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Entwicklung bei DaimlerChrysler in Brasilien

Ein Überblick aus der Sicht der Belegschaften

 

Sao Bernardo

Wie jedes Jahr bringt eine Zeitung der Fabrikkommission in Sao Bernardo einen kurzen bebilderten Überblick über erfolgreiche Kämpfe im vergangenen Jahr. Für 2000 waren dies folgende Auseinandersetzungen:

Hauptthema der Zeitung sind jedoch Probleme mit der "Personalbemessung für die Produktion". So heißt es:

"Nochmals, das ist die Theorie! In der Praxis sind fehlerhafte Zeitvorgaben in den Programmen keine Seltenheit. Nacharbeitszeit, Urlaubs-, Fehltage und Krankschreibungen unterliegen starken Schwankungen, und der Produkt-Mix wird aus unterschiedlichsten Gründen nahezu täglich geändert.

Was schwarz auf weiß in der Personalbemessung steht, ist also keineswegs hieb- und stichfest. Am deutlichsten wird das, wenn an der Linie, in der Fertigungszelle oder am Arbeitsplatz das Letzte aus uns rausgeholt wird.

Dann gilt es, den Mund aufzumachen! Und das zu Recht, denn alle unsere Vereinbarungen zu Fertigungszellen, Kaizen und Gruppenarbeit enthalten Bestimmungen, nach denen die Arbeitsgeschwindigkeit keinesfalls zur Erschöpfung der Arbeitnehmer führen darf.

Auf Betreiben der Gewerkschaft findet sich in der Vereinbarung zur Gruppenarbeit ein Passus, nach dem die Gruppen in Fragen der Personalbemessung zu qualifizieren sind, damit sie diese selbst, auch ohne Unterstützung der Fabrikkommission überprüfen können.

In jedem Fall stehen aber auch Fabrikkommission und Arbeitsschutzausschuss bereit, um bei Unterbesetzung und steigender Arbeitsbelastung einzugreifen, damit uns in Zukunft stressbedingte Horrorszenarien wie die tödlichen Unfälle in den Jahren 1997 und 1998 erspart bleiben.

 

Campinas

Im ehemaligen Buswerk sind in diesem Jahr die letzten Einrichtungen für den verbliebenen Rohbau von Fahrgestellen in das ca. 100 km entfernte Werk in Sao Bernardo verlegt worden. Für die Arbeiter gab es ein verlockendes Angebot, nach Sao Bernardo mit umzuziehen. Nicht alle konnten das akzeptieren, viele aus familiären Gründen nicht. Sie erhielten eine Abfindung. Die Fabrikhallen in Campinas sind inzwischen an andere Firmen verkauft oder vermietet. Über die Arbeitsbedingungen bei diesen Firmen hört man wenig Gutes.

 

Juiz de Fora

Seit drei Jahren wird hier die A-Klasse gebaut. Geplant waren 70000 Einheiten pro Jahr. Produziert wurden im Jahr 2000 lediglich 15000! Die ursprünglich hohen Erwartungen der neu eingestellten Arbeiter wurden gründlich enttäuscht. Viele von ihnen haben DC den Rücken gekehrt, vor allem aus finanziellen Gründen. Die Löhne sind erschreckend niedrig, nur etwa ein Drittel der Löhne in Sao Bernardo wird hier gezahlt. Und auch in der Stadt herrscht große Unzufriedenheit über die neue Firma DC. Zudem hat die Werkleitung immer noch keine Fabrikkommission anerkannt. Erst zu Beginn 2001 wurden auf Druck der KollegInnen in Sao Bernardo Verhandlungen über das Statut einer Fabrikkommission aufgenommen.

 

Campo Largo

Seit der "Megahochzeit" besitzt DC dieses Montagewerk im südlich gelegenen Staat Parana. 250 Beschäftigte produzieren hier den Dodge Dakota. Große Schwierigkeiten macht der örtlich sehr regen Metallergewerkschaft die Werkleitung, indem diese gleich zu Beginn der Werksgründung eine so genannte "Gelbe Gewerkschaft" (Betriebsgewerkschaft) installierte.

Doch im Februar diesen Jahres kam es noch härter: Im Zuge der "Sanierung" von Chrysler mit der Vernichtung von weltweit 26000 Arbeitsplätzen wurde verkündet, dass die Produktion dieses Modells eingestellt werden solle. Die Kollegen gingen sofort in einen 24-stündigen Streik. Sie erreichten eine Beschäftigungsgarantie bis Ende April. Aus der Konzernleitung in Stuttgart ist zu hören, dass die Produktion am 19. April eingestellt wurde. Die Kollegen erhalten ihre Löhne bis Ende Juni weiter. Bis dahin will die Werkleitung zusammen mit den Beschäftigten in Campo und Sao Bernardo eine Lösung für eine Anschlussproduktion finden. Im schlimmsten Falle stehen sonst 250 Leute auf der Straße.

Wie überall in den Großbetrieben werden bei allen Produkten und Produktteilen Kostenvergleichsrechnungen angestellt. So zum Beispiel auch zwischen dem Motorenbau in Mannheim und in Sao Bernardo. Wer billiger anbietet, erhält den Zuschlag. Damit werden Belegschaften aufeinander gehetzt. Gegenseitige Information und Suche nach betriebsübergreifender Solidarität sind gefordert.

 

Inzwischen hat der "Internationale Arbeitskreis bei DC" mehrmals getagt. Er soll so etwas wie die Vorstufe eines zukünftigen Weltbetriebsrates darstellen. Bisher diente er nur dazu, Informationen und Erfahrungen auszutauschen. Weiter geht jedoch die Bemühung um die Verabschiedung eines "Verhaltenskodex", der für alle Werke weltweit gelten soll.

Zentrale Themen darin sind die Akzeptanz von frei gewählten Gewerkschaften, Arbeitssicherheitsstandards, keine Behinderung von Interessenvertretungen und Verbot von Kinderarbeit etc.

Die Ankündigung des Zetsche-Programms zur Sanierung von Chrysler wäre eine erste Gelegenheit gewesen, innerhalb der Belegschaften Solidaritätsaktionen durchzuführen.

erschienen im express, Zeitschrift für Betriebs- und sozialistische Gewerkschaftsarbeit, 8/01


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