Kettenbildung auf Demonstration als Gewalttat gegen die Polizei?
Berufungsverhandlung vor dem Landgericht München I am Freitag 21.September 2007
Ist das gegenseitige Unterhaken auf Demonstrationen ist ein gängiges Mittel zur Stärkung des Solidaritätsgefühls oder eine Straftat. Mit dieser Frage befasst sich das Landgericht München I am Freitag 21. September um 9 Uhr (Gerichtsgebäude Nymphenburger Str. 16 München im Raum A 208/II).
Der Journalist und Historiker Dr Nikolaus Brauns, wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der Innenpolitischen Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag Ulla Jelpke, ist angeklagt, im vergangenen Jahr auf einer kurdischen Kundgebung durch Bildung einer Kette mit anderen Demonstrationsteilnehmern Widerstand gegen die Polizei geleistet zu haben. Vom Münchner Amtsgericht war Dr Brauns am 20.April in erster Instanz wegen Widerstands gegen die Polizei und versuchter Strafvereitelung zu 70 Tagessätzen zu 30 Euro verurteilt worden. Dagegen hatte er Berufung eingelegt.
§ 113 des Strafgesetzbuches definiert Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte als Gewalt, Drohung mit Gewalt oder einen tätlichen Angriff auf Polizeibeamte. Eine solche Gewalttat sieht Rechtsanwalt Michael Sack als Verteidiger von Dr Brauns im vorliegenden Fall nicht, da sich die Kundgebungsteilnehmer lediglich friedlich untergehakt hatten. Das Bundesverfassungsgericht hat bekanntlich in der Vergangenheit (Sitzblockadenentscheidung vom 10.01.1995) bei friedlichen Sitzblockaden keine Gewaltanwendung gesehen und in der Folge Verurteilungen wegen Nötigung aufgehoben
Sollte das Landgericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft folgen und das friedliche Unterhaken auf Demonstrationen bereits als verbotene Widerstandshandlung werten, wäre dies ein weiterer Angriff in das vom Grundgesetz geschützte Recht auf Versammlungsfreiheit.
Nähere Informationen über den Fall entnehmen Sie bitte dem Prozessbericht vom April.
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