl in ihren bisherigen Stellungnahmen immer wieder zu sprechen kamen und der viele Metaller hierzulande wohl verunsichert hatte. Kein Wunder, dass die örtlichen Verwaltungsstellen fast durchweg ihre Unterstützung bei den Veranstaltungen versagten – und zum Teil sogar noch sehr kurzfristig, wie in Frankfurt/Main oder Hamburg, einen Rückzieher machten. Hätten sie die Betroffenen zu Wort kommen lassen, dann hätten diese ihnen berichten können, dass die Gewaltvorwürfe an keiner Stelle des bisherigen Schlichtungsverfahrens und weiteren öffentlichen Hearings zu der Auseinandersetzung aufgenommen oder gar bestätigt wurden – ein Punkt, der auch von den Mitgliedern der deutschen Delegation, die an verschiedenen Verfahrensterminen im letzten Jahr als BeobachterInnen teilgenommen hatten, bestätigt wurde –, dass das Tragen von Waffen in der Gegend nichts per se Ungewöhnliches darstellt und dass die Darstellung auch insofern zweifelhaft ist, als die Androhung von Gewalt die hohe Streikbeteiligung in keiner Weise erklären kann. Ein Ergebnis der Frankfurter Veranstaltung war daher, dass nochmals versucht werden soll, der Darstellung der Weltbetriebsratsvertreter entgegenzutreten, um damit den Weg für eine andere Form der Auseinandersetzung zum Thema in der Öffentlichkeit freizumachen und so vielleicht doch noch zu einer politischen Lösung des Falles beitragen zu können. Zu diesem Komplex dokumentieren wir den Brief eines Vertreters der "Durchschaubaren", einer der zwei kritischen Listen in Höchst, der die Darstellung von Volkerts mit der der betroffenen Südafrikaner kontrastiert (s. S. 13).

Damit wäre man dann auch beim zweiten, wichtigeren Punkt, der politischen Dimension des Konflikts, die eine Solidarisierung für viele offenbar problematisch erscheinen lässt. Hier ist es einerseits die Tatsache, dass sowohl in der COSATU (dem südafrikanischen Gewerkschaftsdachverband), als auch in der NUMSA (der zuständigen Metall-Gewerkschaft) viele ehemalige ANC-Kämpen organisiert sind, deren Anti-Apartheidskampf auch hiesige GewerkschafterInnen in zum Teil jahrzehntelanger Solidaritätsarbeit unterstützt haben. Auf diese Seite des Konflikts verweisen nicht nur Volkerts und sein Sekretär Uhl in ihren bisherigen Schreiben, sondern jüngst auch Klaus Zwickel in seiner Antwort auf den Brief eines Mitglieds der Autokoordination (siehe Dokumentation auf dieser Seite). Statt jedoch die aktuellen betrieblichen und wirtschaftspolitischen Strategien ehemaliger ANC-Protagonisten für sakrosankt zu erklären, wäre hier eine selbstkritische Reflexion über die Grenzen entwicklungspolitischer Strategien angebracht, die lediglich bis zur Ansiedlung kapitalkräftiger Unternehmen reichen und den Rest der ‘Naturwüchsigkeit’ des Standortwettbewerbs überlassen.

Und genau an dieser Frage, wie weit das Entgegenkommen der Beschäftigten gegenüber den Forderungen von VW in Uitenhage reichen sollte, hatte sich schließlich die Auseinandersetzung entzündet. Was viele Betriebsräte hierzulande schon längst akzeptiert haben, das lehnten die 13, damals noch zur NUMSA gehörenden Shopstewards mit ihrem Minderheitenvotum innerhalb der NUMSA ab: die Verschärfung ihrer Arbeitsbedingungen qua Arbeitsintensivierung, -flexibilisierung etc. und vor allem die Umgehung der in der Tradition der ANC-Politik stehenden strikt basisorientierten demokratischen Verfahren der Meinungs- und Willensbildung in der Belegschaft durch die Mehrheitsfraktion innerhalb der NUMSA. Auf diesen Aspekt der Auseinandersetzung geht der Bericht über die Soliveranstaltung in Hamburg ein, den wir hier nicht stellvertretend für die vielen anderen Veranstaltungen, sondern als kleinen Ausschnitt der vielfältigen Diskussionen, die sich während der Rundreise entwickelt hatten, dokumentieren möchten (s. S. 14).

Alle diese Punkte werden durch die jüngste Entscheidung des Arbeitsgerichts vom 7. März nicht obsolet, sondern stehen weiterhin auf der Tagesordnung. Nicht ganz unvorhergesehen hatte der "South Africa Labour Court" entschieden, den Spruch des Schiedsgerichts aufzuheben, und die Kündigungen durch VW für rechtmäßig erklärt. Damit bleibt den Entlassenen auf juristischem Wege nur noch die Möglichkeit, in die nächste Instanz vor dem "Labor Appeal Court" zu gehen – und das wird teuer (insgesamt rechnen die Klagenden mit rund 240.000 DM, wenn auch diese Instanz verloren geht). Die Entlassenen haben sich dennoch entschlossen, diesen Weg zu gehen. Ein Ergebnis der Verhandlungen, die Ende März beginnen, wird für Ende April erwartet – wir werden berichten.

Bis dahin besteht jedoch weiterhin dringender Bedarf an finanzieller und vor allem politischer Unterstützung. Was die Vertreter der Entlassenen sich von ihren bundesdeutschen KollegInnen und "GenossInnen" erwarten, dazu mehr in dem Brief, den sie nach ihrer Reise an die TeilnehmerInnen der Veranstaltungen verfasst haben (s. unten).

In Frankfurt hatten sie zudem berichtet, dass sie sich um die Verbesserung der Kontakte zu den in der Zwischenzeit neu eingestellten KollegInnen kümmern wollen, um zu verhindern, dass VW diese befristeten KollegInnen gegen die 1.300 Entlassenen ausspielt. Generell gehe es darum, die OCGAWV, die bereits einige Hundert KollegInnen auch im Werk vertritt, nun auch gegenüber VW als anerkannten Verhandlungspartner zu etablieren. Die NUMSA habe dagegen im Werk praktisch keine Unterstützung mehr.

Erschienen in: Express - Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit, Ausgabe 3/2001


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