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"Wir wollen eine Belegschaft bleiben"

Die Bochumer Opel-Belegschaft erkämpfte eine vorgezogene Belegschaftsversammlung, die heute, am 8. Juni zwischen 14.45 und 22.45 Uhr stattfand. Ein Bericht des LabourNet Germany
(8.6.2000, 23.40)

Das Ritual war gewohnt: Rede der Belegschaftsvertreter, Bericht der Geschäftsleitung und Redebeiträge aus der Belegschaft. Doch die Situation schien für die Werksleitung ungewöhnlich, zumindest war Presseabteilung wie Werksschutz sehr aufgeregt bemüht, keinen Journalisten das Mithören der Belegschaftsversammlung (mit 9.6000 Belegschaftsangehörigen) vom Opel-eigenen Parkplatz aus zu ermöglichen. Meine Kollegen von der lokalen Presse und ich wurden immer wieder vom Gelände verwiesen, wo der Autoverkehr vor dem Werk I eine sichere Störkulisse darstellte. So besteht dieser Bericht aus einer Mischung des Mitgehörten wie aus Berichten einiger Mitglieder der Belegschaft.

Die einleitende Rede des Betriebsratsvorsitzenden Jaszczyk zeichnete sich durch eine geschickte Mischung aus kämpferischen Parolen ("Den Kampf nehmen wir auf - nicht gern, aber..."), Drohungen gegen den GM-Vorstand und "die Herren" in Detroit, die merken müssten, dass Opel nicht mehr wie eine "Bananen-Republik" von den USA aus regiert werden könne ("oder, oder, oder ...... "), moralischen Appellen ("Was hat diese Belegschaft in den letzten Jahren bezahlt - allein die zweite Standortvereinbarung...." - und einige Pfiffe von denen, die sich an seine Werbung hierfür erinnerten) sowie Verweisen an die Hilfe der Stadt oder an die Notwendigkeit erweiterter Mitbestimmungsrechte durch eine Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes. Er erntete hierfür teilweise Beifall, teilweise distanzierte Skepsis von einer Belegschaft, in der sich Misstrauen gegenüber Betriebsrat und Gewerkschaft verbreitet. Doch mit kämpferischen Parolen, die die Stimmung der Belegschaft aufgreifen lässt sich Boden gewinnen - und disziplinierend eingreifen. Immerhin deutete er gegenüber der Geschäftsleitung an, dass bei allen kommenden Verhandlungen nicht nur der GBR, Euro-BR und die Fiat-Vertreter geschlossen dabei sein werden, sondern auch "80.000 Werksangehörige".

Vorstandsmitglied Küpper betonte im Bericht der Geschäftsleitung die Vorteile und Synergien der Allianz mit Fiat. Interessant war, dass er diese Synergieeffekte sowohl für Europa und Südamerika nannte, die von der neuen Struktur betroffen sein sollen, als auch für Nordamerika. Fest scheint zu stehen, dass je für die Bereiche Einkauf und Getriebe/Motoren Joint Ventures gebildet werden. Aus den beiden Unternehmen (Opel (auch Opel Austria) + Saab + Vauxhall; Fiat + Alfa Romeo + Lancia) sollen ausgegliederte europaweite Holdings mit nationalen GmbHs entstehen, als von diesen Synergien potentiell betroffen wurden 30.000 Beschäftigte europaweit genannt. Hiervon erhoffe man sich eine Erhöhung des Europaanteils um 20%. Die Gründung der Holdings soll noch im Juni erfolgen, die Umsetzung in GmbHs bis Ende des Jahres. Man wolle aber auch hiermit im Arbeitgeberverband bleiben, so Küpper, allerdings stünde die Standortsicherungsvereinbarung II zur Disposition. Sein abschließendes Versprechen, künftig umfassend, rechtzeitig und regelmäßig zu informieren wurde ausgelacht. Wohl auch, weil viele der KollegInnen eben erst erfahren haben, dass es in Rüsselsheim und Kaiserslautern bereits 3 GmbHs gibt.

Geradezu an die Vorgänge im Vorfeld des Verkaufs von Rover durch BMW erinnernd war die Nebeninformation, dass die Fusion erstmals im November 1999 spruchreif gewesen sei und bereits am 26.3.2000 der Aufsichtsrat - also samt der Arbeitnehmervertreter) informiert worden sein soll.

Klaus Franz, der stellvertretende GBR-Vorsitzende aus Rüsselsheim, rechtfertigte indirekt die Entscheidung, "weltweit die Nr. 1 zu bleiben". Er wies darauf hin, dass Fiat in Europa 46 % Überkapazitäten hätte [siehe den Solidaritätsaufruf der polnischen Fiat-Kollegen] und behauptet einen Opel-Manager zu zitieren mit den Worten: "Zwei Fußkranke haben sich zusammengetan". Er erwwähnt allerdings auch, dass auch die Fiat-KollegInnen Angst hätten [siehe die Übersetzungen aus il manifesto auf gleicher Seite] und verspricht - dem Euro-BR sei dank - es würde keine Spaltung geben.

Allerdings wurde hier mehr Zeit darauf verwendet, rechtliche Handlungsmöglichkeiten bei einer Entscheidung zur Ausgliederung aufzuzeigen - und die Forderung seitens des GBR lautet, kaum beachtet, nur noch: "keine betriebsbedingten Kündigungen!"

Gut kam hingegen der Rüsselsheimer VKL an, der versprach, dass die am Dienstag zur Aufsichtsratssitzung anreisenden Bochumer KollegInnen (im Gespräch sind momentan ca. 3 Busse/150 Menschen) nicht von der Rüsselsheimer Belegschaft allein gelassen werden.

Ähnliches versprach natürlich auch der eingeladene Bochumer Oberbürgermeister, der ebenso besorgt um den Standort Bochum ist und sich um Hilfe der kommunalen und regionalen Wirtschaftsförderung bemühen will - welche Steuern der Adam Opel AG in Bochum noch erlassen werden können, ohne vorher erst eingeführt zu werden, ist allerdings unklar. Leider reihte auch er sich in die etwas nationalistisch klingenden Reihen ein mit den Angriffen auf den "Kasino-Kapitalismus", der offensichtlich nur in den USA grassieren soll - ob er mit Kaufkraft-Argumenten der Bochumer Bevölkerung ausgetrieben werden kann?

In der anschließenden offenen Diskussion ging es bunt durcheinander. Einige Tendenzen können genannt werden:

Bilanz: große Produktionsausfälle für Bochum, da die Nachmittagsschicht in Werk I wie II stand und teilweise Ausfälle in den Nachtschichten. Von dem Gerücht, morgen, am Freitag solle gestreikt werden, ist kaum noch die Rede und alles starrt auf die Nachrichten von der Aussichtsratssitzung am nächsten Dienstag. Deutlich muss aber auch der Geschäftsleitung geworden sein: "wir lassen uns nicht mehr verarschen" und "das ist hier die dritte und letzte Warnung".

Wir nehmen alles wörtlich und bleiben dran!

Mag Wompel


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